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ich in einem komfortabelst eingerichteten, mit Kupferstichen nach faulbach'schen Gemälden, mit Bildern von notabeln Meistern und sonstigen Kunstgegenständen geschmackvoll geschmückten Zimmer, in dem idyllischen, von Bergen umrahmten Heim eines schlichten Landmannes und blättere in den neuesten Publikationen des deutschen Buchhandels, indessen der Herr des Hauses", im grauen Lodenrocke und derber Lederhose, den Pfeifenstummel zwischen den Zähnen, die eben angekommenen amerikanischen, schweizer, ber­liner und wiener Residenzblätter 2c. mustert, die letzte Lieferung eines botanischen Atlas betrachtet, Briefe aus aller Herren Länder durchfliegt, oder zur Begutachtung eingesendete Mineralien, prähistorische Fundstücke und seltene Schmetterlings- und Käfer exemplare mit der Lupe prüft. Ab und zu fällt ein knorrig Wort, ein knapp präzisirender Ausruf ansonst bleibt es wäh rend der Lesestunde" mäuschenstill.

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So beginnt der kulturhistorische Feuilletonist Schlögl seine ge­Lungene Skizze über Konrad Deubler  , den bekannten ,, Bauern­Philosophen", wie ihn ein Mitarbeiter des ,, Ausland" genannt hat. Philosophie" und Bauer"! Wie reimen sich diese beiden zusammen?

Wird nicht auf allen Kathedern der Hochschulen ,, Philosophie" als eine Wissenschaft blos für die Geistig- Auserwählten" gelesen, mit der Begründung, daß es erst jahrelanger ernster Studien bedürfe, ehe es dem schwachen Erdensohne vergönnt sein könne, in die Mysterien der Philosophie", dieser Quintessenz alles menschlichen Wissens, einzudringen? Wird nicht seit Jahrhun derten dem schlichten Bürger zum tausendstenmale vorgeschwaßt, daß das philosophische Denken und Verstehen ein Vorrecht der Gelehrtesten, das Glauben aber die erste Pflicht des Laien sei? Seit Voltaire und La Mettrie   aus der Schule zu schwazzen be­gannen, ist man in zivilisirten Landen allgemein der Ansicht, daß wohl die Philosophie bei Gelehrten an die Stelle des religiösen Glaubens treten könne und die Religion dort zu ersetzen ver­möge, während dagegen der Laie fernzuhalten sei von allen auf­regenden Zweifeln philosophischen Denkens, da seine Augen nicht fähig seien, den Glanz anderer als eben ,, religiöser Wahrheiten" zu ertragen.

Konrad Deubler   hat uns eines Besseren belehrt. Der ,, Bauer" fann Philosoph" sein und gerade dadurch glücklicher werden, als er's ohne Philosophie" geworden wäre.

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Konrad Deubler   wurde am 26. November 1814 als armer Leute Kind in einer niedrigen Hütte beim Dorf Goisern( unweit Ischl   im Salzkammergut   geboren. Wir haben dieses sein Vater haus noch im letzten Sommer gesehen, freilich unbewohnt, weil längst in den Händen eines Andern, dem der Zerfall dieser Hütte nicht leid thut. Saftige Wiesen und Baumgärten umgeben das einstige Heim des sinnigen Knaben, der von seiner Großmutter mehr als von Vater und Mutter selbst geistige Unterhaltung genoß. War ja doch sein Vater Bergmann bei den Salzwerken der romantischen Gebirgsgegend am Hallstättersee und fand über den Sorgen um das tägliche Brod nicht Zeit und Muße, um sich und seine Familie geistig zu heben. Der kleine Konrad ver­lor in seinem zehnten Lebensjahr die Großmutter, an der er mit so viel Liebe und Verehrung hing. Es ist selbstverständlich, daß der Junge in der Verzweiflung über den unsagbaren Verlust, der ihn jahrelang quälte, sich alles Ernstes die Frage nahelegte: Werde ich dereinst meine Großmutter wiedersehen?- gibt es

ein ewiges Leben? Gibt es eine andere und bessere Welt, von der sie mir so oft erzählte und auf die sie mich tröstend und verheißend verwies?" Konrad wollte Gewisseres erfahren, als es der Pfarrer( im größtentheils protestantischen Dorfe Goisern) wußte. Er wollte in Büchern, die ganz speziell diese wichtigen Fragen behandelten, Antwort holen und wandte sich deshalb an den Geistlichen, von dem er wußte, daß diesem solche Bücher be­kannt seien. Dieser machte den jungen Bauernsohn auf Sintenis' Elpizon, oder über meine Fortdauer im Tode"( Leipzig   1803), auf Mendelssohn's Phädon", Grävell's Mensch" u. a. m. auf­merksam. Einiges konnte er vom Pfarrer selbst geliehen erhalten, was er auch sofort mit wahrem Heißhunger verschlang. Durch diese Lektüre gelangte denn Deubler auch zu einer festen Gewiß­heit, daß es ein Jenseits gibt, daß er also seine geliebte Groß­mutter wiedersehen werde.

Er begnügte sich aber keineswegs mit dem einmaligen Lesen jener Bücher, die ihm so kostbare Aufschlüsse zu geben vermochten; er wollte die Bücher selbst besitzen, jederzeit in seiner Nähe haben und so faßte er den Entschluß, die für den armen Buben fast unerschwingliche Summe von 12 Gulden, welche er zum Ankauf des Sintenis benöthigte, so oder anders zusammenzutreiben. Ich wurde Müllerbursche, kam nach Hallstadt  - dort in jene romantische Mühle, welche über dem Städtchen so' malerisch an den jähen Felsabhang geklebt erscheint nnd sparte mir bei meinem fargen Taglohn den Bissen vom Munde ab, und legte Kreuzer und Kreuzer zusammen, bis ich die damals so große Summe von 12 Gulden vollzählig hatte." Nun kaufte Deubler den dreibändigen Sintenis und nach und nach wieder ein und das andere Buch dazu und las um so gieriger( selbst­verständlich nur bei Nacht, da er tagsüber seinen schweren Müller­dienst zu verrichten hatte) ,,, als auch scheinbar das Verständniß, das Erkennen und Erfassen manches bisher Dunkeln und Unfaß­baren wuchs, was seine Freude am Lesen nur steigerte."

Deubler wurde Eigenthümer der Mühle, heirathete schon im 18. Lebensjahr, um dem Militärdienst auszuweichen und erwählte hiebei nicht etwa von zwei Uebeln das kleinere, sondern- wie er uns als Greis selbst versicherte, einen wahren Schatz von tüchtiger Lebensgefährtin. Es sei hier vorgreifend bemerkt, daß diese seine erste Frau drei Jahre älter war als er und 43 Jahre tapfer an seiner Seite marschirte.

Lange Jahre trug Deubler in Hallstadt   die Kornsäcke vom Seeufer drunten etliche hundert steile Stufen hinan zur Felsen­mühle, um das Getreide zu mahlen und hernach die Mehlsäcke auf gleich beschwerlichem Wege wieder hinunterzutragen. Im eigenen Lebensunterhalt muß es damals trotz der körperlichen Anstrengung mager genug zugegangen sein; denn heute noch trinkt Deubler weder Wein noch Bier und ißt höchst selten Fleisch ,,, weil er's anders gewohnt ist". Um seiner Wißbegierde gerecht zu werden, sann er auf Mittel und Wege, sich nebenbei" da oder dort einen Gulden zu verdienen, und so fam er denn auf die Idee, Alpenpflanzen des Salzkammergutes zu sammeln und nach Koch's Flora zu bestimmen, um sie später in getrocknetem und zierlich geordnetem Zustande an Touristen und Naturfreunde zu verkaufen. So gewann er sich auch die Mittel, um in seinem zwanzigsten Lebensjahr noch schreiben zu lernen und Sem Mangel der allernöthigsten Schulbildung in seiner ihm eigenen Art abzuhelfen. ( Fortseßung folgt.)

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Eigenthümliche Freundschaftsbeziehungen in der Thierwelt.

Naturgeschichtliche Skizzenbilder von Dr. L. Jacoby. ( Fortsetzung.)

Ein sehr ähnliches Freundschaftsverhältniß wie das zuletzt geschilderte hat bereits im frühen Alterthum die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Es ist dies zugleich der erste Fall einer Freund schaftsbeziehung zwischen Vertretern der verschiedenen Thierklassen, nämlich zwischen einem Kriechthier( Reptil) und einem Vogel, zwischen dem Krokodil und dem Krokodilwächter. Herodot, der Vater der Geschichte, der im fünften Jahrhundert vor Christus schrieb, berichtet aus Aegypten  , daß das Krokodil sich von einem kleinen Vogel, Trochilus genannt, die Zähne puzen lasse und daß derselbe Vogel das schlafende Krokodil vor dem

Ichneumon*) warne, indem er herbeifliege und es theils durch seine Stimme, theils durch Picken an der Schnauze aufwecke. Und ebenso erzählt Aristoteles   in seiner Geschichte der Thiere: Wenn das

der Meinung der Alten viele fabelhafte Dinge verrichten, insbesondere

*) Der von den Aegyptern heilig gehaltene Ichneumon sollte nach der geschworene Feind des Krokodils sein, dessen Eier er daher begie­rig aufsuche und verzehre. Das letztere wird noch von Cuvier   und Oken, sowie in den meisten neueren Handbüchern als Thatsache an­geführt, während Brehm nach eigener Anschauung alle diese Angaben für Märchen erklärt.