Leue

chigke

Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.

№5.

Erscheint wöchentlich.

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Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig. In Heften à 30 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.

Dem Schicksal abgerungen.

Novelle von Rudolph von B...... ( Fortsetzung.)

Wanda fühlte daher den Beruf, den Fritz aus dem Banne des abscheulichen Geschäftsgesprächs zu retten, und ergriff seelens­froh die Gelegenheit, als sich die Herren erhoben, gleichfalls von ihrem nur sehr unruhig behaupteten Size aufzuspringen und aus­zurufen: Kommen Sie, Friß, jetzt will ich Ihnen unsern Garten zeigen. Nicht wahr, Papa, du erlaubst? Die Frau Doktor fann ja nachkommen."

Und ehe Herr Alster, der im Augenblick garnicht aufgelegt war, sich mit Kleinigkeiten abzugeben, Zeit zur Antwort gehabt, hatte Wanda den Friz, den sie recht schwesterlich bei der Hand genommen, zur Thür hinausgezogen, und zwei Menschen sehr entrüstet über ihr Benehmen zurückgelassen die Frau Doktor Winter und den Herrn Referendar Doktor Wichtel.

" In der That ein merkwürdiger Kavalier, den sich da Ihr Fräulein Tochter auserforen hat! Der junge Mann befindet sich unsereinem gegenüber entschieden im Vortheil, seine Stelllung in der Welt, sein Bildungsgrad, seine Art, sich zu benehmen, schließen die Konkurrenz aus!" bemerkte der Referendar malitiös, als sich die Thür geschlossen hatte.

" Wollte Gott  , unsre Wanda hätte diesen jungen Menschen garnicht wiedergesehen!" seufzte die Frau Doktor Winter." Solcher Umgang fann für ein Mädchen von Bildung und Familie wirk lich zu nichts Gutem führen."

" Ach, was, Familie und Umgang!" antwortete Herr Alster brummend." Einmal und nicht sobald wieder, wollen schon dafür sorgen! Sehen Sie nur nach, liebe Winter, wo die beiden stecken, und behandeln Sie den Frizz Lauter wohlwollend, aber fühl. Er mag mit Ihnen und Wanda im Gartenhaus die Nachmittagschokolade nehmen, dann mag er in Gottes Namen wieder nach der Langenholzgasse wandern."

Wie Herr Alster gesagt, so geschah es. Wanda hatte kaum Zeit gehabt, dem Friß mitzutheilen, daß die Frau Doktor Winter und der Papa es für sehr unpassend gehalten, daß sie ihn neulich mit Du angeredet, und daß sie hätte versprechen müssen, es nicht wieder zu thun, als auch schon Frau Doktor Winter am Horizont auftauchte, um sich trotz Wanda's eifrigstem Bestreben absolut nicht mehr abschütteln zu lassen. Wanda mochte in den weitausgedehnten Garten- und Parkanlagen mit Frizz promeniren, wo sie wollte, rasch oder langsam gehn, im lauschigen Buschwinkel auf einer Garten bank sich niederlassen, oder ihr getreues Grauchen, das Rosses stelle bei ihrer Parkequipage versah, vorführen, immer feuchte die dicke Frau Doktor Winter hinterdrein und nahm theil an

1880.

[ 1879]

jedem Gespräch, es so langweilig als möglich gestaltend und Wanda und Frizz alle Freude an einander und an dem wunder­schönen Park und dem prächtigen Sonntagswetter verderbend.

So kam es, daß es Frizz wie eine Befreiung erschien, als ihm Wanda, nachdem auch die Chokolade überstanden war, die Erlaubniß gab, sich zurückzuziehen.

Am Ausgange des Gartens hatte ihn aber, garnicht zu seinem Vergnügen, der gemüthliche August in Beschlag genommen, um ihn noch einmal zu Herrn Alster zu führen, der, wie August erklärte, so gnädig sein wollte, mit ihm noch ein paar Worte zu sprechen. Der Doktor Juri wäre nicht mehr da, versicherte August wie zur Beruhigung, und wenn der fort wäre, wäre der gnädige Herr noch weit ,, vernünftiger", als sonst.

Vernünftig mochte denn der Herr Alster auch sein, aber be­sonders liebenswürdig und freundlich war er, nach Frißens Meinung, jedenfalls nicht.

Er empfing den Friß allerdings huldvoll, wie ein Fürst einen unterthänigsten Knecht, oder, besser, wie ein Kommerzienrath den jüngsten Lehrling in seinem Geschäft, der ihm etwa eine verlorne Brieftasche mit hundert Thalern Inhalt wiedergebracht hat. Er klopfte ihn auf die Schulter, nannte ihn einen auch um seine Mitmenschen bekümmerten, braven Jungen, wie man sie heut zutage im Arbeiterstande nicht oft träfe, lud ihn ein, im November desselben Jahres einmal wiederzukommen, da gäbe er, der Herr Alster, seiner Dienerschaft alljährlich ein Fest, da könne Frizz ja theilnehmen, trug ihm dann einen schönen Gruß an seine gute Frau Mutter auf und wollte ihm schließlich mit einer verabschieden den Handbewegung einen Zehnthalerschein als Belohnung dafür, daß er Wanda zuhülfe gekommen sei, in die Hand drücken.

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und lief

Frizz war dunkelroth geworden in bitterster Beschämung. Er zog die Hand zurück, nach der Herr Alster   gegriffen, als ob ihm dieser glühendes Eisen hätte hineinlegen wollen. Dann stam­melte er einige Worte er wußte selbst nicht was mehr, als er ging, zur Thür hinaus und die Treppe hinab, bei dem gemüthlichen August mit kurzem Gruß vorüber, auf die Straße.

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So war es denn dem Friß Lauter zum erstenmal in seinem Leben eindringlich genug zu Gemüthe geführt worden, daß er nur ein Arbeiter war, ein den reichen, höhergebildeten Leuten nicht ebenbürtiger Mensch den man zur Verrichtung einer be­stimmten, selbstverständlich wirklich oder vermeintlich niederen Arbeit recht gut brauchen kann, zu dem man sich, wenn er sich

V. 1. November 1879.