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fchenverstand war immer guter Dinge, und ihr herzliches Lachen erfüllte die Stube.

Die fönnt mir als Sohnsfrau gefallen," sagte Frau Jbeld. Ludwig, wie wär's?"

,,' s ist ein nettes Mädchen," erwiderte der junge Meister, aber mach Dir feine falschen Hoffnungen, Mutter. Die Anna Kraft und ich, wir trinken nicht miteinander den Hoch­zeitswein. Mein Geschäft ist noch im Wer­den. Ich hab viel vor und möcht frei sein. Tret ich in die Eheschaft, kommen die Sor­gen über Nacht. Jetzt hab ich Dich, Mut­ter. Du tust mir alles zulieb, hegst mich und pflegst mich. Was will ich mehr?"

Go redete er, und Frau Ibold mochte ihm nicht widersprechen.

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Zwischen den Jahren trat unvermutet Herr Schmeling aus Frankfurt in Gonders Laden. Der Meister und seine Frau waren gerade bei Tisch. Der Agent wurde eingela­den, mitzuessen. Er lehnte ab, er habe schon gespeist. Schließlich ließ er sich doch über­reden, noch ein wenig mitzuhalten. Er fagte, er habe sich unterwegs Vorwürfe ge-" macht, weil er verabsäumt, seine Ankunft zu melden. Der Meister gehe doch öfter über Land. Gut, daß er ihn treffe. Er müsse eine wichtige Angelegenheit mit ihm besprechen. Während er der Mahlzeit Ge­rechtigkeit widerfahren ließ, berührte er ge­schäftliche Dinge nicht. Er erzählte, daß er in feiner Familie viel Unglück habe. Seine Frau sei lungenleidend, und ihr Zustand habe sich in letzter Zeit verschlimmert. Seine Tochter widme sich der Pflege ihrer Mutter und werde ihm als Mitarbeiterin entzogen. Sie habe sich als Buchhalterin ganz vortreff­lich bewährt. Er sei nun gezwungen, einen jungen Mann anzustellen.

Im Herbst hatte er mit Frau und Toch­ter einen Ausflug in den Taunus unter­nommen. Dabei hatten sie sich verirrt und wurden von einem Unwetter überfallen. Fadennaß kamen sie in ein Dorf. Von dort wurden sie, klappernd vor Frost, auf einem offenen Bauernwagen bis zur nächsten Bahnstation gefahren. Am andern Tag flagte seine Frau über Seitenstechen, und ein trampfhafter Husten quälte sie, den sie nicht mehr verlor. Sie ertrug ihr Leiden mit großer Geduld. hatte ein kindliches Gottvertrauen. Mit Wissen war ihr nie ein unwahres Wort über die Lippen gekommen. Sie beurteilte die Menschen mit verblüffen­der Sicherheit. Mehrmals hatte sie ihn da­durch vor Schaden bewahrt. Wurde sie aus dem Zeitlichen abgerufen, war es für ihn ein furchtbarer Schlag.

Er nahm die Brille ab und fuhr mit der Hand über die Augen.

Wenn die Frau frant ist," sprach Theo­bald, ist der Mann übel dran. Es gedenkt mir: die Schwester von meinem Meister in Duderstadt hatte eine schlechte Brust. Da tam ein Herr aus Leinefelde und sagt', sie sollt morgens nüchtern zwei Tassen Tee Don wildem Hühnerdarmkraut trinken. Das tat sie, und' s wurd' besser."

Ich hab einen geschickten Arzt, auf den ich mich verlassen kann," erwiderte Schme­fing. Ich werd ihn fragen, was er von dem Mittel hält."

,, Der Mann tut mir sehr leid," dachte Grete, aber ich kann mir nicht helfen, er hat etwas an sich, das mir nicht gefällt!"

Nach Tisch geleitete Theobald seinen Gast In die Wohnung hinauf.

"

Sie tönnen fich denken, Meister," hob der Agent an, daß ich jetzt nicht gern von

Die Neue Welt. Illuftriertes Unterhaltungsblatt.

daheim fortgegangen bin.' s hätt vielleicht eine lange Schreiberei gegeben. Deshalb wollt ich persönlich mit Ihnen sprechen."

Ich bin ganz Ohr!" sagte Theobald und verschränkte die Arme über der Brust.

" Da ist ein Herr Latour in Frankfurt ," berichtete Schmeling. Der macht demnächst an guten Ecken zwanzig Bierquellen auf. Da gibt's natürlich auch zu effen. Ich hab dem Herr Latour ihre Fleischwaren emp­fohlen. ist nicht abgeneigt, von Ihnen zu kaufen. Tut er's, friegen Sie einen großen Kunden. Der Herr Latour ist klug wie ein Advokat und verlangt von seinen Lieferanten, daß sie das Aeußerste tun. Eh uns ein andrer dazwischen fommt, mein ich, Sie reisen selbst nach Frankfurt , hören, was der Mann braucht, und schließen mit ihm ab. Er hat Geld und hat Geldmänner hinter sich."

Wann wollen Sie wieder heim ma­chen?" fragte Theobald interessiert.

,, Um vier," versetzte der Agent. ,, Gut," sagte der Meister kurz ent­schlossen, ich rutsch mit!"

Er erledigte, was er eben noch fertig machen konnte. Der Agent mahnte zur Eile. Mit knapper Not erreichten sie den Zug.

Während der Fahrt entwarf Schmeling ein Bild von der früheren Tätigkeit des Bierquellenmanns. Der habe in Berlin bei einem ähnlichen Unternehmen, wie er es jegt in Frankfurt ins Leben rufe, eine füh­rende Stellung befleidet, habe seinen Prin­zipalen viel Geld verdient. Er sei nicht nur Gastwirt, sondern auch Kaufmann, ja, eine Art Universalgenie. Die Frage der Raum­verteilung in feinen Lokalen habe er gerade­zu glänzend gelöst, jedes Winkelchen sei zweckvoll ausgenußt. Eine große Brauerei werde als stille Teilhaberin Latours ge­nannt. An der Einträglichkeit des Unter­nehmens sei nicht zu zweifeln

Als die Reisenden in Frankfurt an­gelangt waren, empfahl sich Herr Schme­ling; Theobald nahm in der Nähe des Hauptbahnhofs Quartier. Er ließ sich das Abendessen schmecken und beschloß dann, noch ein bißchen zu bummeln.

Auf den Bürgersteigen der Kaiserstraße war ein startes Gedränge. Die Straßen­bahnen, Autos und Wagen rollten hin und her. Zur Rechten und Linken sah man in hell erleuchtete Läden. An den Ecken der Seitenstraßen riefen Frauen die Abend­blätter aus. Dienstmänner überreichten den Vorübergehenden Zettel, auf denen mit ver­lockenden Worten allerlei Neuheiten ange­priesen wurden. Vor den Kinos standen die Pfärtner in prächtigen Livreen. Aus den Raffeehäusern und Wirtschaften drang Musik.

Die Luft der Großstadt wehte den jun­gen Meggermeister an. Donner aber auch! Er war mal aus seiner buckligen Gegend heraus. Hier taute man auf. Was war das Leben ohne Pläsier? Eine lange Walze ohne gutes Mittagessen.>

Ein feingekleidetes Dämchen schob sich an ihn heran und bisperte ihm zu: ,, Schatz, geh mit!"

Er schaute sie mit lachenden Augen an. Sie gefiel ihm, sie war nett. Und die Grete? schoß es ihm durch den Kopf. Ein bittres Gefühl stieg in ihm auf. Wo sie so stökig gegen ihn war, fonnte es ihm niemand übelnehmen, wenn er sich eine Extratour gönnte

,, Du meinst, ich wär so ein fetter Bissen?

Wenn Du Dir nur nicht den Magen ver dirbst!" schäkerte er mit der Kleinen. No, weil Du's bist, geh ich mit."

Am andern Morgen wanderte Theobald mit seinem Agenten nach Sachsenhausen , wo sich im Erdgeschoß eines neu erbauten, schö­nen Hauses das Kontor des Herrn Latour. befand. Auf dem Vorplatz standen bereits mehrere Bertreter. Schmeling begrüßte die Kollegen und stellte ihnen Gonder vor. Dieser nahm einen der Herren beiseite und fragte:

,, Entschuldigen Sie! Was halten Sie eigentlich von dem Herrn Latour?" Die Antwort fam:

,, Der Herr Latour ist ein bemittelter Mann. Da haben Sie durchaus nichts zu befürchten!"

Theobald wußte genug. Ram die Ver­bindung zustande, würde er öfter eine Spritztour nach Frankfurt machen.

Nachdem sie eine volle Stunde gewartet hatten, wurden Gonder und Schmeling vor­gelaffen. Latour, ein Mann in mittlerem Alter mit vollem Gesicht und tiefliegenden Augen, faß an seinem Schreibtisch und redete wie ein Wasserfall.

" Ich betone es immer wieder, ich will mit meinem Unternehmen etwas Gutes stiften. Ich setze auch bei meinen Lieferanten eine arständige Gesinnung voraus!"

Er ging auf Gonders Angebot näher ein, legte ihm die Rechnung eines Göttinger Großschlächters vor und fragte:

"

Wollen Sie zu gleichen Preisen liefern?"

Schmeling, der bis dahin den Mund nicht geöffnet hatte, trat nahe an Gonder heran und sagte mit halblauter Stimme:

Wenn auch jetzt noch nicht viel heraus­springt, denken Sie an die Zukunft, und lassen Sie sich das Geschäft nicht entgehen!" Der Meister nahm eine energische Hal­tung an.

,, Was andre können, kann ich auch!" ,, Dann sollen Sie Ihren Auftrag haben," fagte Latour.

Er füllte einen Bestellzettel aus, der von beiden Parteien unterzeichnet wurde.

Nachmittags reiste Theobald in die Hei mat zurück. Als er seiner Frau mitteilte, welche Vereinbarungen er mit Latour ge­troffen und welche Preise ihm dieser be­willigt hatte, erschrat sie und rief mit flop­fendem Herzen:

,, Du hast Dich übers Ohr hauen lassen! Stoß die Abmachung um!"

" Fällt mir gar nicht ein!" tat er groß. ,, Einem Mann wie dem Latour zu liefern, ist Ehrensach'. Ich hab gesehen, wie ihm die Agenten um den Bart herumgehen. Die hofieren ins eigne Neft . Da werd ich wahrhaftig fein Klammtopf sein. Und ' s ist für mich ein glatt Geschäft. Ich hab keine Last und keinen Braft. Dann fann ich mir auch beim Einkauf helfen."

Grete war außer sich.

" Theobald, das nimmt fein gut End. Der Einkauf, sprichst Du, ist Deine Stärke. Und faufft ohne Protokoll. Dein Unglüc ist, Du fannst nicht rechnen! Du hast jetzt zwei Gesellen und die Reinmachfrau, haft sonst noch viel Kosten. Sind die in Deinem Ueberschlag drin? Ich schwätz mich ab, und ' s ist für die Katz. Die andern Megger hier halten sich bescheiden, arbeiten, bloß für die Stadtkundschaft und legen zurück. Dein ganzes Versandgeschäft wirft nicht soviel ab. als man vom Nagel schabt, ist weiter nig wie Dickmacherei. Ja, ist's denn nicht mein