Nr. 5

Für unsere Mütter und Hausfrauen

volles Spielzeug für Kinder jeden Alters ist der Ball. Für jüngere Kinder genügt ein selbstgefertigter Wollball, der der Größe der kleinen Hände entspricht. Die Ballspiele machen geschickt und flint, schärfen das Auge und die Aufmerksamkeit und regen zu ge­meinsamer Betätigung und Freude an.

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Alle bisher erwähnten Sachen sind fertiges Spielzeug. Beob­achten wir aber spielende Kinder, so bemerken wir bald, daß sie mit solchem weit seltener spielen als mit Dingen, die sie sich selber sammeln und die häufig genug gar nicht als Spielzeug gedacht find. Diese Dinge bilden nur das Material für das wirkliche Spielen. Das befannteste Spielmaterial ist der Sand. Und dieses Spielmaterial ist nicht bloß billig, sondern was das wich­tigste ist: außerordentlich bildend. Das Spielen mit Sand er­öffnet der Phantasie, dem Tätigkeitssinn des Kindes geradezu un­begrenzte Möglichkeiten. Leider wird das von vielen Frauen nicht erkannt. Oft mußte ich vermittelnd dazwischentreten, wenn Mütter ihre Kinder vom Sandhaufen fortholen wollten, weil diese sich dort schmußig machen". Wieviel Tränen und heimliche Sehnsucht hängen an dem Verbot, nicht mit Sand zu spielen. Haben wir nicht alle den ersten Berg auf dem Sandhaufen gesehen? Und den Back­ofen, die Burgen und Schiffe, die Gärten, in denen die Papier­puppen spazieren gehen. Es gibt kaum etwas, was Kinderhände nicht schon aus Sand geschaffen hätten. Dazu das Gemeinsame des " Spieles: die Großen und geistig Lebhaften verteilen die Auf­gaben, die anderen führen sie aus. Wehe dem Störenfried! Und das alles soll aufhören, weil der Winter da ist und das Sizzen im Sande nicht zuläßt? Nein, nichts davon. Für wenige Pfennige kaufen wir unseren Kindern zu Weihnachten reinen weißen Sand, schütten ihn in einen großen Karton, und der Sandhausen  ist fertig. Wie jauchgen die Kinder! Versucht es, ihr Mütter. Aus gesammelten Zweigen und Silberpapier baut euch euer Kind das Paradies auf Erden. Ein kostspieligeres Spielmaterial, das aber ebenfalls großen erzieherischen Wert hat und zu den merkwürdig­sten Schöpfungen Anlaß gibt, ist das Wachs und das Pla= stilin. Auch Ton kann zum Kneten benutzt werden, ist aber un­praktischer, weil er vor dem Gebrauch mit Wasser durchsetzt werden muß und daher viel Schmutz macht.

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Wie beim Sande, beim Wachs, Plastilin und Ton ist auch beim Baukasten das Spielen ein Schaffen. Jüngeren Kindern sollten nur die Baukästen von Friedrich Fröbel   geschenkt werden, die außerordentlich preiswert find man kauft sie von 15 Pf. und alle Formen enthalten, die zum Bauen gebraucht wer­den. Auch kann man die folgenden Nummern dazu kaufen und damit dem Alter des Kindes entsprechend die Bauformen verviel­fältigen. Sehr schön, aber teuer sind die Autersteinbau­fästen. Sie kommen für größere Kinder in Betracht und ent­halten so viele Formen, daß mit ihnen Bauten in sämtlichen Stil­arten errichtet werden können. Zum Spielmaterial gehören ferner alle Mosait- und Zusammensehspiele, die die langen Winterabende verkürzen und an Geduld gewöhnen. Die Kugel­spiele, bei denen Sterne und Muster gelegt werden, entwickeln den Schönheitssinn und machen geduldigen Kindern viel Freude. Wo mehrere Kinder beisammen sind, sollte auch das eine oder andere Gesellschaftsspiel unter dem Weihnachtsbaum liegen. Gesellschaftsspiele aller Art regen die Aufmerksamkeit, schnelles Überdenken an und lehren dem kleinen Ehrgeizigen, daß man auch das Verlieren mit Würde ertragen kann.

Ein Kapitel für fich bilden die Fröbelschen Beschäfti gungsmittel. Sie sind sehr billig, doch bedarf das Kind der Anleitung, wenn es sie ausnuten soll. Ich nenne nur das Flech= ten, Ausnähen, Ausstechen usw. Auch die Laubsäge und der Handwerkskasten für die Knaben und die Näh­und Stickkästen für die Mädchen müssen in diesem Zusam­menhang genannt werden. Ich möchte jeder Mutter raten, die Näh­und Stickfästen möglichst selber herzustellen. Sie stellen sich zwar nicht viel billiger als die fertig gekauften, und ihre äußere Auf­machung ist nicht so elegant wie bei diesen, dafür aber können die Mädchen sie auch wirklich benußen. Sehr empfehlenswert sind Mal- und Zeichenhefte mit Tuschkästen oder Buntstiften. Ebenso die Ausschneidepuppen und Häuser, aus denen das Kind ganze Dörfer zusammenseßen kann. Auch ein Puppen­theater läßt sich auf diese Weise billig herstellen.

Bei allem Spielmaterial ist das Kind der alleinige Schöpfer seines Spielzeugs; die Phantasie hat freien Lauf, der Geist wird angeregt, die Aufmerksamkeit gefesselt, die Geduld geübt, Auge und Hand werden geschickt und der Sinn für Formen entwickelt sich. Leider wird noch immer viel zu viel Spielzeug und zu wenig Spielmaterial getauft. Und das, obgleich das letz­tere weit billiger ist als fertiges Spielzeug.

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Das Geld, das man für mechanisches Spielzeug, fah­rende Autos, Karussels usw. ausgibt, ist meist hinausgeworfen. Das Auto versagt häufig schon am Weihnachtsabend und liegt nach zwei Wochen vergessen in der Ecke. Anders verhält es sich mit der Eisenbahn. Es gibt Lokomotiven, die bei guter Behandlung jahrelang unermüdlich ihre Wagen ziehen, doch sind sie teuer. Am liebsten ist dem Kinde eine Eisenbahn aus Holz vielleicht hat Vater sie gemacht?-, mit der es ordentlich spielen kann, ohne befürchten zu müssen, daß der Mechanismus zerbricht. Muß ich noch erwähnen, daß wir keine Soldaten, Kanonen, Ge wehre und Säbel kaufen? Ich glaube kaum. Gerade jetzt wird das Entsetzen vor dem Massenmord und allem, was damit zusammenhängt, so groß und lebendig sein, daß wir unseren Kin dern keine Kriegswerkzeuge zum Spielen in die Hand geben wer­den. Auch eine Beitsche würde ich niemals schenken. Beitschen find zum Schlagen da; der Knabe schlägt erst sein Pferd, dann seine Geschwister und Kameraden.

Es war in diesem Artikel nur möglich, einen sehr gedrängten Überblick über Spielmaterial und Spielzeug zu geben, das die Mutter bescheren kann, die nicht nur an den Zeitvertreib, sondern auch an die Entwicklung ihrer Kinder denkt. Das Verzeichnis empfehlenswerter Jugendschriften, das der Bildungsausschuß der fozialdemokratischen Partei Deutschlands   herausgibt, beantwortet der aufgeklärten Proletarierin die Frage: Welche Bücher schenke ich meinen Kindern zu Weihnachten?

Toni Sußmann, Charlottenburg  .

Feuilleton

Utku.

Von Willy Seidel  . II.

( Schluß.)

Tage rannen und Monate rannen, bis ein Punkt kam, wo alle Winde aufhörten und alles verstummte und erstarrte. Der Himmel war an den Tagen ganz blaß, schier weiß, und in den Nächten, die sich endlos dehnten, tiefblau, wie poliert, von grellen Sternbildern erfüllt, so daß er wie ausgeschüttetes Geschmeide funkelte. Die Kälte troch in alle Winkel; der Rauch von zweihundert Jurten stieg wie ein Wald von grauen Säulen in die Höhe, und das un­ablässig genährte Feuer fraß am Ol des Stammes, so daß die Fa milien, deren Vorräte knapp bemessen waren, eingewickelt in der Dämmerung verweilten und die Tage hindurch schliefen.

Und als ein weiterer Monat vergangen war, drängten sich die Renntiere mit angstvollen, durchsichtig grauen Augen bis in die Hütten. Sie glichen hochbeinigen weißen Jgeln, denn jedes Haar ihrer Belze hatte einen Panzer von Reif, so daß sie aufgebauscht erschienen; an ihren Stangen flimmerten dice Krusten, und um ihre Nüstern, die plump nach der Wärme stießen, lagen ganze Maulkörbe von Kristallen, von steingewordenem Odem. Manche brachen in die Knie, bevor sie das Futter erreichten, oder rannten sich sinnlos die Stangen in die Leiber. Andere erhielten sich, indem sie sich auf einen großen Klumpen zusammendrängten und eine gemeinsame Schußwand von feuchtem Dunst errichteten, die Kälber in der Mitte tief in den Flaum der Muttertiere vergraben. Utku hatte ein Rudel von hundert Hunden für seine gewaltige Herde, die hielten die Masse zusammen, indem sie tagsüber mit klagendem Gebell die langen Kolonnen gesenkter Geweihe hinunterflogen. Die Moosvorräte von Utfus flachen Schobern begannen einzu­schrumpfen, und der harte Schnee ließ den Hufen keinen Eingang mehr. Und die Kälte wuchs.

Sie wurde erbarmungslos, lähmend. Die Stimmen der Leute tönten einsamer. Sie lagen überall in der von Kohlensäure be­lasteten Luft ihrer geschlossenen Jurten, wie Tiere zusammen­gedrängt, und schnarchten mit rasselnden Kehlen. Auch Utku tam selten hervor. Er war abgemagert, schlafsüchtig und hatte das Hirn voll Träume. Ein stilles Fieber hatte ihn ergriffen, das er in sich hineinwüten ließ. Er saß zusammengezogen in einem Winkel, und man sah es seinem Gesicht kaum an, daß ihm ein Frostschauer nach dem andern über den Leib ging.

Seine ledernen, zerknitterten Wangen hatten einen Wachsglanz, und die Schlitze seiner Augen schienen erweitert. Den breiten Mind hatte er zusammengepreßt, gleichsam gespitzt vor Unbehagen, und sein Gesang war verstummt. So hatte er Muße, dem Saufen und Quirlen des eigenen Blutes zu lauschen; gewaltsame Mühe kostete es ihn, dem kleinen Jamuk die Rasierschale voll Milch zu reichen, ohne sie auszuschütten. Utku sagte es niemanden, daß er krank sei;