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Die Neue Welt. Illustriertes Unterhaltungsblatt.
fie aufzuftöbern. Er stieß auf einen vorgeschobenen Bosten der Aufständischen, der sich am Zugang in den Wald verschanzt hatte und die bewaffnete Macht unter Feuer nahm. Sie fonnten sich aber nicht halten, sondern mußten dem Obersten Gefangene in den Händen lassen und in die Tiefen des Waldes flüchten, wohin man ihnen wohl der Finsternis halber nicht folgte. Diese Schlappe änderte nichts an bem Entschluß der übrigen, wieder zum Angriff überzugehen und von neuem in London aufzutreten, obwohl sich hier alles im Alarmzustande befand. Darum unbefümmert, erschienen sie am Mittwoch, den 9. Januar, morgens in Threadneedle Street, wo eine Abteilung Bürgerwehr auf fie stieß und gezwungen wurde, sich auf ihr Gros zurückzuziehen. Dapor mußten nun wieder die Leute der fünften Mon archie in die Bishopgafe Street retirieren. Ein Teil nahm seine Zuflucht in das Bierhaus zum Helm, wo nach einem scharfen Gefecht zwei von ihnen getötet und zwei gefangen wurden. Die Milizen hatten den gleichen Verlust. Weiter sah man die Fanatifer auf College Hill, in Cheap Side und Wood Street erscheinen, Venner mit Sturmhaube und Hellebarde an der Spize. Hier tam es zu einem Hauptkampf mit zwei größeren Abtellungen Bürgerwehr . Die Aufständischen tämpften wie die Löwen, auch gegen Kavallerie, deren Attacke völlig abgeschlagen wurde. Aber der er drückenden Ueberlegenheit der Infanterie erlagen sie schließlich. Wenner selbst wurde zu Boden geschlagen, war auch angeschossen und hatte überhaupt eine ganze Menge Wunden. Tufnan und Craig, zwei andere von ihren Hauptlehrern wurden neben ihm getötet, und die übrigen wichen. Die Flucht zerstreute sie nach verschiedenen Seiten. Der größte Teil zog sich Wood Street hinunter auf Cripplegate zurück und unterhielt dabei ein Abzugsfeuer auf die Bürgerwehr, die ihnen auf den Hacken war. Die Miliz stellte zehn von ihnen im Wirtshaus zum blauen Anker beim Hinterpförtchen, wo die sich halten wollten. Der Oberst Cor tam noch mit einer Kompagnie dazu, und so entwickelte fich eine regelrechte Belage rung des Hauses, in dessen obersten Räu men sich die Fanatiker befanden. Bürgerwehren erstiegen das Dachgeschoß des nächsten Hauses und kamen ihnen von da auf den Kopf, indem sie die Dachziegel herunterriffen und hineinfeuerten, ohne daß fich die Belagerten hätten ergeben wollen. Gleichzeitig aber stürmte eine Schar Mus tetiere die Treppe hinauf, sprengte die Tür und drang unter fie ein. Sechs von ihnen waren schon tot und einer vermundet einer wurde noch mit dem Kolben niedergeschlagen und hernach erschoffen, weil er sich weigerte. um Pardon zu bitten. Die übri gen erwiderten auf die Frage, warum sie fich nicht eher ergeben hätten, das hätten sie nicht gedurft, weil sonst ihre eigenen Kameraden sie erschossen hätten.
lichen Rede, die seine ganze revolutionäre Vergangenheit umfaßte, bis zurüd zu fei. nen Erlebnissen in Neu- England . Er sprach auch von dem inneren Zeugnis, das er seit zwanzig Jahren in fich trage. Er gab zu, an dem Aufstand beteiligt gewesen zu sein, erklärte fich aber für nichtschuldig des Hochverrats, da er nicht die Absicht gehabt habe, gegen den König Krieg zu führen. Als er sich dann eingehend über seine Ideen von der fünften Monarchie verbreitete, wurde er vom Gerichtshof aufgefordert, eine kurze und bündige Antwort auf die Schuldfrage zu geben, und erklärte fich nun ohne Umstände für nichtschuldig. Nach ihm begann der Knopfhändler Roger Hodgkin sich in längeren Ausführungen zu ergehen. Es wurde ihm aber das Wort abgeschnitten, und ähnlich waren die übrigen Angeklagten nur mit Mühe dahin zu brin gen, die erforderliche Antwort auf die Anflage zu geben. Dann erfolgte die Vereidigung der Zeugen, zwei gegen jeden ein
Ob ich zwar vorher wußte, daß die deutschen Regierungen den Forderungen des Bolkes nicht nachgeben, sondern Maßregeln der Strenge ergreifen würden; ob ich zwar vom Schauplah entfernt bin, so hat mir Ihr heutiger Bericht von den Truppenbewegungen, von dem Mainzer Kriegsgerichte, doch die größte Gemütsbe wegung gemacht. Ich hielte das nicht aus und bin froh, daß ich mich entfernt habe. Gott hat die Fürsten mit Blindheit ge schlagen, und sie werden in ihr Verderben rennen. Sie haben die ruhigften und gutmeinendsten Schriftsteller mit Haß und Berachtung behandelt, sie haben nicht geduldet, daß die Beschwerden und Wünsche des Bolkes in friedlicher Rede verhandelt würden, und jetzt kommen die Bauern mit ihren Heugabeln, und wir wollen sehen, ob sich ein Zenfor findet, der das wegstreicht. Die alten Künfte, in jedes aufrührerische Land fremdes Militär zu legen, Nassauer nach Darmstadt , Darmstädter nach Nassau, werden nicht lange ausreichen. Wenn einmal der Soldat zur Einsicht gekommen, daß er Bürger ist, eher als Soldat, und wenn er einmal den großen Schritt getan, blinden Gehorsam zu verweigern, dann wird er auch bald zur Einsicht kommen, daß alle Deutsche seine Landsleute find, und wird nicht langer um Tagelohn ein Vater- oder Brudermörder sein.
Ludwig Börne , Briefe aus Paris. 9. Brief vom 6. Oftober 1830.
zelnen. Sie wußten Befundungen über die Borgeschichte der Erhebung zu machen, woraus auch soviel erhellte, daß die Verschwörung auch der Spizzel nicht entbehrt hatte. Es wurde befundet, daß Benner und die beiden gefallenen„ Lehrer" Tufnen und Craig ihre Gemeinde wiederholt er mahnt hatten, für König Jesus zu den Waffen zu greifen gegen die Mächte der Erde, d. h. die Stuartregierung, und alle zu töten, die ihnen Widerstand leisteten. Und so tam denn weiter ein vollständiges Bild des ganzen Berlaufs zustande. Gegen vier Angeklagte reichten die Beweise nicht aus. Die übrigen sechzehn aber wurden von den Geschworenen schuldig befunden und darauf zur Beantwortung der vorgeschriebenen Frage wieder vorgeführt, warum fein Urteil gegen fie ergehen solle. Der Oberrichter Foster legte bei dieser Ge. legenheit Venner das Blut seiner Genossen zur Laft, da er fie verführt und geführt habe. Benner aber antwortete rundmeq, er habe sie nicht geführt. Als darauf die
Das war der letzte Kampf. Im ganzen hatten die Regierungstruppen 22 Tote, und die gleiche Zahl rechnete man auf die Infurgenten; von diesen waren aber einige erst nach der Gefangennahme erschossen worden, weil sie fich weigerten, ihre Namen zu nennen. Zwanzig waren in Ges fangenschaft, darunter Venner und außer ihm noch vier andere an dem früheren Putschverfuch gegen Oliver Cromwell beteiligt gewefene Personen Am 17. Januar 1661 erschien die ganze Schar vor dem Richter. Verschiedene waren verwundet und bekamen deshalb Stühle angewiesen. Nachdem die Anflage verlesen worden war, die auf Hochperrat und Mord lautete. wurde Thomas Venner zuerst aufgerufen. Auf die Frage, ob schuldig oder nichtschul big, antwortete er mit einer leidenschaft- Zeugen wieder angerufen wurden, fam er
damit heraus, nicht er, sondern Jesus sei Führer gewesen. Drei andere Angeklagte befundeten Reue und baten um Gnade. Es erging aber über alle das gleiche Urteil, gehängt und gevierteilt zu werden. Die Erefution begann am Sonnabend, den 19. Januar, zuerst an Thomas Venner und Roger Hodgkin, die beide noch an den im Unter Rampf erhaltenen Wunden litten. Bedeckung von zwei Kompagnien Milizen wurden sie auf einer Schleife vom Newgategefängnis Cheapside entlang nach Colemanstreet geschafft, um dort gegenüber ihrem alten Versammlungshaus hingerichtet zu werden. Venner redete vorher einiges zur Verteidigung seiner Person, seiner Meinungen und seiner Taten, griff die Regierung an und sprach seine Zuversicht aus, daß die Zeit vor der Tür stehe, wo ein anderes Urteil ergehen werde. Während an ihm nach dem Hängen die mittelalterliche Barbarei des Bierteilens vorgenommen wurde, gebärdete sich Hodgkin wie rasend, rief die Rache des Himmels auf den König, die Richter und die Londoner City herunter und wurde, da er sich um das Schweigegebot des Sheriffs nicht fümmerte, auf die Art still gemacht, daß der Henter seine blutige Arbeit an Venners Leichnam unterbrach und ihn von der Leiter stieß.„ Sie starben also," fagt ein gleichzeitiger Chronist, in dem wahnsinnigen Glauben, in dem sie gelebt hatten." Das gilt auch für die übrigen, die weiterhin durch Henkershand endigten. Benners und Hodgkins Bierteile wurden auf den Stadttoren neben den Ueberresten der Königsmörder zur Schau gestellt, die Köpfe an Stangen auf London Bridge . Montag, den 21. Januar, wurden neun weitere Anhänger der fünften Monarchie an fünf verschiedenen Stellen hingerichtet; einer davon erging sich auch in Verwünschungen wie Hodgkin und wurde. auf dieselbe Art stumm gemacht. Gleich ihm blieben auch die anderen hartnäckig bei ihren Ideen. Nur ein junger Mann, der in Red Croß Street gehängt wurde, bekundete Reue über seine Teilnahme an der Berschwörung und über das von ihm vergossene Blut, blieb aber auch beim Glauben an das Taufendjährige Reich.
Zu diesen poetischen Visionen wollte die prosaische Wirklichkeit übel passen. Tatsächlich arbeiteten die Kämpfer für König Jesus bloß für König Karl. Die Reaktion sette sich im Anschluß an den verunglückten Butsch wieder ein gut Teil fefter in den Sattel. Berhaftungen in Maffe erfolgten, Truppenförper wurden geschaffen, und mit dem System der Ausnahmegeseke wurde begonnen, das bald herrlich ausgebaut wurde. In den Fanatikern" aber sah die Konterrevolution andauernd ihre unfreiwilligen Verbündeten. Wenn sie sich nicht mehr von selbst regten, mußten sie eben in Bewegung gesezt werden, und so spielten Lockspikeleien in den nächsten Jahren eine erhebliche Rolle, um durch Aufdeckung von Berschwörungen die Angst vor den Sozialrevolutionären zum Nutzen der Reaktion auszubeuten Es ist ficher, daß der Lum, pacivagabundus auf dem englischen Königs. thron mit feinem gleichwertigen Anhang sich nicht 25 Jahre hätte behaupten können, menn nach dem gänzlichen Einschlafen der Bewegung für das Tausendjährige Reich nicht doch noch das Gespenst des Fanatismus" umgegangen wäre, der mit seinem blinden Wahn, England durch das materielle Schwert etwas aufzwingen zu können, das den Gedanken und Absichten der großen Mehrzahl. des Volfes fernlag, lekten Endes Diejenigen nur der Reaktion gedient hat. aber, die heute ähnliche Irrmege mandeln, würden schließlich am gleichen Ziele anlangen, wenn sie ihr gemeingefährliches Handwerk nicht doch noch aufgeben oder es ihnen nicht rechtzeitia gelegt wird.
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