Wirkung der Weisheit des Lukrez nicht vorbereitet war, jenen Aufschrei.

Derselbe rief sogleich die ängstliche Gertrud herbei, die den verblüfften Philosophen fragte, was denn geschehen sei, und als sie von ihm keine befriedigende Antwort erhielt, an das Bett ihres stöhnenden Herrn eilte.

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Hinaus fort!- Selbst ein verrückter Thor! trösten will mich umbringen! bekommt

Mich Denkt, daß er die Erbschaft

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hahaha!"

Aber Jakob!" rief Eusebius  , der sich von seinem Staunen immer noch nicht erholt hatte, vorwurfsvoll. Ich schwöre dir-" Emmerenzia, die nahe der Thür des Nebenzimmers gestanden, und jedenfalls eifrig gelauscht hatte, öffnete jetzt und trat über die Schwelle; ihr folgten, wie auf Verabredung, sämmtliche erb­berechtigte Geschwister, denn keins wollte jezt, in der letzten, wichtigsten Stunde den Erblasser mit den übrigen allein lassen. War auch das Testament längst gemacht, so konnte es ja noch umgestoßen oder ein schwerwiegendes Kodizill dazu verfaßt werden! Es galt demnach, auf der Hut zu sein; das sagten sie sich alle, und das Resultat war, daß keiner dem andern traute.

Dame Edeltrud war nicht die Leßte gewesen, und bezwang ihren. Hochmuth sogar soweit, den Schwager Flickschuster nach der Ursache dieser" Szene" höchstselbst zu befragen.

Ganz ehrlich erzählte der alte Student, was sich zugetragen, während Gertrud dem Kranken eine beruhigende und kräftigende Arznei einflößte.

Diese äußerte denn auch bald ihre Wirkung, Herr Jakob richtete sich ein wenig auf in den stüßenden Armen der treuen Dienerin, und betrachtete die um sein Bett gruppirten Geschwister mit feindseligen, höhnischen Blicken, dann krächzte er heiser:

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" Hinaus sofort! Mörder, Giftmischer, Erbschleicher  !- Ihr wollt mir an's Leben und eure bösen Wünsche und Gedanken verkürzen meine Tage! Marsch hinaus, euch zum Aerger werd' ich noch lange leben!" Damit sank er zurück, schloß die Augen und röchelte dumpf.

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Den Arzt holt den Doktor Binder!" schrie Gertrud in Todesangst.

Eusebius   war der erste und einzige, der sich schnell ermannte und sich anschickte, den Arzt zu rufen, der im Nebengemach ein Rezept geschrieben und sich darauf zu Hans in den Laden hinab­begeben hatte.

Auf Frau Gertruds energisches Drängen zogen sich die übrigen zurück, da es leicht ersichtlich war, daß die Gegenwart seiner Erben den sterbenden Geizhals auf das furchtbarste erregte. Wenigstens trugen seine Züge einen sprechenden Ausdruck von Menschenverachtung, als er sich wieder ein wenig erholt hatte.

Der Arzt erschien, prüfte den Puls seines Patienten und kniff die Lippen zusammen. Achselzuckend trat er dann zurück. Die Schwäche des Kranken nahm zu, er begann wieder zu röcheln, unruhig glitt seine Rechte die linke Seite war gelähmt auf der Bettdecke hin und her. Gertrud murmelte ein Gebet, ein zorniger Blick ihres Herrn unterbrach sie in dieser frommen Beschäftigung.

Sie flüsterte leise, um nicht von der Hofräthin gehört zu werden, die hinter dem Fenstervorhang halb verborgen stand, eine Frage in das Ohr des Sterbenden. Dieser schüttelte mit dem kahlen Kopfe, auf dem falte Schweißtropfen perlten. Dann, mit einer legten äußersten Anstrengung, stammelte er: ..Erben Feinde nicht sehen mein Geld schönes Geld ah ah ah Wieder sanken die Augenlider schwer herab, das Röcheln stellte sich wieder ein der Todeskampf begann.

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Es war ein wildes, verzweifeltes Sichsträuben gegen die Ver­nichtung, und das endlich, kurz vor Mitternacht, erfolgte Ende des wunderlichen Greises hatte nichts Versöhnendes, Friedvolles.

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Die alte dohlenwinkler Thurmuhr verkündete mit tiefen Schlä­gen die zwölfte Stunde, als die Thür des grauen Hauses am Markte sich öffnete, und eine kleine, schweigende Gesellschaft aus derselben hinaus in die sternenhelle, würzige Maiennacht, auf die schweigende, todtenstille Straße trat.

Das waren die Erben des Bartels'schen Vermögens, männlich und weiblichbürgerlich und adlig.

Der tiefbetrübte Hans, dessen kleine Augen förmlich in Thränen schwammen, leuchtete mit trauriger Miene, und erlaubte sich sogar an den Hofrath, der sich, Dame Edeltrud am Arm führend, so

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gleich von den Uebrigen trennte, die schüchterne Frage zu richten: ob er den Herrschaften vielleicht heim leuchten solle, da die Abtei in einer dunkeln und ziemlich entfernten Gasse gelegen sei?

Das graue Mänuchen brummte verlegen einige Dankesworte, die Hofräthin jedoch blieb stehen und das stolze Haupt nach rück­wärts gewandt, sagte sie nachlässig:

,, Ach, apropos, wir können da gleich diese lächerliche An­gelegenheit erledigen. Sie haben die unverantwortliche Kühnheit gehabt, wie mir mein Gemahl sagte, um unsere Tochter, Fräulein Adelgunde v. Bartels, anzuhalten.

,, Dies ist eine Vermessenheit, welche nur völlige Unzurechnungs­fähigkeit einigermaßen entschuldigen kann diesen Milderungs­grund will ich annehmen, und in Anbetracht des traurigen und erschütternden Ereignisses, auf keine exemplarische Bestrafung für Ihr gestern begangenes Vergehen dringen, sondern Sie in aller Stille entlassen.

in

Sie sind hiermit Ihres Dienstes enthoben und mögen morgen aller Frühe das Haus Ihres Prinzipals verlassen. Für passenden Ersatz wird gesorgt werden.

Noch spreche ich die Hoffnung aus, daß Sie Ihr Vergehen bereuen, und als Beweis hierfür baldmöglichst auch Dohlenwin.. verlassen werden, damit die unglückliche Dame, das Opfer Ihrer Verführungskünste, ohne Erröthen wieder das Licht des Tages schauen darf!"

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Eine stolze Handbewegung noch und Dame Edeltrud wandte sich zum Gehen, den kleinen Hofrath, der nicht ein einziges Wort zu äußern gewagt, mit sich ziehend. so viel Unglück, so Hans starrte ihr schier entgeistert nach viel Schmacher faßte es nicht, es war wirklich zu viel auf einmal das Licht erlosch in seiner zitternden Hand, er stand im Dunkeln und blickte den Enteilenden eine Weile in stummem Jammer nach, dann setzte er sich auf die ausgetretene Stufe, welche zu dem Laden führte, den er so lange treulich verwaltet- und weinte bitterlich.

Der arme, treue Mensch, er hätte, wenn ihn in diesem Augen­blick jemand auf's Gewissen gefragt: ob ihm der Abschied von dem ihm so theuren Wirkungskreise schmerzlicher sei, oder die Trennung von der Geliebten ja wahrlich, er hätte es nicht gewußt. Nur so viel war ihm klar: daß die Welt ein Jammer­thal und er, Hans, zum Unglück geboren sei!

Ganz anders Eusebius   ausgenommen, der tief gedanken­voll seiner ärmlichen Wohnung vor dem Thore zuschritt fühlten und dachten die Erben.

Der Schneidermeister und Frau Friederike, denen es für aus­gemacht galt, daß Röschen die Erbin sei, fonnten es doch nur schwer verwinden, daß die hochmüthige Schwägerin der Hof­rath zählte auch in dieser, wie in jeder Rechnung immer nur als Null  - doch so eigentlich ihren Zweck erreicht und den Vogel abgeschossen habe.

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Röschen sei allerdings ein gutes Ding und halte zu den Schwiegereltern mehr als zu den eigenen Eltern- aber der Jakob hat halt doch nur die Erbschaft in zweiter Linie. Daß die beiden Schwestern leer ausgingen, fanden Johann und Friederike ganz in der Ordnung, auch Eusebius  , der mit Geld ohnehin nichts Vernünftiges anzufangen verstand, kam nicht in Betracht.

Der Todte hätte eben nur eine ,, vernünftige Wahl" treffen können und wenn er dies verabsäumt so möge ihm Gott  die Sünden verzeihen, und ihn trotzdessen sanft ruhen lassen.

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Man sieht, daß der Schreiner Johann und seine Ehefrau immer noch christlich dachten; weniger gefühlvoll faßten die adligen Bartels die Angelegenheit auf.

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Als das Ehepaar( Adelgunde war noch immer in strenger Haft auf ihrem Zimmer) bei dem verspäteten Nachtmahl saß, um nach dem anstrengenden Tage den erschöpften Leib zu stärken, meinte Dame Edeltrud, nachdem sie den Erbonkel" ziemlich scharf mitgenommen, dafür, daß er den plebejischen Jakob zum Erben erkoren ,, es mag nun sein wie immer Zeit ist es jedenfalls, daß unsere Finanzen durch die Erbschaft restaurirt werden, wenn wir auch erst auf Umwegen in den Besitz derselben gelangen. Denn ich muß dir sagen," fuhr sie vertraulicher fort, ,, die Kontis haben bereits ein beträchtliche Höhe erreicht, und Wir haben Schulden?" stotterte der kleine Hofrath ganz er­schreckt.

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,, Schulden welch vulgäre Bezeichnung!" rief Dame Edel­trub entrüstet aus." Ich sehe, daß du dich meines Vertrauens wenig würdig zeigst. Denkst du denn, daß vornehme Leute wie