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Bei den Büchern," fagte Theobat offen, ftripp ich gern die Halftern aus. Du. Grete, bist ausflugiert, mach Du Dich dahinter. Du bringst's in die Reih. Sonst geht das Geschäft ja flott. Nur ist mir der Umsatz zu flein."

,, Auf den großen Umsatz tommt's nicht an," entgegnete die Meistersfrau. Lang­fam, Theobald! Man braucht auch in einem fleinen Geschäft nicht für die Gäns' zu Ichaffen."

Gonder, dem die Flügel wuchsen, wollte den Einwand nicht gelten lassen.

Zweimal in der Woche fuhr der junge Meister zum Einkauf aufs Land. War er mit den Bauern handelseinig geworden. wurde ein Schoppen darauf gesetzt. Zus weilen gefellten sich andere Metzger hinzu. Die hörten wie Gonder den Mund voll nahm und dachten:" Wir haben uns arg quälen müssen, bis wir zu etwas ge= tommen sind Dem Gollath regnen die Bratwürfte, scheint's, in den Schoß!"

Die Neue Welt. Jlluftriertes Unterhaltungsblatt.

Daheim bewährte Crete den rechten Ar­beitsgeist. Ueberall spürte man ihre ord­nende Hand. Eine Kundin hielt ihr ein­mal vor: Frau Gonder, Sie sind so ge­nau, ich glaub, Sie teilen ein Haar!" Wir haben ein reelles Geschäft," erwiderte Grete ruhig jeder kriegt, was ihm zu­fommt. Uebergewicht geben, heißt schleu­dern. Und das tun wir nicht!" Am selben Tag bat eine arme Frau für ihre franke Tochter um gutes Gewicht". Da gab Grete so viel, daß die Schale tief herunterfant. Für die Not mußte man etwas übrig haben.

Die Stunden waren an teinen Pfahl gebunden eine flog nach der anderen hin. Grete lebte und webte in Arbeitsamkeit. dachte nicht über das Nächste hinaus! Ind doch geschah's, zumal wenn ihr Mann aus­wärts war, daß ihre Gedanken an heim. liche Türen flopften. Die Iprangen auf. Ein paarmal hatte sie Ludwig Ibold ge fehen. Ganz verstört war er über die Straße geschlichen Das war nicht der Ludwig Ibold, der um den Vater trauerte, das war ein Mensch, der eine böse Last mitschleppte. Wenn sie zurückschaute: sie hatte ihm nie etwas Schlechtes zugetraut. Nur einmal in ihrer Jugendzeit war fie schier an ihm irre geworden. Es war furz vor ihrer Konfirmation. Sie feierte ihren Geburtstag. Ludwig gratulierte ihr und beschenkte fie mit einer großen Tüte Schokoladenplätzchen und Marzipan. Als fie ihn fragte woher er das Geld denn habe, die Herrlichkeiten und in solcher Menge zu laufen, sagte er, ohne zu zögern, er habe drei Mart aus seines Vaters Ladenkaffe gefippst. Sie war ganz entsegt und schrie ihn an:" Du hast also gestohlen!" Ja," stotterte er, für Dich!" Ein Spruch aus der Bibel fiel ihr ein: Wer mit Die­ben Teil hat, der haßt sein Leben!" Ihre Patin in Friedberg hatte ihr drei Mark ge­fchickt. Die händigte sie Ludwig ein und hieß ihn, augenblicklich das Geld in seines Baters Ladenkasse zu legen In Haft lief er fort und fam rasch wieder. Sie war ein Leckermäulchen und gern Süßes. Nun aber nohm sie die volle Tüte, ging mit dem Gespielen vor die Stadt an den Bach und warf die guten Sachen hinein. Ludwig, stumm wie ein Fisch, schaute mit weit aufgeriffenen Augen zu. Sie wufch ihm noch einmal tüchtig den Kopf, ver Sprach aber zu schweigen Seit jenem Be­gebnis war er lenksamer denn je und ent deckte ihr alles, was ihm beichtenswert

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schien. Daran änderte sich nichts, als fie die Kinderschuhe ausgezogen hatten. In der Fremde war er ihr entglitten. Was auch über ihn Macht gewonnen, fie las 2s In seinem Geficht, daß sein Gewissen ihn schuldig sprach.

Früh kündigte heuer der Winter sich an. Schon in den letzten Oktobertagen waren die Nächte bitterkalt. Der Nord­wind führte das Regiment. Er schüttelte auf dem Altenburgskopf die Wipfel der Buchen, fegte über den Wiesengrund und trieb sein Unwesen in der Stadt.

Der Ratsdiener Daber trug die Steuer­zettel herum In der Schloßgaffe begeg nete ihm Theobald Gonder. Den sprach

er an:

,, Was für ein Heidenwetter! Ele fönnen mir einen Weg sparen. Meifter. Ich hab hier Ihren Steuerzettel!"

Gonder nahm den Zettel in Empfang und fah, was ihm zu zahlen auferlegt war. Schlecht Wetter und hohe Steuern," scherzte er. Da tann's einem griffelig werden!"

Sie haben Geld wie Laub," sagte der Ratsdiener glattzüngig. Die Abgaben drücken Sie nicht. Wer feine Steuern zahlt, hat keine Stimme. Noch ein paar Jährchen und Sie fißen im Gemeinderat."

Er schneuzte sich und fügte hinzu: ,, Gestern abend müffen Ihnen die Ohren geflungen haben.' s ist von Ihnen die Red gewefen."

Wo?" fragte Gonder und recte den Hals. In der Kron'."

No und?"

Ja, wie find die Menschen!" brudelte Daber. Geht's ihrm lieben Nächsten gut, gleich müffen sie ihr Gift verspritzen. ' s sind nicht alle Christen, die sich Christen nennen. Ich hab tein Blatt vor den Mund genommen und hab den Neidharten gründ­lich die Wahrheit gesagt. Wissen Sie, was Ich gesagt hab? Alle Achtung vor dem Gonder! Der fann mehr wie Kartoffeln schälen. Er hat von der Bite auf gedient, hat sein Geschäft zum Blühen gebracht und legt die goldene Leiter an. Ehnder Ihr Euch über den das Maul zerreißt, macht's ihm emal nach!"

Theobald lachte.

Sollt wieder über mich rafaunert wer­den, Herr Daber, regen Sie sich nicht auf. ' s tut dem Mond nig, wenn ihn die Hund' anbellen!"

Der Ratsdiener, der den Wind im G2­sicht hatte, trottete weiter.

,, Auf was ist das Schindvolk neidisch?" sprach Gonder, feinen Weg fortsetzend, bei fich. Nicht auf mein Geschäft. Daß ich die vermögliche Frau gekriegt hab, das fönnen sie nicht verfnusen!"

Geld spielte die erste Bioline in der Welt. Theobald, obgleich er bereits einen Teil seiner Schuld an Rühlmann abge­tragen, hatte mehr Kapital, als er für seinen fleinen Betrieb brauchte. Wer Geld hatte, follte es nicht vergraben, jollte es fehen lassen. Und wo war es am besten angelegt? In einem guten Geschäft. Sein Motor, seine Maschinen ermöglichen ihm. jeden Tag die Metzgerei zu vergrößern. Brachte er die Rede darauf, machte feine Frau ein Gesicht, als ob sie Sauerampfer gegessen hätte Darin war sie bei ihrer Gefcheitheit töricht und furzfichtig. Es ge­hörte zwar in ein anderes Kapitel, aber das fuchste ihn auch barbarisch. daß sie nur widerwillig seine Zärtlichkeiten ertrug.

Er war doch teiner von der unrechten Sorte. Hatte fie einen Abscheu vor ihm? War fie damals auch so zimper gewesen, wie sie das Gerenn mit dem Ludwig Ibold hatte? Nun war der Leimlouis wieder im Land. Schwirbelte ihr der am End noch durch den Kopf? Gonder stieg das Blut ins Gesicht. Unwillkürlich griff er nach dem Meffer, das in seinem Gehent stat. ,, Gewitterhund!"" Sacht, facht!" beschmich­tigte er sich. Das waren Einbildungen, weiter nichts. Er würde ums Berrecken nicht den Windfänger machen. Der Ibold, der Flauaus, fonnte ihm den Buckel her­unterrutschen. Der Fisch, den er, der Theobald Gonder, gefangen, sprang ihm nicht mehr aus der Pfanne.

Mit hochgezogenen Brauen, den Rumpf geradgefteift. Schritt er dahin, wie ein Mann, der sich fühlt. Bald war er vor feinem Haus und trat in den Laden.

Grete. die hinter der Thefte stand, empfing ihn mit den Worten:

' s ist em herr drin, der Dich sprechen will!"

Er ging in die Ladenstube.

Ein ältlicher Mann mit entzündeten Augen, die durch eine goldene Brille sahen, erhob sich und stellte sich vor:

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Schmeling aus Frankfurt am Main !" ,, Was wünscht der Herr?"

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Ich bin Vertreter in der Lebensmittel branche." sagte der Fremde, und wollt einmal hören, ob ich Ihre Fleischwaren verkaufen kann."

Gonder bat den Agenten Play zu bes halten und ließ sich selbst nieder.

Rennen Sie denn meine Ware, Herr Schmeling?"

,, Gewiß Meister. Ich würde mich sonst nicht um Ihre Vertretung bewerben. Ich bin schon seit zwei Tagen hier Ich hab mir verschiedenes aus Ihrem Geschäft holen laffen, natürlich auch aus Ronkurrenz­geschäften, und find, Sie liefern bei weitem das Beste!"

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Wissen Sie, warum?" fagte Gonder geschmeichelt. Ich hab mich in der Welt umgesehen und hab was gelernt!"

Er rief seine Frau herein und machte fie mit dem Agenten bekannt. Dieser er­zählte, er habe in Frankfurt an hundert treue Kunden. Er vertrete eine Thüringer Großschlächterei. Die habe in letzter Zeit die Abnehmerschaft so schlecht bedient, daß die Ware vielfach zur Verfügung gestellt worden sei. Er wolle mit den Leuten brechen. Nun handle es sich darum, ob Gonder in der Lage fel, wöchentlich größere Mengen Fleischwaren zu verschicken.

Das versteht sich." verfeßte Theobald. Ich bin so eingerichtet, daß ich das Dop­pelte und Dreifache herstellen fann!"

Schmeling machte eine Handbewegung. ,, Dann werden wir uns schnell einigen!" Was verlangen Sie für Ihre Bes mühungen?"

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Nur meine Provision, Meister. Fünf Prozent."

,, Daß Sie die Ware an den Mann brin gen glaub ich gern," warf Grete dazwischen. " Wann friegen wir aber das Geld dafür?" Der Agent lächelte.

,, Da können Sie ohne Sorge sein, Frau Gonder. Bei meiner Kundschaft heißt's: heut die Ware, morgen das Geld. Ich bin geborener Frankfurter und fenn den Platz genau. Sind Sie erst einmal eingeführt, bekommen Sie mehr Aufträge herein, als Sie bewältigen fönnen."