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Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.
№o 4.
Erscheint wöchentlich.
1880.
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In Heften à 30 Pfennig.
Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.
Dem Schicksal abgerungen.
Novelle von Rudolph von 33...... ( Fortseßung.)
In einem der Empfangszimmer des alsterschen Hauses finden wir Fritz Lauter wieder. Er stand, vorläufig ganz allein was ihm ein wenig unbehaglich war in der Nähe der großen, grüngrau gestrichenen Flügelthür.
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Der gemüthliche August hatte ihn ungemein wohlwollend empfangen: es wäre wirklich hübsch von ihm gewesen, daß er's Fräulein Wanda aus dem Wasser gezogen, und es wäre auch hübsch von ihm, daß er jetzt zum Besuche käme,- ,, wir" hätten ihn schon vor ein paar Tagen erwartet. Nun solle er nur in den kleinen Empfangssalon spaziren, es würde wohl bald jemand von den Herrschaften erscheinen. Der gnädige Herr- Herr Alster hatte, seit er Ritter hoher Orden" war, ausdrücklich von seiner Dienerschaft verlangt, daß sie ihn so anrede- ,, kon- ,, konforie" grade mit Herrn Doktor Juri, und Fräulein Wanda führe im Park mit ihrer Eselskutsche spaziren. Das letztere dauere aber gewöhnlich nicht lange.
Mit diesen Bemerkungen hatte der biedere August unsern Fritz in das beregte kleine Empfangszimmer hineingeschoben und war dann, gemüthlich grunzend, verschwunden.
Friz hatte Muße genug, sich in dem Zimmer umzuschauen. Es schien alles noch viel luxuriöser geworden zu sein in der Villa Alster , seit er als Knabe zum erstenmale diese Räume gesehen. Die Tapete des Zimmers, in dem er sich befand, zeigte eine dunkelbraune Farbe, von der sich vielfältig verschlungene Goldarabesken abhoben. Möbel, überzogen mit rothem Sammet, standen, wie Fritz meinte, außerordentlich geschickt geordnet, rings umher, dort ein mittelgroßes Sopha hinter einem ovalen, gleichfalls mit rother Sammetdecke behangenen Tische, den außer dem Sopha bequeme Fauteuils umgaben; an den Fenstern winzige Tischchen mit prächtigen Blumennäpfen und üppige Blattpflanzen drin, daneben Sessel mit und ohne Lehnen; in der einen Ede ein Damen- Schreibtisch mit zierlich geschnigtem Bücherregal darüber, in einer andern ein Ecktischchen mit einer riesigen, blumengefüllten Borzellanvase, der ganze Fußboden bedeckt mit einem weichen Teppiche, und am oberen Theile der großen Wandflächen goldumrahmte Delgemälde das war so ungefähr die Ausstattung des kleinen alsterschen Empfangssalons.
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Es mußte kolossal viel Geld zu solch einer Einrichtung gehören, dachte Friz; am liebsten hätte er sich, praktisch und wiß begierig, wie er war, gleich ausgerechnet, wie viel Sopha und Fauteuils, Teppiche und Delgemälde allzusammen gekostet haben könnten, aber er mußte sich zu seinem Mißvergnügen gestehen,
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daß er sich von dem Werthe solcher Dinge nur höchst unklare Begriffe zu machen vermöchte.
Dann zog es seine Blicke wie mit magischer Gewalt nach den Büchern über dem Damenbureau. Er wäre gern hinzugetreten und hätte geschaut, was für Werke es seien, die sich ihm in ihrem Aeußern als Meisterwerke der Buchbinderkunst präsentirten; aber das war gewiß unschicklich, überdies lag ihm an den Büchertiteln, die er da hätte flüchtig ablesen können, doch nur wenig, und mit dem Inhalt auch nur eines einzigen konnte er sich in der kurzen Zeit, die er heute hier allein war, doch nicht vertraut machen. Freilich, wem es gegönnt wäre, soviel gewiß treffliche Werke an dieser Stelle zu studiren! D, wie mußte es sich hier arbeiten, geistig arbeiten, lernen lassen! Wie froh und frei mußte sich derjenige fühlen, der in einer so vorzüglichen materiellen Situation, wie sie eine solch' luxuriöse Umgebung andeutete, nach Herzenslust und Belieben seine Kenntnisse unaufhörlich vermehren, seinen Geist zu bilden vermochte! Ein ganzer Himmel von Wünschen that sich vor dem Geistesauge unsers Friß auf. Und er war zu jung, um nicht aus dem fruchtbaren Boden seiner Wünsche sofort die Schlingpflanzen der Hoffnung üppig hervor wuchern zu sehen.
Seine rege Phantasie war schon im Begriff, sein Lebensschiff in ein ganzes Meer von Zukunftsglück hinauszusteuern, da rief auf einmal eine unangenehme, kreischende Stimme ein lautes und sehr deutliches E- sel!" dazwischen.
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Es war Friz, als ob ihm jemand unversehens einen Eimer eiskalten Wassers über den Kopf gegossen hätte! Wo in aller Welt steckte hier denn ein Mensch, der mit solchen Grobheiten um sich warf?
Ein Mensch welch' thörichter Einfall! Frizz lachte unwillkürlich laut auf. Nein, es war kein Mensch, und er, Frizz, hatte keine Ursache zu einer Injurienklage! Dort, hinter der großen Blattpflanze am Fenster saß auf einem großen, glänzenden Messingreifen ein großer, grüner Papagei, der sich anfangs vermuthlich hinter den gewaltigen Blättern der Pflanze ruhig und versteckt gehalten hatte, und es jetzt erst für nöthig hielt, seine Anwesenheit in seiner Manier bemerklich zu machen.
Frizz war mit Hülfe des schnurrigen Vogels glücklich wieder auf dem kahlen Grunde der Wirklichkeit angekommen. Auf der Stelle fiel ihm ein, daß er eigentlich schon recht lange hier allein gelassen werde. Herr Alster mochte durch Geschäfte oder sonst etwas verhindert sein, mochte sich vielleicht auch aus Lauters Friz
V. 25. October 1879.