Selbsthülfe.

Von L. Derwinus.

,, Hier hast du einen Knochen, Volk, heran! Fang' auf! Beiß' dir die Zähne aus daran, Die Selbsthülf', glaube mir, sie ganz allein Kann deine Rettung und Erlösung sein!"

So ruft dir eine falsche Rotte zu. Du, Volk, erwidre drauf: Hört, was ich thu'! Ich folge euch und geh auch gleich daran,

Doch wißt, mit euch, ihr Schwäßer, fang' ich an.

Erst helf ich mir von dir; ich reiß' dir, Wicht, Die Lügenlarve zornig vom Gesicht. Einst wird sie im Museum angegafft, Wohin ich Prügel, Robot schon geschafft.

Dann in die Rumpelkammer schleudre ich Die Wieg', in der ihr eingelullet mich, Und weil ich eben bei der Arbeit bin, Will ich, mir selber helfend, weiterziehn.

Und suche, wenn ich euch beseitigt hab', Der Menschheit tausendjährig' Geistesgrab, Des Aberglaubens Riesenmonument,

Den stolzen Bau, den man die Kirche nennt. Ein Wort erschüttert wie Posaunenschall Bei Jericho   die Mauer bracht' zum Fall Auch diesen Bau; das Wort, das Wunder schafft, Weil es das Wunder haßt, heißt: Wissenschaft. Die Riesensäule, die den Bau geſtüßt,

Fass' ich mit mächt'ger Faust, von Wuth erhißt, Und rüttle dran mit der titan'schen Kraft, Die ich gespart in tausendjähr'ger Haft.

Und Halleluja! daß es donnernd gellt, Ruf' ich, sobald der mächt'ge Göße fällt. Dann aus dem Sturz tönt der Erlösungsschrei, Die eingeferkerte Vernunft ist frei!

Das Kreuz, es wird zur Waffe, vom Altar Jag' ich damit die arge Pfaffenschaar, Nach achtzehnhundert Jahren voller Qual Freut der am Kreuze sich zum erstenmal.

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Ein andres Zeichen heb' ich siegend auf, Die rothe Fahne Friede steht darauf. Der Friede ist der Bruch der Korruption, Der Friede ist die Revolution.

Erschüttert bebt die Erde, dröhnend ziehn Der Freiheit Bataillone drüber hin,

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Und was den Weg versperrt, es wird zerhau'n, Ich breche Schlechtes, Gutes aufzubau'n. Den Pflug, der mich zum Sklaven hat entehrt, Zertrümm're ich er wird mein starkes Schwert, Die Mittel, die man kalt und fürchterlich Gebraucht zu meiner Noth sie rächen mich. Und weiter zieht die Siegesschaar; sie gleicht Dem Zornorkan, der Best und Seuchen scheucht, Bricht Bajonette, stürzt Verrätherei,

Reißt wild vom Haupt den Schmuck der Tyrannei.

Schön wird der Tag, die Erde ist erhellt, Es jubelt dankbar die erlöste Welt, Zerfeßt zu Füßen liegt das uralt' Joch,

Der Selbsthülf' bringe ich ein brausend Hoch!

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Szene aus dem Schwabenkriege.( Bild Seite 148-49.) Der Schwabenkrieg umschließt jene denkwürdigen Kämpfe der schweizer   Eid­genossenschaft gegen den deutschen   Kaiser, in denen sich die erstere ihre volle Unabhängigkeit vom deutschen Reiche errang. Es waren bereits volle zwei Jahrhunderte vergangen nach Erneuerung der Eidgenossen­schaft, welche das freie Hirtenvolk der drei Waldstätte Schwyz, Uri   und Unterwalden seit undenklicher Zeit verbunden hatte. Während dieser langen Zeit hatten die tapferen Bergbewohner unaufhörlich die Unter­drückungsversuche der treulosen Habsburger  , die mit Rudolf I.   auf den deutschen   Kaiserthron gelangt waren, blutig zurückzuweisen. Von allen diesen Kämpfen ist die Vertreibung der kaiserlichen Vögte Geßler und Landenberg im Jahre 1307, zu welcher die Schweizer   vou Werner Stauffacher  , Walther Fürst und Arnold aus dem Melchthal veranlaßt wurden, durch Schillers Drama ,, Wilhelm Tell" am bekanntesten ge­

worden. Nachdem die Absicht Kaiser Albrechts von Habsburg  , die Aufständischen zu züchtigen, durch seine von Johann von Schwaben verübte Ermordung vereitelt worden war, hatte der neue deutsche Kaiser, Heinrich VII.   von Luxemburg, die Freiheiten der Waldstätte bestätigt und sie gegen Desterreich in Schutz genommen. Nach Heinrichs Tode aber war Herzog Leopold von Desterreich mit großer Macht über sie hergefallen, am 15. Nov. 1315 jedoch im Engpaß am Morgarten vernichtend geschlagen worden. Nun hatten die Waldstätte zu Brunnen ihren ewigen Bund geschlossen und sich durch Aufnahme anderer schweizerischer Landschaften, die Desterreichs Knechtung überdrüssig waren, allgemach verstärkt. So war 1338 zuerst Luzern  , dann 1351 Zürich  dazugekommen. Darauf traten 1352 Glarus und Zug und 1353 Bern  dem Bunde bei und dieser schloß 1357 mit Desterreich einen Frieden, der den Schweizern auf beinahe 30 Jahre nach außenhin Ruhe schaffte und die Macht ihrer Bischöfe und Grafen durch die unaufhörlichen Zwistigkeiten derselben untereinander so schwächte, daß ihnen schließlich auch die Hülfe der Habsburger   nichts mehr nüßen konnte. Zwar unter­nahmen 167 geistliche und weltliche Herren in den achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts in Gemeinschaft mit Desterreich einen Krieg gegen die Eidgenossen, aber die Heldenthat Winkelrieds, der sich einen Arm voll Speere in die Brust stieß, um Bresche in den Eisenwall der in geschlossenen Gliedern zu Fuß kämpfenden Ritter zu legen, entschied die verzweifelte Schlacht bei Sempach  , am 9. Juli 1386, zu Gunsten des Landvolks. Doch die blutig erstrittene Freiheit war damit noch lange nicht gesichert; neue Kriege gegen Desterreich wechselten mit Friedensschlüssen auf 20, auf 50 Jahre ab, deren Vereinbarungen nur dazu gemacht schienen, um gebrochen zu werden. Aber in jedem dieser Kämpfe waren Sieg und Ruhm auf Seite der Schweizer  . Freilich geriethen diese auch untereinander in Hader. Der Zank um die Erb­schaft der Grafen von Toggenburg   verleitete die Züricher   zu einem Bündniß mit Desterreich, welchem Karl VII.   von Frankreich   auch noch ein Hülfsheer von nicht weniger als 50,000 Mann zur Verfügung stellte. Auch dieser ungeheuren Uebermacht gegenüber hielten sich die Eidgenossen mit so bewundernswerther Tapferkeit, daß die Franzosen  1444 zu Ensisheim   Frieden schlossen und Desterreich mit den Adligen im Jahre 1450 den fruchtlosen Kampf aufgab. Ein paar Jahrzehnte nachher geriethen die Schweizer   mit dem burgundischen Statthalter im Elsaß  , Peter von Hagenbach  , zusammen und dadurch in den Krieg mit dem mächtigen Herzog von Burgund, Karl dem Kühnen. Diesmal standen sie wider diesen gefährlichsten Feind im Bündniß mit Dester­reich, mit dessen Hülfe sie um 1474 ein burgundisches Heer bei Ericourt auf's Haupt schlugen und 1475 das ganze damals savoyische Waadt­land besetzten. Als aber 1476 Karl der Kühne   selbst mit 60,000 Mann gegen sie anrückte, wurden sie von den Desterreichern im Stich gelassen und mußten das Waadtland, bis auf Yverdun und Granson, räumen. Nachdem dann beide Städte genommen und die Besaßung von Granson, dem Versprechen freien Abzugs zum Troß, feig ermordet worden, er­focht am 3. März ein schweizer   Heer an der Stätte des Verraths einen glänzenden Sieg. Ein neues, noch stärkeres Heer des Burgunders ward am 22. Juli 1476 aufgerieben, und am 5. Januar 1477 verlor der gewaltige Herzog von Burgund bei Nancy   wider das heldenmüthige Bergvolt Schlacht und Leben. Nun brach eine wilde, übermüthige Zeit an für die siegreiche Schweiz  . Das Kriegsglück hatte das Volk der Alpen   berauscht und verroht. Arge Streitigkeiten untereinander, Raub und Mord im großen war die Folge. Da wirkte neue Gefahr von außen einigend. Kaiser Maximilian   hatte die Schweizer   aufgefordert, dem ewigen Landfrieden beizutreten, sich dem Kammergericht unter­zuordnen, keine Kriege gegen Reichsstände zu führen, gegen die Türken ein Heer zu stellen, ihre Söhne aus dem Kriegsdienste im französischen  Heere abzuberufen und mit den schwäbischen Landen einen deutschen  Kreis zu bilden. Fügten sie sich, so waren sie dem deutschen Reiche wieder zugehörig und unterthan wie je zuvor. Das durfte aber nimmer geschehen, und so entbrannte, auf ihre entschiedene Weigerung hin, Anfang 1499 der Schwabenkrieg. In einer langen Reihe von Ge­fechten, auch wider den Kaiser selbst, blieben die Schweizer   Sieger, und schon am 22. September 1499 mußte sich der Kaiser zum Frieden be­quemen. Gleichzeitig war auch die Adelsmacht völlig darniedergeworfen worden. Bei einem Zuge in den zwischen dem Bodensee  , dem Rhein  , der Donau   und den Alpen   liegenden Hegau hatten die Eidgenossen viele Burgen und Schlösser zerstört und unter andern auch Burg Randeck belagert, deren Besizer, Burkard von Randeck, geschworen hatte, er wolle im Schweizerlande sengen und brennen, daß der Herr­gott selber vor Rauch und Hiße mit den Augen blinzeln und die Füße an sich ziehen müsse. Die Besatzung der Burg ließ es während der Belagerung auch an Hohn und Spott für die Bauern" nicht fehlen, und darum mußte sie, nachdem sie sich ergeben, im Hemde, mit dem Stab in der Hand, von dem Hauptlästermaul, dem dickbauchigen Schloß­pfaffen geführt, abziehen. Diese Szene ist's, die in unsrem Bilde der berühmte Disteli dargestellt hat.

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6.

Was Schiller besoaders dazu veranlaßte, die Geschichte des Abfalls der Niederlande   zu schreiben. Der Anblick einer Begeben­heit", so schreibt er, wo die bedrängte Menschheit um ihre edelsten Rechte ringt, wo mit der guten Sache sich ungewöhnliche Kräfte paaren und die Hilfsmittel entschlossener Verzweiflung über die