Die Neue Welt. Jlluftriertes Unterhaltungsblatt.

,, Was ischt Dir dann über die Leber g'laufe?"

,, Mir ist nichts über die Leber gelaufen," antwortete er bitter. Aber, daß Du's weißt, in vierzehn Tagen mach ich heim!" Sie trat einen Schritt zurück. Warum gehscht heim?"

"

Weil ich hier aus der Stickluft heraus will!"

Sie lächelte spöttisch.

" Hat Dir das Gänsle daheim ein' Brandbrief g'schriebe?"

Er runzelte die Stirn.

Das Gänsle? Das verbitt ich mir. Sie hat mir übrigens nicht geschrieben."

" I dacht schon."

Sie nahm einen Stuhl, setzte sich und fagte:

Ja, wann Du fort willscht, i kann di net halte. Du brauchst di au gar net aufz'rege. Wir fönnen ganz ruhig drüber schwätze. I mein nur, Du tommscht noch früh g'nug wieder in das elende Nescht. Die Alte spreche von altem Käs. Oder glaubscht, daß sich Dein Vater von Dir in den Bart greife läßt? Der ischt zäh und schiebt Dir a Riegel vor. No und dann? Denn figscht bis über'n Hals im Dreck und denkscht: Wär i bliebe, wo i war! I fenn, Di, Ludwig, Du bischt für das Klein­fügige net g'schaffe. Wie g'sagt, wann Du gehe willscht, i fann Di net halte. Aber i an Deiner Stell, i tät mir's vielmal überlege.

Er verließ seinen Plaz am Fenster und trat vor sie hin. Er war sehr bleich, fein Gesicht schien lang und schmal.

" Ich bin für mein Leben gern bei mei. nem Prinzipal," sagte er mit vor Erre gung zitternder Stimme, hab ihm viel zu verdanken und verdank ihm jeden Tag mehr. Aber, wenn ich jetzt so bei der Ar­beit steh, würgt mich's manchmal, daß ich dent, ich fall um. Wer die Last trägt, spürt was sie wiegt. Du sagst Du kennst mich. Du tennst mich nicht. Sonst tätst Du's merken, daß ich totunglücklich bin! Wie gestern der Werklehrer Stiehl aus Gmünd da war und sagt:" Der Herr Eberle ist ein feelenguter, treuer Mensch. Darum hat er in der Anstalt unter seinen Schicksalsge­nossen auch viel Freunde gefunden!" Wie der Herr Lehrer das sagt, meint ich, die Erd' müßt mich verschlingen. Dein Mann fitzt in Gmünd, ist ohne Arg, und Du und ich, wir haben's zufammen!"

Er schlug die Hände vor die Stirn. Sie stand auf und sagte mit einer weg­werfenden Gebärde:

Narreteil Noch emal, wann Du fort willscht, i halt Di net, Du muscht wisse, was Du tuft. I möcht aber au noch a Wörtle schwäße. I fann mei Lebe durch muschtere mie i will, i hab noch tein' Mensch um was bracht, i möcht sogar sage, i bin religiös. Freile, in Liebesangelegen­heite dent i net gar so streng.' s ischt doch emal so in der Welt und wird immer so bleibe: was sich liebt, g'sellt sie au. Und Di hab i lieb. Deswege kann i Dir au net bös sein. Was rechte Lieb ischt, hält ein Stoß scho aus!"

Sie schlang ihre Arme um seinen Hals. " Du Doffehansl, was hascht Du von der Lieb verstande, wie Du nach Stuggerd tomme bischt? Nig, gar nig. I hab Di erscht g'lernt, was Liebe heißt!"

Es zudte um seine Lippen, er wollte sprechen, ihre Küsse erstickten seine Worte, und seine guten Vorsäge zerschmolzen wie Schnee an der Sonne.

Sonntag Morgen. In seiner Kammer, die an die Werkstatt stieß, sprach Ruckstuhl, des Meisters Fillunger Gesell, beim An­fleiden vor sich hin:

Drei Jahre hatt ich einen guten Platz. Was wird mir jetzt blühen? Wieder auf der Strähle dippeln und, wenn die Asche ausgegangen ist, plattmachen bei Mutter Grün."

Er trat vor den Spiegel, der über dem Waschgestell hing, betrachtete wohlgefällig sein von der Sonne gebräuntes Gesicht und fuhr mit dem Kamm durch das spröde Haar.

"

Blechner, ruhig Blut! Heut' flopsst du droben auf den Busch. Dann siehst du, wie der Hafe läuft."

Geschniegelt und gestriegelt begab er sich zu Grete Fillunger hinauf und legte ihr die Strazze vor, in die er alle Geschäftsvor­gänge der abgelaufenen Woche gewissenhaft eingetragen hatte. Sie sah seine Aufzeich­nungen flüchtig durch und sagte:

,,' s ist allerlei zusammen gekommen. Sie wissen's ja' s hat im Blättchen gestanden, daß das Geschäft zu verkaufen ist.' s' haben sich auch Leut gemeldet. Der Herr Ibold spricht, die einen wollten's halb geschenkt haben, die andern hätten große Rosinen im Kopf und einen leeren Beutel."

Der Gesell zuckte die Achseln.

Wer hier fußen und etwas heraus­zipfeln will, Fräulein Grete, der muß viel hereinstecken. Der Meister selig war nicht für Anschaffungen.' s blieb beim Alten. Schließlich hat jedes Geschäft seinen schwachen Teil. Da heißt's, die Augen auf! Was führen wir drunten im Laden? Aller­lei und doch nichts Rechtes. Spezialartikel müßten wir machen. Und dazu brauchten wir Arbeitsmaschinen. Ich will nicht den Brascher herauskehren, Fräulein Grete, aber wenn Sie im Sinn hätten, das Ges schäft zu behalten, ich tät mich getrauen, es in Zug zu bringen!"

Er hob die Brust, alle Muskeln in sei­nem Gesicht waren gespannt.

Ich denk nicht dran, das Geschäft zu behalten," erwiderte Grete Fillunger. Der Herr Ibold sagt: Wir rücken's jetzt ins Fachblatt ein.' s brennt ja nicht auf den Nägeln!" Und das mein ich auch. Ihnen, Ruckstuhl, stehen viele Türen offen. Sie find tüchtig in allen Stücken!"

So wenig der Gesell geneigt war, fich Einbildungen hinzugeben, in den letzten Wochen hatte ihn doch der Gedanke beschäf tigt, ob seines Meisters Tochter, wenn es ihr nicht gelang, einen passenden Käufer zu. finden, sich entschließen würde, die Speng Terei fortzuführen und ihn als Geschäfts. führer einzusehen. Da wär.er in feinem Element gewesen. Eines Tages wehte der Heiratswind, er bekam die Grete, und sein Glück war gemacht. Nun sah er, daß seine Hoffnung in den Brunnen fiel. In seinem Gesicht malte sich seine Enttäuschung.

In vierzehn Tagen hör ich auf!" sagte er mit rauher Stimme und ging.

Grete wunderte sich, daß er's auf ein­mal so eilig hatte. Was war ihm in den Kopf gefahren? Hatte er wirklich geglaubt, daß sie Verlangen trüge, ein Geschäft zu be. treiben, von dem sie so gut wie nichts ver­fland? Hatte er feine Gedanken noch wei­tergesponnen? Sie hatte ihm nie dazu An­laß gegeben. Er war ihrem Vater ein treuer Helfer gewesen. Das würde sie jeder zeit gern bezeugen.

Schwester Trina, des Meisters Pflege­

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rin, fam. Mitfammen gingen fie in die Liebfrauenkirche und nahmen am Gottes­dienst teil. Dann wanderten sie zum Fried hof hinaus.

Als Grete nachmittags sich eben hinge­seht hatte, ihrer Batin zu schreiben, die als Witfrau in Friedberg lebte, erschien zu ihrem nicht geringen Erstaunen Theobald Gonder. Seit Wochen, sagte er, stehe er auf dem Sprung, sie zu besuchen, er habe unmenschlich viel zu tun, doch habe er nun nicht länger warten wollen.

Sie bot ihm einen Stuhl an. Er ließ fich ihr gegenüber nieder..

Aeußerlich fand sie, hatte er sich kaum verändert. Er sprach wie jemand, der alles mit ungewöhnlicher Kraft ergreift. Von rüdem Wesen war nichts zu spüren. Sein ficheres Auftreten erwedte Bertrauen.

Mit warmen Worten gedachte er des Meisters Fillunger, den er von jung auf gut gefannt hatte, von dem er, wie er verriet, als Lausbub verdientermaßen öfter verprügelt worden war. Er trug allerlet Züge des Abgeschiedenen zusammen ,. flocht Humorvolles ein, so daß Grete belebt, ja ergötzt ihres Vaters Bild in einem neuen Lichte sah. Sie zeigte sich redseliger, als es sonst ihre Gewohnheit war, fagte, was ihre Tage ausfüllte und offenbarte, wie schwer jetzt alles auf ihr lastete.

Theobald Gonder hörte teilnahmvoll zu. Er selbst, sprach er, habe früh seine Eltern verloren. Glücklicherweise sei sie von nie. mand abhängig. Er dagegen wisse, was es auf sich habe, sich als armer Schlucker durch­zuschlagen. Wenn er noch ein bißchen blei ben dürfe, tönne er allerlei erzählen.

Grete versetzte, sie habe nichts zu ver­fäumen.

,,' s war fellemal hohe Zeit," hob er an, ,, daß ich von hier fortmacht' und daß mir die Hundsmucen ausgetrieben wurden. Draußen legt man manches ab, Grete! Ich hab erst bei verschiedenen Meistern geschafft, dann war ich anderthalb Jahre beim Met­ger Schlunt in Duderstadt . Mir kann einer schon was zumuten, aber was ich da schanzen mußt, das war folossal. Fünf Stunden Schlaf, meint' der Meister, wär genug. Abends um halb zehn wurd das Haus zugeschlossen. Wer nicht pünktlich. da war, konnt sehen, wo er unterfam. Der Herr Schlunk sprach immer, als wenn er heißen Brei im Mund hätt. Ich verstand ihn aber doch. Schreiben Sie sich's hinter die Ohren, Gonder," sagt er. Fleiß ist dem Glück feine rechte Hand. Und wenn Sie einmal selbständig sind, denken Sie dran: gewisse Ausgaben und ungewisse Ein­nahmen sind der Tod des Geschäfts!" Ich hatt beim Einkauf den richtigen Blick. Des. halb wurd ich aufs Land geschickt. Das war fein Spaß. Meilenweit hatt ich das Vieh auf grundlosen Wegen zu holen. Und was gab's zu futtern? Trocken Brot, ein Stüc Speck und einen Schluck Korn. Die Kälber wurden am selben Abend geschlachtet, daß die Leber nicht litt. Am andern Morgen in aller Frühe ging's mit der vollbepackten Mulde in die Stadt."

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Wer so ein Leben aushält," sagte Grete, der muß einen Körper von Eisen haben."

Der Meister," fuhr Gonder fort, fonnt grob sein wie Sadzwillich. Dabei war er grundgut. Eh ich hintam, hatt er auf dem Eichsfeld einen wandernden Metzgergesell getroffen. Der gefiel ihm. Er fragt' ihn, ob er zu ihm möcht,' er fönnt grad jemand gebrauchen. Der Gesell, ein Bruder Lustig,