Trieb nach angestrengter Thätigkeit in ihm gefördert" sei und daß demnächst in einer Broschüre unter dem Titel ,, Unverzagt" die Mitel und Wege angeben werde, wie die bei ihm verloren gegangenen Vermögenstheile wieder hereingebracht werden können. ,, Ünverzagt" wird also die höchste Fruktifizirung" wieder von von vorne beginnen und es kann daher nicht zeitig genug gewarnt werden: ,, Taschen zu!"
Von Placht zu Wertheim ist nur ein Schritt. Erfand ersterer die ,, höchste Fruktifizirung", so haben wir letzterem den goldenen Saz: ,, die Moral ist nicht auf der Tagesordnung" zu verdanken. Daß bei Herrn Baron v. Wertheim die Moral wirklich nicht auf der Tagesordnung" steht, braucht nun allerdings nicht erst bewiesen zu werden. Nachstehendes Stückchen ist aber bezeichnend genug, um es den Lesern der ,, Neuen Welt" nicht vorzuenthalten. In der goldenen Zeit nämlich, als alle Welt ,, gründete" und die Aktiengesellschaften wie die Pilze nach einem warmen Regen aus dem Boden emporschossen, so daß fast jedes größere und auch manches kleine Geschäft einer solchen Aktiengesellschaft gehörte, da konnte Herr v. Wertheim selbstverständlich keine Ausnahme machen; auch er gründete eine Aktiengesellschaft und verkaufte derselben seine feuerfeste Kassenfabrik" weit über den eigentlichen Werth. Wie es dieser ersten österreichischen Kassenfabriks- Aktiengesellschaft" erging, beweist am besten der Kurszettel, wo deren Aktien schon die langen Jahre hindurch mit der sterotypen Ziffer notirt sind. Heute haben diese Aktien fast gar keinen Werth mehr, und es war daher dem edlen Herrn Baron ein Leichtes, den größten Theil derselben um ein Spottgeld zurückzukaufen. Nun läßt er eine Generalversammlung" stattfinden, beschließt, da er für seine Person schon über die Mehrzahl der Stimmen verfügt, die ,, Liquidation" und ernennt daher auch die Liquidatoren. Die Moral steht zwar nicht auf der Tagesordnung, aber das Geschäft ist gemacht le jeu est fait!
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Indessen dürften unsere Leser für heute genug haben von allen diesen Schwindelgeschichten; vielleicht, wenn es Ihnen lieb ist, bietet sich mir in meinem nächsten Briefe Gelegenheit, ein erfreulicheres und weniger schwindelhaftes Thema zu berühren.
Viennensis.
Die Wacht im Walde.( Bild Seite 136.) Eine merkwürdige Probe von thierischer Pflichttreue diese Wacht bei dem erlegten Hirsche im einsamen Wald bei einem Schneesturm, der dem getreuen Hunde pfeifend in die Nüstern peitscht und ihn beinahe selber zu einem Eisflumpen erstarren macht. Der Förster hat sich nach dem Forsthause begeben, um den getödteten Hirsch heimschaffen zu lassen, und hat seiner flugen Hündin den Auftrag ertheilt, bei der prachtvollen Jagdbeute bis zu seiner Wiederkehr Wache zu halten. Und nun mag der Schnee fallen zu Hauf und der Wind heulen, wie er kann, der Jagdhund erstarrt eher auf seinem Posten, als daß er ihn verläßt. Dann, wenn er nach stundenlangem Warten endlich das Herannahen des Herrn wittert und wenn dieser ihn durch einen Zuruf von seiner Wächterpflicht entbindet, stürzt er vor Frost sowohl, als vor Freude über die glückliche Erledigung seines Auftrags winselnd und heulend dem Herrn entgegen, der die getreue und anspruchslose Seele vielleicht mit ein paar freundlichen Worten belohnt. Solch' unerschütterliche Pflichttreue müßte man bewundern, wenn man sich nicht erinnerte, daß der Peitsche diese Charaktereigenschaft zu danken ist. Der Jagdhund ist, mehr wie jeder andere Hund, so recht das Musterbild eines durch konsequente Unbarmherzigkeit in Furcht und Gehorsam erhaltenen Sklaven; und des mitleidigen Versuchs, bei Gelegenheit so einem armen Teufel von Hunde sein Leben ein wenig zu erleichtern, ist er gewiß werth! $ 5.
Am Niklastage.( Bild Seite 137, nach dem Gemälde von Fr. Tüshaus.) Es ist ein Heiliger", der da auf kräftigem Rosse seinen Umzug hält ein Heiliger, der sich ebensowohl im evangelischen, als im römischkatholischen und griechischkatholischen Kalender findet, und der sich als Schußpatron der Kinder heute noch auch in solchen Familien eines Kultus erfreut, die von religiösem Aberglauben wenig oder garnichts mehr wissen wollen. Mit dem ,, heiligen" Nikolaus, der im lycischen Batara am Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. geboren, als Bischof von Myra vom Kaiser Diokletian eingekerkert und von Konstantin dem ,, Großen" erst wieder freigegeben ward und der, obgleich er christlicher Bischof war, doch ein ganz braver Mann gewesen sein soll, mit diesem heiligen Nikolaus hätten wir sehr wenig zu schaffen, wenn in ihm nicht im Laufe der Jahrhunderte die Liebe zu den Kindern eine schöne Personifikation gefunden hätte. Das Christenthum machte mit bemerkenswerthem Geschick alle in das römische und germanische Volksleben tiefeingewurzelten Gebräuche und Sitten zu den eigenen; so verschmolz es die süd- und nordländischen Feste der Wintersonnenwende die Saturnalien und das Julfest zu seinem Weihnachtsfeste und verschönerte dasselbe in gleicher Weise mit den bei den Saturnalien üblichen Geschenken, wie mit dem Weihnachtsbaum, der dem germanischen Sonnengotte beim Julfeste dargebracht wurde. Während indeß die Missionare des Christenthums aus religiöser Schlauheit sich hüteten, diesen und jenen mit dem heidnischen Volksleben festverwach senen Brauch anzutasten, und während die Masse der Christen gedanken los fremde Anschauungen und Sitten übernahm, ziemt es uns, die herrschenden Sitten und Gebräuche zu prüfen und den schönen Kern
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nüthvoller Ueberlieferung nicht zu verwerfen um der christlichen Schale willen, welche ihn einschließt im Bewußtsein der Aufgabe des Sozialismus, das Gute und Edle zu pflegen und zu fördern, der Menschheit zu Lieb und Nut, wo es sich findet. Und so mag denn auch der Niklastag gefeiert werden in der einen oder andern Weise als der Tag, an welchem der Wünsche unserer Kleinen besonders gedacht wird und der Geist der Kindesliebe ihnen Freude bringt und seine Gaben, so reich er es vermag, über sie ausschüttet. In einem großen Theile von Deutschland , in der Schweiz und in den Niederlanden tritt St. Niklas am Abend des 10. November, als an seinem und Luthers Geburtstag, hoch zu Roß seine Rundreise an, schaut zu den Fenstern hinein auf die schlafenden Kindlein und erkundigt sich bei den Eltern, ob die Kleinen brav sind und schöne Geschenke verdienen, oder ob sie bös sind und der Ruthe bedürfen. Dann läßt er ihnen noch Zeit bis zum 5. Dezember den Guten, um ihren Eltern noch mehr Freude zu machen, und den Schlimmen, sich zu bessern, und in der Nacht zum 6. kommt der Sante Klaas wie er sich vertraulich nennen läßt
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mit der Ruthe und, was besser ist, mit den Geschenken.
Europäische Schattenbilder.
6.
Wir vergessen leicht und leben rasch auf den flüchtigen Wellen der täglich wechselnden Zeitströmung. Selbst die beiden„ Unfehlbaren", der Taifun in Varzin und der Mikado im Vatikan sammt ihren Heerrufern Falk und Windthorst stören nicht mehr unsern Schlummer. Auch der orientalische Massenmord für„ friedliche Kulturzwecke" und die Kapriolen des ,, Republikaners" in der Mönchskutte an der Seine vermögen nicht sonderlich der Menschheit Pulsschlag zu beschleunigen, denn trotz der stigmatisirten Jungfrauen, der Madonnen auf den Pflaumbäumen, des Spiritistenhumbugs, des Kulturkampfs und Gründerschwindels erstirbt die Zeitströmung in einem Sumpfe, welcher den Fäulnißprozeß der modernen Gesellschaft mit Dampfgeschwindigkeit entwickelt. Und dieser Sumpf wirft absonderliche Blasen, die wenigstens das eine Gute bezwecken, daß sie durch Erschütterung des Zwerchfells unsere Verdauung befördern. Hier einige Proben davon:
Nr. 1. Ein loyalitätstriefender Speichellecker wirft in dem ,, Algeyer Wochenblatt" den Abnehmern der frankfurter Dombaulooſe folgenden byzantinischen Köder hin:
,, Alle Theilnehmer, deren Loose mit einer Niete gezogen werden, erhalten mit der Ziehungsliste das Porträt des deutschen Kaisers franko und gratis übersandt."
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Nr. 2. Die ,, Frankfurter Zeitung " erzählt folgende Krähwinkelei: Die getreuen Rudolstädter pflegen den Geburtstag ihres Fürsten alljährlich am 23. November durch Zweckessen zu feiern; aber leider haben sie sich dabei in zwei Parteien gespalten; die Einen essen Zweck im ,, Löwen", die Andern im Ritter". Diese Spaltung war schon lange beklagt worden und es kommt deshalb die Fürstlich Schwarzburg- Rudolstädtische privilegirte Zeitung und Wochenblatt" auf den glücklichen Gedanken, daß man sich so vereinigen möge, daß in Jahren mit ungerader Jahreszahl im Löwen", in denen mit gerader Jahreszahl im ,, Ritter gespeist werde." Das Blatt sagt zu dieser Fusion wörtlich: ,, Es würde dieses für den durchlauchtigsten Fürsten jedenfalls eine der schönsten und reinsten Geburtstagsfreuden sein, welche Höchstihm bereitet werden könnten."
Geschwind ein anderes Bild aus dem Vaterlande Voltaires .
Die Verpfaffung Frankreichs wächst mit Riesenschritten. Die vor einem Jahre veröffentlichte offizielle Statistik gibt folgende Aufschlüsse. Vor zwölf Jahren gab es in Frankreich 108,119 Mönche und Nonnen, jetzt aber 140,000; im Jahre 1866 hatten die Klöster etwa 500 Millionen Franken Vermögen, heute das Doppelte. Von 447,122 Mädchen, welche Elementarunterricht erhalten oder in Reiiungshäusern ( Salles d'asile) aufgenommen sind, werden 356,000 in Klösterlichen AnDiese Ziffern bedürfen stalten und nur 90,000 von Laien erzogen. feines Kommentars.
Die letzte Hoffnung in der europäischen Lotterwirthschaft ist und bleibt die sozialdemokratische Parteibildung, diese mächtigste Schöpfung unseres Jahrhunderts. Es ist im Sumpfe die einzige Bewegung, deren Wichtigkeit heute niemand mehr bestreitet, deren Tragweite niemand ermißt.
Dieses Senfforn, welches im Jahre 1833 Georg Büchner in das mit Blut und Thränen durchweichte Erdreich versenkte, wird einst, zum Riesenbaum entfaltet, die jochbefreiten Bewohner beider Hemisphären beschatten. Ferdinand Lassalle träumte im Jahre 1863 von ,, 100,000 Arbeitern in einem über ganz. Deutschland verbreiteten Verein." Sein Traum hat sich in 14 Jahren verwirklicht, die Arbeiterbataillone sind heut schon 10mal stärker, als Lassalle sie erhoffte und sie wachsen in arithmetischer Progression. Noch gibt es unter den Bewohnern Europas 80 Prozent, die sich nicht alle Tage satt essen und ihr Hunger, der größte Feind des Bestehenden, rüttelt an den Jochen des Staatenbaues und wird die Weltwende herbeiführen.
Dr. M. Tr.
Zur Berichtigung eines Irrthums schreibt uns einer unserer Mitarbeiter, Herr Eduard Berk, Folgendes:
" 1
Die Nummer 8 der, Neuen Welt' bringt in Ernst von Waldows Novelle auf pag. 87, Spalte 2, die Stelle, weil er, gleich dem