Die Reu« Welt. Illustriertes UnterhaltimgSblatt.

88 G«n. Das Schicksal hatte sie hartgeschmiedet, hatte sie gelehrt, zu entsagen. Indes er eines Tages zur Heirat schritt, blieb sie «llein. Ihr Weg führt« ins Ungewisse, ins Dunkle. Seit ihm die Gemüsefrau Hormonn die Leviten gelesen, hatte der Ratsdiener Dau- ber ihren Laden nicht mehr betreten. Ins» geheim spielte er sein« Psiffe und Ränke gegen st? aus. Daß ihr das Brennholz, das fie ersteigert hatte, vorenthalten wurde, daß fie öfter Polizetstrasen bezahlen mußte, führte sie aus die Machenschaften Daubers gu rück. Dieser hielt nun bei ihrer Nach- barm, der Seilerswiiwe Waldschmidt, einer Etadttrommel der gesöhriichsten Sorte, Enen Schwatz und schickt« feine höhnischen ick» hinüber. Heut erschien er, schwitzend wie ein Bär, Itttt der Nachricht, er hob« den Ludwig Ibold und die Grete Gonder selbander auf dem Altenburgskopf gesehen. Die Waldschmidt riß den zahnlosen Mund auf. Der Ratsdiener wischte sich den Schweiß Von der Sttrn und rasaunert«: »Der Ludwig ging wie auf Erbsen. Guckt' drin wie einer, der sich die Man» schetten nicht vertrumpeln möcht. Ich wett aber einen Zentner Bachforellen gegen einen faulen Hering, die Grete kriegt ihn herum.'» ist eine Schand vor Gott mid der tLelil Der Ludwig mag am Gonder feinen Tod unschuldig sein, für die Grete dürft er nicht mehr existieren. Passen Sie«mal acht. '» dauert kein Jahr, da hängen die zwei »m Rathaus im Kasten!" Di« Waldschmidt schlug die Hände gegen die Backen »Ei du ollmächciger Gott! Ich bin Ihnen rein verdattert. Die Grete muß von Grund aus verdorben sein. Die kann die ganz' Stadt verdächtig machen. Aber die Frau Gond.'r kriegt noch ihr« Straf. Das ist stcher!" Der Ratsdiener hob den Zeigefinger. »Frau Waldlchmidt, ich will keinen Klatsch. Was ich Ihnen hier gesagt Hab, bleibt in den vter Wänden!" Am selben Tag trug die Seilerswitw« in der Erbsengasse die Reuigkeit von Haus zu Haus. Bald wurde auf dem Markt, in allen Ecken und Winkeln davon ge- sprochen, daß sich die Grete Gonder ihren »tten Liebhaber wieder angeschasft hatte. Ludwig» Konkurrenten, die jede Gele- genheit benutzten, dem jungen Meister etwas am Zeug zu picken, schnepperten im Chor: »Er nennt sich Künstler und ist ge­lind gesagt ein Rarr. Narren soll man «n Seck führen. Di« wisien nicht, was fie tun. Erst hat er den Handel mit dem Gon­der gehabt Ist hart am Kittchen vorbeige- kommen, alleweil zieht er mit dem Theo- baL> feiner Frau herum. Das ist Hunds- gemein. Man müßt ihm das Handwerk legenl" In der Krone machten die betten Freund« und Trinkgenossen Gonder», die mich seiner Hochzeit beigewohnt hatten, de? Schlosser Kappus und der Messerschmied Rettershahn, ein großes Geschrei. Der Theobald hatte mit seiner Heirat ewen Mißgriff getan. Die Grete paßte nicht für das Geschäft. Das war der erste Schlag, der ihn trai Er haite da» Herz auf der Zunge. Heber feine Frau aber, obwohl er Anlaß genug hott', gegen sie aufgebracht zu sein.

schmieg er sich aus. Und doch, wenn man nicht kreuzdumm war, merkte man aus fei- neu Reden, daß er in gar keiner richttgen Eheschaft lebte. Welcher Mann ließ sich so etwas bieten? Er hätte die Duckmäuferin ordenllich wamsen sollen. Was st« für ein Weibaeschirr war, erfannte man jetzt, wo sie wieder mit dem Buchbinder angebändelt hatte. Den Spezialen Gonders trat der Wa- fenmeister Cellarius entgegen. »Da möcht man wahrhaftig aus den Kaldaunen fahren! Habt doch eln bißchen mehr Achtung vor der bedauernswerten Frau! Was ist denn postiert? Sie ist, wie man hört, auf d«n Altendurgskopf mit dem Ludwig Ibold gegongen. Weiter nix. Mir Ist dadebti kein böser Gedanke aufgestiegen. Sieich find all« Klapperschlangen in Be- wcgung. Aua der Mück' wird ein Elefant

Speichergegend

gemacht. Hui, geht's im Dreisprung über die Gaß. Und ist«in Horchen und Lauern und Sticheln. Keiner weiß was Gewisses. Jeder hat's nur vom Hörensagen. Wenn auch. Das Schindoolk zieht los. Di« Maul- tiere und Schnüffelnafen vornan. Und schmusen und verleumden. Und verdrehen und fetzen dazu. Und die Buschmänner langen fich Ratten. Machen miteinander Kjz�e. Und lügen dem Teufel ein Bein kaputt. Und die Dreckkneter. in denen chrem Kalender nix als Gemeinheit steht, hängen so einer armen Frau was an. Und als hinter chrem Rücken, daß sie sich nicht wehren kann. Da konunt das Gvhästige, das Schlechte bei den Menschen heraus. Stank, mx als Stank. Die Kassruse gehört an den Galgen?" Der Schlosser schlug mit der Faust auf den Tisch.(gfortftftttng folgt) Familiengeschichte Bon Hans Schmidkunz. 'Historische Anwendungen. Haben wir schon bisher bemerkt, welch« Vorteile wir aus all dem für den Unter- rlcht namentlich in Historischem ziehen kön- nen, so lohnt es sich jetzt, diesen Dorteilen noch mit spezielleren Anwendungen nach-

zugehen. Dabei liegt wieder das Schwer- gewicht am besten aus dem. was wir und unsere Jungen uns selber erarbeiten. Aller- dings sind auch diese Dinge in der neuesten Zeit bereits instemattsckier behandelt wor­den: und in Leipzig besteht eine Zentral- stelle für deutsch« Personen- und Familien- geschichte. deren Organ die»Familien- geschichtlichen Blätter" sind. Allein es wird gut sein, auf derlei fremde Hilfen erst dann zurückzugreifen, wenn eigene Bemühungen an eine Grenze gekom- men sind, an welcher ein weiteres Kraftauf- gebot gegenüber der schon geleisteten Bor- arbeit verschwendet sein würde. Nur in die- fem Sinne darf ich wohl noch aufmerksam machen auf die kleine AbhandlungGenea- logie und Pädagogik", mit welcher ich sin den»Lehrproben und Lehrgängen" 1904, III, Heft 80) den Versuch angestellt habe, die pädagogischen Anwendungen der Grund- züge unseres Gebietes darzulegen(damals mit etwas anderen arichmettschen Ansätzen als setzt). Die damalige Warnung vor dem Glauben, als stehe und falle die pädago- gliche Bedeutung der Genealogie mit irgenlk- welchen dabei vorgeführten Einzelheiten, darf Ich wohl auch hier wiederholen. Wir fragen zunächst, wie weit denn zu vermuten sei, daß die Nachforschungen nach den Lebensdaten unserer Ahnen nach rück- wärts hin einen Erfolg haben können, ob »vir also beispielsweise beguem bis in» Mittelalter zurück forschen können. Das ge» lingt bei fürstlichen Familien, die seit lan - gem ihren Bestand übersichtlich vor sich und aufgezeichnet haben: das gelingt aber schwerlich bei bürgerlichen Familien, die ja kaum jemals jene einheitliche Linie fest- halten, wie sie bei fürstlichen und höchstens noch bei großgeschäfttichen Familien(bei Patriziern") bestellt Frage: Wann be­ginnt das Verfließen der Vorfahren in der weiteren Bevölkerung? Antwort: das kommt ganz darauf an, wie fest die einzelnen Familien ihre Ueberlieserung bewahren. Folgerung für uns: alles zu tun, daß uns dies weniastens von setzt an gelinge. Aber die weitere Frage: wann beginnen besondere Schwierigkeiten im Finden ver- gangener Auszeichnungen? Vielleicht haben einige von uns schon Erfolg mit dem Fest- stellen ihrer Vorsahren gehabt, sedvch einen sehr verschiedenen je nach Gunst und Un- gunst der Zeiten oder Kulturen oder histori- schen Vorgänge, in welche man dabei hinein» kommt Einigermaßen kundige Jünger des Gefchichtsfaches können sogar schon von vornherein vermuten, welche historischen Zeiten das fein dürsten, und treffen dann wohl auch mit den tatsächlichen Eraebnissen oder Nichtergebnissen zusammen. Von uns nach rückwärts find es namentlich drei histo- rische Epochen, von denen wir kewe Gunst für unsere Forschungen und Feststellungen erhoffen dürfen: die Zeit der Napoleons­kriege, also unserer Ururgroßeltern: die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, also während des Lebens unserer 11. und 12. Generation nach auswärts: endlich die Zeit der Refor­mation, deren Ansangsjahr 1ö17 gerade unsere IS. Generation nach rückwärts trifft. Versuche, die ich selbst für meine Genea- logie begonnen hatte, bestätigen wenigsten» die Ungunst der eistgenannten Zeit. Ein Vorfahr, den ich suchte, konnte in der Zeit von 1797 an bis 1869 nicht aufgefunden werden. Die dortigen Kirchenbücher ver- zeichneten die Taufen von 1793: aber für das Jahr 1809 war dort alles verbrannt, und nur nachher konnte man durch Umfrage von Haus zu Haus die Bestände mittels eines Prototolles aufnehmen. Wie jung die Zivilstandsregister find, läßt sich ohne weiteres erfahren: die Kirchenbücher rei- che» viel weiter hinauf, ober die protestan- tischen selbstverständlich und die tatholisch.'n tatsöchkich nicht wohl über das Trftent! nische Kon.zil zurück, das im Jahr 1S33 schloß, also in der Zeit de, 13. oder 14. Generatton