10 Die Welt. Illustriertes UnterhaltnngSblatt. als daß man Ihnen das Lerkreischen abge» wöhntl' log's Frau Hormann auf der Zunge. Doch schlucki« fie's hinunter und erwiderte: �Ich Hab vom Herrn Jbold nie nichts Un- rechts gehört. Daß«r aus dem alten Haus soviel herausgeschlagen hat, ist ein Freund- schastsstück Die Grete soll sich freuen, soll den guten Freund mit zwei Händen hallen. In der schlechten Welt sind gute Freunde dünn gesät. Nein. Herr Dauber. da leg ich die Hand ins Feuer, der Eigennutz ist hier nicht d>e Spindel am Rocken Gewiß, der Ludwig Jbold ist um die Grete herumge- schwänzelt, und's Hot nicht viel gefehlt, daß die zwei im Kasten Ehingen  . Seitdem ist viel Wasser den Rhein   heruntergesiossen. Daß die Grete setzt den Ludwig noch nimmt. mächt ich nicht unterschreiben!" Während der Ralsdiener weiter feine Meinung verfocht und die Gemüsehändlerin unter mehr oder minder versteckten Aus- söben gegen den Depeschentrgger aus der Ihren beharrte, saßen der Buchbinder Jbold und sein« Frau beim Abendbrot. Das fiel heut reichlicher aus wie gewöhnlich, weil der Meister vom Mittagessen gerufen worden und erst vor einer halben Stunde aus dem Spenglerhaus gekommen war. Als sie ab- gegessen hatten, begann Frau Jbold, eine Fünfzigerin mit unruhigen Augen: Du bist den lieben langen Tag für die Grete Fillunger unterwegs. Und läufst, als wenn Du Feuer in den Stieseln hättst. Du b'st der Jüngste nicht mehr. Tu sacht!" Jbold setzte seine kurze Pfeife in Brand und sagte: Solang ich nichts zu klagen Hab, schätz ich, bin ich gesund. Die Bewegung ist eine Wohltat für mich." Frau' Jbold hob die Hand. Alles mit Maß und Ziel! Jetzt wollen wir emal von was anderm sprechen. Du stehst die Goldzapfen am Dach hängen und nimmst sie nicht ab." Der Buchbinder zog die Brauen hoch. Ich versteh Dich nicht!" Du verstehst mich recht gut. Man meint. Du täst Dich scheuen, das Kind beim rechten Namen zu nennen. Der Grete Fillunger ihr Weizen blüht Ich hab's vom Hörensagen. Mit mir schwatzst Du kein Bibswörtchen davon Wozu das Hehl- halten? Ich mächt Dich nur fragen, willst Du zugucken, wie dem Ludwig das Mädchen weggeschnappt wird?" Dem Ludwig." sagte Jbold mit finstrem Blick,der sich so miserabel gegen die Grete benommen hat? Ich glaub. Du bist nicht recht bei Trost. Wo ich dem Mädchen sein Beistand bin, müßt ich mich ja vor mir selber schämen, wenn ich flicken wollt, was der Strackborst zerrissen hat!" Jugend Ist unbedächtig und springt übers Geheg," nahm Frau Jbold ihren Sohn in Schutz.Wer weiß, ob er die groben Späne nicht längst verloren hat und nur darauf wartet, daß Du ihn heimrusst." Dem Buchbinder schwollen die Adern an der Stirn. Ich ruf ihn nicht heim. Ich hab's die Zeit her nicht getan und tu's jetzt erst recht nicht!" Den Fall gesetzt, der Ludwig kehrte zu- rück. Was war darn? Der alte Spektakel fing wieder an. Der Hochmutspinsel würde sich nicht entblöden, seinem Vater übers Maul zu fahren, gar auf der Nase herum- zutrommeln. Daß ein Handwerker sich in der Welt umsah, dagegen war nichts einzu- wenden. Deshalb brauchte man das Fremde nicht zu überschätzen, braucht« nnan das Her- gebrachte nicht zu verachten. Zugegeben. daß der Ludwig ausklugiert und auch rührig war. seine Respektlosigkeit und sein Dünkel waren nicht zu ertragen. Umsonst, daß Frau Jbold ihrem Mann widersprach, er ließ sich nicht zu andrer An- ficht bekehren. Aus seinen Worten Nang tiefe Erbitterung. Eine Scheidewand stand zwischen Vater und Sohn, die der Mutler die Tage verdarb. Lange noch, nachdem der Buchbinder sich zur Ruhe begeben, saß Frau Jbold, die Hände aus den Knien, und quälte sich mit vielen Sorgen. Den Kraft? drüben guckte sie ins Fenster. Die Lampe   brannte.' Friedsam waren sie beisammen. Der Uhr- wacher, seine Frau, khre Kinder, der Karl und die Anna. Man hörte ihr fröhliches Geplauder und las es ihnen von den Ge- sichtern ab, wie wohl es ihnen war. Frau Jbold zittert« das Herz. Hier im Haus war das schöne Familienleben unbekannt. Wer trug die Schuld? Wie der Ludwig ein Jahr alt war, hotte er ganze Nächte lang geschrien.Das Gekrisch ist dem Bürschchen zur zweiten Natur geworden," sagte der Doktor Kühnhold,machen Sie sich keine Gedanken drüber, Frau Jbold. es fehlt ihm nichts!" Ihr Mann konnte kein Auge zu- tun und bukerte:Schmeiß den Kerl an die Wand!" Cr meinte es nicht so. Wenn ein Mann am Tag schafste, wollte er nachts seine Ruhe haben. Das konnte man ver- stehen. Der Ludwig wurde größer, spielte mit den Nachborburschen und war der stillste von allen. Nur einmal noch, erinnerte sie sich, halte er sich furchtbar angestellt. Eine Wespe hatte ihn gestochen, und er brüllte, als ob er am Spieß steckte. Die Leute sagten, er wäre seiner Mutter aus den Augen geschnitzt. Das war übertrieben, aber er kam ihr vom Herzen und ging ihr zu Herzen. Das mußte sie sich vorwerfen, das eine Mal war sie zu heftig gegen ihn gewesen, das andre Mai hatte sie ihm zu» viel nachgegeben. Das rgchre sich. Er kam zum Vaier in die.Werkstatt. Es war eine Freude und Herrl'ckkeit. Ihr Mann sagdz:Wenn der Ludw:g so sorimocht, kann er bald die Kundenarbeit über- nehmen!" Die Lehrzeit ging herum. Sie war quicksrah. Für sie konnte es nichts Schöneres geben, als die Zwei einig zu sehen. Auf einmal ritt den Ludwig der Teufel, daß er seinen Vater überhüpfen wollte. Den Tag würde sie nie vergessen. wo er zu Ihr in die Küche trat und sprach: Ich fing dem Vater sein Lied nicht mehr, ich Hab meine eigne Melobiel" Er tat, als wäre der Vater für das Geschäft«ine Last. Das war garstig von Ihm. Im Kern seiner Nalur war er ein guter Mensch, er hatte seinen Vater auch gern, ober er hatte keinen Respekt vor ihm. Respekt vor den Eltern und Liebe zu ihnen sollten bei den Kindern Hand in Hand gehen. Sie koppelten sich in der Werlstatt, und auch oben bei Tisch flogen giftige Worte hin und her. Sie hatte es daheim anders vor sich gesehen. Ihr Vater war ein Weißbinder von der' ölten Sorte. Ihr Bruder kam von der Lackiererschule, hott« viel gelernt, ja es hieß, er hätte etwas vom Künstler an sich. Dessen- ungeachtet trat er bescheiden auf und zeigte seinem Vater nie, daß er ihm über war. Was er wußte, brachte er ohne Swlz her- aus. Ihr Vater war mansstill und lernte von seinem Sohn. Wie der alte Mann dann nur die gröbere Arbeit hin wollte, litt es ihr Bruder nicht. Kein unoergohren Wort fiel zwischen den beiden. Das Ge- schüft hob sich und gab zwei Nutzen. Blieb'» nicht ewig wahr? Eintracht baute ein Haus, Zwietracht riß es nieder. Es war eine Marotte von Jbold, daß er ihr in sein» VermögensverHältnisse keinen Einblick ge­währte. Dennoch wußte fle, daß der Ge» schäftsoerdienst kleiner geworden war. Auch fielen, seitdem Jbold auf seine Tätigkeit aks Ortsgerichtsmann verzichtet halte, dl« Nebeneinnahmen, die aus dem Amt flössen. fort. Sollte der Wagen wirklich laufen, brauchte er einen neuen Beschlag. Dazu bot sich jetzt die Gelegenheit. Verpaßte man sie, kam sie sobald nicht wieder. Einer plötzlichen Regung folgend, stand Frau Jbold auf, holte Papier, Feder und Tinte herbei und schrieb nach Stuttgart  : Lieber.Ludwig! Seit drei Wochen laure ich aus einen Brief von Dir, es scheint. Ich soll warten bis zum Sankt Nimmerstag. Manchmal denk ich, es ist nicht bloß Dein Prinzipal, der Herr Dittmar, bei dem es Dir so gut gefällt, es muß noch etwas dabei sein, daß Du so an dem Stuttgart   hängst. E» schwant mir. eine Frauensperson steckt da- hinter. Entweder ist«« etwas Rechtes oder etwas Schlechtes. Wäre es etwas Rechtes, sage ich mir, hättest Du e« mir geschrieben. Wie es nun auch fein maMan der Grete Fillunger hast Du nicht schön gehandelt. Es ist keine Kunst, ein Mädchen zu narren, aber die Grete ist zu gut dazu. Ihr Manns» leute seid einmal so,»ine hübsche Larve mkt roten Backen, gleich seid ihr aus dem Häuschen. Nun soll mir einer kommen und sagen, die Grete wäre häßlich. Im Gegen- teil, sie sieht sehr fein, sa vornehm aus. Sie hat Dir selbst gefallen. Bielleicht hast Du Deinen guten Geschmack verlört und trinkst Wasser statt Wein. Dein« Mutter nimmt kein Blatt vor den Mund Ich habe immer auf Deiner Seite gestanden. Folgst Du mir nicht, kann ich es nicht mehr. Wenn Du glaubst, die Grete täte sitzen bleiben und verkümmein, bist Du schief gewickelt. So ein verminendes Mädchen braucht bloß einen FinKr zum Fenster herauszusteck»», gleich bammeln ihr fünf cm der Hand. Und die Grete Ist vermögend, man kann sogaf sagen sehr vermögend. Das hat man jeM erfahren. Ich will nun annehmen. Du hast Dir etwas gespart Wieviel wird es fein? Ich schätze, Du kannst es In einem Taschen- tuch über das Hausdoch werfen. Was Du erheiratest, hast Du nicht nötig zu verdienen. Ich muß Dir aber die Wahrheit lagen. Dt« Grete nimmt Deinen Namen nicht mehr in den Mund Sie hat auch allen Grund dazu, und-ob Du ihr das Ja obschirätzst, nachdem Du sie link? hast liegen lassen, weiß ich nick� Versuch es, rat Ich Dir, imd schieb es nicP auf die lange Bank. Seit sie allein ist, hat die Grete viel Besuch. Man steht, wie die Leute sie achten. Ihr Lehrer, der alte Röhn, der letzt seinen siebzigsten Geburtstag ge- feiert hat, geht jede Woche zweimal zu ihr. Sogar der Herr Geheimrat Schänborn ist bei ihr gewesen und Hai seinen Zylinderhut aufgekwbt. Dos will etwas heißen. Der Herr Geheimrat ist voriges Jahr beim Sedanfesr auf der Ameisenweide gewahr geworden, was filr ein guter Sinn in der Grete steckt. Es war viel Volk da uNd auch Tanzgelegenheit. Im Schwalm seiiKer Wirtschaft saßen die Kontvrherren von der Tuchfabrik. Es saßen auch zwei Fräulein