Die Neue Welt. Illustriertes Unterhaltungsblatt.

feine Glöcklein läuten. Auf den Hängen und in den Wäldern wirfte die heißere Sonne Wunder: allerorten quellendes Leben.

Theobald hatte beim Benderhannes in Rainrod ein Schweinchen geschlachtet, das nicht recht vorangetommen war. Er ließ fich die Wurstsuppe und das Quellfleisch schmecken. Dabei goß er Schnäpschen um Schnäpschen hinunter. Ein durftiges Klüb­chen war do beisammen. Nachmittags zogen die Berntrinfer in den Pfau, die reichliche Agung mit Bier zu begießen. Der Wirt holte die Karten. Mitten im Solospiel stand der Schwarteplaher auf und trat ans Fenster:

Gewerzel!" rief er. Glocken in Ulfa brummeln. muß hier eins sterben!"

Man hört die ' s heißt, da

Es düsterte schon, als Theobald sich auf den Heimweg begab. Er bog von der Land­Straße ab und ging durch den Wald einen bequemen Pfad, der von Kräutern und Beerengefträuch eingefaßt war. Aus den Wolken trat der Mond hervor. Sein Sil­ber floß über die Kronen der Buchen. Die tiefe Stille unterbrach das Fiepen der Rehe und einer Eule flagender Schrei.

Der

Gonder nahm die Müße ab. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er hatte beim Sole verloren. Die paar Mart, die ihm die Schlachtung eingetragen, waren draufgegangen. Als er die Karten hinwarf, war der Benderhannes, der alte Schlicher, noch anzüglich geworden und hatte gemut­telt: o feine Borsten mehr sind, ist schlecht schaben!" Es war nichts zu ver­tuckeln, er, der Theobald Gonder, war auf den Hund gekommen. Er wollte sich gegen jein Unglück stemmen, und es überſtüipte ihn. Alles hatte seinen Grund. Der Teufel hatte ihn geritten, daß er, der freie Wan­dergesell. sich so früh selbständig machte. Auf dem Geld seiner Frau ruhte tein Segen Als Lüdenstopfer hatte sie ihn ge­nommen. Widerstrebend teilte sie mit ihm das Bett. Er glaubte wunder was gefischt zu haben und schluckte die Gräten. Das fonnte einen Mann aus dem Häuschen bringen.

Er ließ den Wald hinter sich und ging den rauschenden Läunsbach entlang, in dem der Mond fich spiegelte. Blaue Flämmchen sprangen aus dem glizernden Wasser.

Fünfzig Klafter vor ihm schritt ein Mann. Bielleicht war's ein Wildpretsknap­per. Mit so einem Kerl war nicht zu spaßen. Ein Schuß und man war weg. A bah! Er. der Goliath, fürchtete fich nicht.

Holla!"

Der Angerufene blieb stehen. In zwei Minuten hatte ihn Theobald erreicht.

,, Donner aber auch! Der Ludwig Ibold! Wo tommst Du denn her?"

Aus Rainrod !" stammelte Ludwig, der über das unerwartete Zusammentreffen mit dem Mezger fichtlich erschroden war. Aus Rainrod ?"

" Jawohl. Ich hatt beim Herr Lehrer Bücher abzuliefern. Darüber ift's spät ge­worden."

"

So, fo! No dann fönnen wir mitein­andergehen." Ja."

Wo stedst Du eigentlich? Man sieht Bich nirgends."

Ich hab mein Geschäft neu einrichten müssen, hab viel zu tun und komm wenig fort."

Wie ist's denn bei Dir mit den Klap­perfreuzern?"

" Ich bin zufrieden."

Ich wünscht, daß ich das auch sagen

tönnt."

Du haft doch Deine Sach' in der Reih." ,, Stell Dich nicht so!" rief Gonder ge­reigt. Du wirst schon gehört haben, wie ich hereingehackt worden bin."

Ich hab nichts gehört," versicherte Ibold. Ich fümmer mich überhaupt um niemand.' s tut mir leid, wenn Du schlimme Erfahrungen gemacht hast. Schließlich wirst Du Dich demit trösten. daß jeder, der ein Geschäft anfängt. Lehrgeld zahlen muß. Wer mit Menschen zu schaffen hat, darf feine Engel erwarten." ( Fortsetzung folgt)

Die Maximalisten der englischen Revolution

Bon A. Conrady.

( Schluß)

Da sich die Konterrevolution im Gegen­jazz zu den Fanatikern vollzogen hatte, mußten sie auch hauptsächlich die Sünden­böde stellen. Das Gericht über die foge nannten Königsmörder umfaßte in Wirk­lichkeit im ganzen Anhänger des Tausend­jährigen. Reichs, darunter auch die beiden berühmtesten Führer Harrison und Bane. Diefer starb als letzter erst im Jahre 1662. Dagegen eröffnete Harrison im Oktober 1660 den blutigen Reigen; unbeirrt blieb er dabei, den Anbruch des Tausendjährigen Reichs für das Jahr 1666 vorauszusagen Tatsächlich fam es schon wenige Monate nach Harrisons Tod zwar nicht zum An­bruch des Laufendjährigen Reichs, wohl aber zu einer verzweifelten, ja, man muß faqen wahnwikigen Erhebung seiner Anhänger. Die egaltierten Gläubigen der fünften Monarchie hielten im Laufe des Jahres 1660 und besonders in seinen letzten Zeiten zahlreiche Versammlungen ab, die darauf hinausliefen, sich gegenseitig für einen neuen Handstreich zu erhihen und Mittel und Wege dazu ausfindig zu machen. Sie wa ren auch mit ehemaligen Offizieren, die ihren Meinungen nahestanden, in Fühlung getreten. Aber die Regierung nahm diese feft, ebenso wie zahlreiche andere Fana­titer: denn der Geheimbündelei fehlte wieder nicht der Gegenpol des Snik: ftums. Das hinderte die Exaltierten aber nicht, ihren politischen Ideen weiter nachzugehen. Vielmehr spielten gerade diese Einterferun­gen in ihren Aufstandsplänen eine erheb liche Rolle, indem die Abficht war, beim Losschlagen vor allem anderen die gefan­genen Freunde zu befreien und zu bewaff­nen. Sie rechneten übrigens nicht nur auf ihren engeren Anhang, fondern kerdem auf den linken Flügel der Quäfer, von benen man annahm, daß sie mittun würden, wenn das Himmelreich auf Erden erst ernstlich auf der Bildfläche erscheine. Dann aber hoffte man auf zahlreichen Zuzug aus der Bevölkerung, die nur des mutigen Bei­spiels bedürfe, um fortgeriffen zu werden. In dieser Richtung fuchte man etwas vorzu­arbeiten durch eine Erklärung, die zur Ver­breitung beftimmt war und den Titel führte: Eröffnung einer Hoffnungssphäre". Diefem merkwürdigen Schriftstück zufolge war es wiederum nicht nur auf die Um­wälzung in England abgesehen, sondern auf eine Weltrevolution. Den Anfang zwar follte die Eroberung von London machen, aber dann wollte man die Revolution übers Meer tragen und zwar nicht etwa nur nach Holland , sondern in Frankreich . Spa­ nien , Deutschland wollten sie mit Hilfe ihrer in allen Ländern verstreuten Brüder alle Könige entlegen und in Feffein schlagen.

Um aber an der Themse den Anfang

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machen zu können, beschaffte man Waffen, und zwar so viele, wie nötig waren, um tausend Mann zu bewaffnen. Damit war denn schon auf herbeitrömende Rekruten gerechnet; denn die unmittelbare Gemeinde der fünften Monarchie, die fich renelmäßig wieder an der alten Stelle in Coleman­street zusammenfand, umfaßte bloß einige hundert Köpfe. Der 1659 wieder auf freien Fuß gelangte Venner führte das große Wort und trieb seine Gesinnungsgenoffen zum äußersten an durch die zuversichtliche Behauptung, daß ihnen kein Mensch etwas werde anhaben tönnen, wenn sie tapfer losschlügen. Er redete von Gideon usw. und prophezeite, daß jeder von ihnen zehn Mann in die Flucht schlagen fönnte, ohne daß ihm ein Haar gekrümmt würde. An­fang Januar 1661 schien ihnen der Mo­ment gekommen, um zu den Waffen zu greifen. Der König war nämlich mit großem Gefolge nach Portsmouth gereift. und so hielt man die Gelegenheit zu einem Butsch für günftig. Am 6. Januar früh predigte Benner seiner Gemeinde in Co­lemanstreet zum letztenmal, und seine Rede gipfelte darin, daß der Tag des Kampfes gekommen Der streitbare Anhang bewaff­nete sich mit Musketen, Doppelbüchsen usw. Benner selber führte eine Hellebarde und trug die Sturmhaube auf dem Kopf, und so marschierte man, etwa 80 Mann starf, zuversichtlich hinaus in eine Stadt von 400 000 Einwohnern, um für das Laufend­jährige Reich zu fiegen. Sie zogen nach St. Pauls, um Jesus zum König zu pro­flamieren. und hier fiel dann das erste Opfer dieses Aufstandes. Sie hatten Boften aufgestellt Auf einen davon stieß ein ganz unbeteiligter Passant, der auf den Anruf, für men er fei, ahnungslos antwortete: " Für Gott und König Korl." Die Bache erwiderte: Wir sind für König Jesus" und schoß ihn nieder. Inzwischen wurde in der City allmählich Lärm geschlagen und es begannen etwelche Abteilungen der Bür­gerwehr auf der Bildfläche zu erscheinen. Deren Angriff wiesen die Kämpfer der fünften Monarchie mit Erfolg zurück und schlugen dann die Richtung nach dem Bishopsgate, einem Stadttor, ein, durch das sie hinausmarschierten. Durch das Cripplegate tamen sie wieder herein und zogen nach dem Aldersgate, mo fie den Kon­stabler durch Drohungen dahin brachten, ihnen aufzuschließen, so daß sie wieder hin­austamen. Hier erklärten fie fich von Reuem für König Jesus und außerdem für ihre Freunde auf den Toren; hiermit waren die Köpfe der Königsmörder" gemeint, die nach mittelalterlichem Brauch auf den Stadttoren zur Schau gestellt waren. In Beechlane trat ihnen ein Gemeindevor­steher entgegen, wurde aber von ihnen be­schoffen und getötet. Inzwischen war es Nacht geworden, und sie zogen sich nach einem Gehöl; bet Sngbrate, dem Caewood, zurüd, um fich für neue Taten zu fräftigen.

Sie dachten nämlich nicht im Traume daran, etwa die von ihnen aufgesuchte Deckung dazu zu benutzen, um sich feit wärts in die Büsche zu schlagen. Das Ge­bot der gefunden Vernunft wäre dies na­türlich gewesen, wenn diese nicht durch den blinden Fanatismus bei ihnen erstickt ge­wesen wäre. In London waren näm nämlich schon 10000 Mann Bürgerwehr gegen fie auf den Beinen. Andrerseits hatten fie felber feinerlei Zuzug aus der Bevölke­rung bekommen, die vielmehr, soweit fie nicht aktiv gegen fie Stellung nahm, tell­nahmios dem Treiben zujah. Das hinderte nicht, daß die Aufständischen sich in gehobe­ner Stimmung befanden, weil sie ohne eige­nen Abgang ihren Geanern Verluste zuges fügt hatten. In dem Wald, in dem sie sich nun befanden, follten sie freilich andern Tages schon eine unangenehme Erfahrung machen. Da erschien der Oberst Thomas Sandy mit Infanterie und Kavallerie, um