Romantik babcil Ach bringe Sie in eine Qamilie, in der Sie Ihrem Gefühls- und Gedankenkreis begegnen werden, meine Familie, die schon auf Ihr Kommen vorbereitet ist." ,„Ich versiehe. Sie wollen hier alles verwaist lassens" JD, meine Kinder bleiben ihrer Mutter und Ihre Geschwister dem Baier. Verwaist fr waren sie bisher." „Aber die Gerichte, die Gesetze? Wenn Sic Ihre Frau verlosten und mich gleichsam—" Sie Errötete.„Wie sagt man doch in den Zei- tungsnotizcn? Entführen?" Er lächelte:„Ich bin Advokat, Fräulein Ebai" „Ja, ja, ich bin ganz unerfahren. Sie verübeln es mir doch nicht..." „Jetzt, während wir hier sprechen, sind meine Detektive daran, alles zu sammeln, was ich zur gesetzlichen Scheidung brauche. Sorgen Sie sich nicht. Ich werde alles so einrichten. Laß den beiden kein anderer Ausweg bleibt als einander zu heiraten." Er schmunzelte schadenfroh und schlug die Hände auf die Knie:„Das Gute soll belohnt ai- Lai Böse bestraft werden. Wir machen eiue Hochzeitsreise noch Grie chenland ."®r erhol sich und legte die Hände aut ihre Schultern. Eva sah vor sich hin.„Rein, es ist nicht beleidigend, daß er mir solcher Bestimmtheit annimmt, ich würde mitgehen", dachte sie. ,Lch erwarte keine Liebe", sagte er her- medergebeugt und die Spitze feines Schnurrbarts streifte ihre Wange,„aber ich weiß, daß ich sie finden werle, daß ich alles beisammen finden werde, was ich von einem Weibe wünsche. erträume. Ach Gott, ich kenne Sie ja so gurk" „Kein, es ist durchaus nicht beleidigend", sagte sie sich eindringlich. „Sie brauchen auch gar nichts von dem zu hören, was ich da sage und können irgendjemand heiraten, den Sie im Kopfe haben..." Eva stand auf. Fast hätte sie an seinen, noch immer herabgeneigten Kopf geswßen, so plötzlich und ohne Borbereitung geschah es. .Kleine Packereien, keine Toilettengeschichten; was sollt Ihnen ein?" Er hielt sic am Arm fest, weil sie sich ins Nebenzimmer gewandt hatte. „So wie ich bin?" fragte sie zaghaft. .Natürlich, nur einen Mantel herum, weil es schneit." Noch einmal blieb sie stehen.„Sie werden sich nach Ihren Kindern sehnen; auch in Griechenland ." „Ja, wie Siel Und wenn wir zurückkom- men, werden wir nicht hochmütig sein und schließen Frieden mit den Sündern, sobald sie nur mürbe sind und das Leben zu verstehen beginnen. Und dann find wir alle glücklich wie am Ende eines Märchens.. Eva fuhr zusammen. Es läutete seht heftig und anhaltend. Sie ließ da» Nachthemd fallen, das sie eben in der Arbeit hatte und eilte hinaus. „Ich stehe da gute zehn Minuten i Ich dachte schon, die Klingel sei verdorben. Wo ist denn da» Dienstmädel? Wirtschaft!" Wütend stieß der Bater den Schirm in die Ecke und warf die Tür zu. ,Lch habe drin Wäsche ausgebessert; es ist diesmal so viel zerristen und ich Ivar so in die Arbeit vertieft..." „Auch eine Arbeit!" brummte der Baier. Wenn Ihr Frauenzimmer nur einen Tag so viel zu tun hättet wie unsereins... Und er ging direkt ins Schlafzimmer. /.Zehn Minuten!" dachte Eva und nahm ..•re Arbeit zusammen, um auch schlafen zu gehen.„Sollte ich das Ganze in dem Zeitraum leit seinem ersten Klingeln geträumt haben?" Sie träumte den ganzen Lag, ob sie kochte.
nähte oder spazieren«ging. Aber in gel/n Minuten!... Und so zum Greifen deutlich, als wenn sie wirklich geschlafen hätte. Eie untersuchte dar Nachthemd. Ja, zwei große Riffe
In dem psychiatrischen Fragebogen zur Inielligenzprüfung lautet eine Frage: Welche» ist der Unterschied Mischen Lüge und Irrtum? Jeder vollgeistige Mensch von normaler Intelligenz antwortet darauf, daß die Lüge eine wiffetttlich falsche Aussage ist, während der Irrtum zwar- auch eine Unwahrheit enthält, aber unwiffentlich. Die Lüge ist aber unlösbar noch mit einer moralischen Wertung verknüpft: wiffeNtlich die Unwahrheit sagen, ist ein Unrecht." Die Schwere des begangenen Unrechts hängt von den Umständen ab. So gilt eine Lüge, die unter besonders feierlichen Umständen, unter Berufung auf Gott , die Ehre oder die Gesundheit- seiner Nächsten ausgesprochen wird, als schwere» Verbrechen und große Sünde; e» ist der Meineid oder das gebrochene Ehrenwort. Dagegen gibt et alltägliche Lügen, die im Umgang schon zu einer unvermeidlichen Notwendigkeit geworden sind, die gar nicht inS Gewicht fallen; daS sind die konventionellen Lügen. Man sagt so leicht zu jemandem:.ES hat mich sehr gefreut. Eie zu sehen!", selbst wenn es einem ganz gleichgültig, ja vielleicht ausgesprochen unangenehm war. Man unterschreibt einen Brief mit.Hochachtungsvoll", auch wenn der Inhalt des Briefes alles anderes alS Hochachtung ausdrückt. Außerdem aber gibt eS noch Formen von Lügen, die man sogar moralisch hoch, wertet. Man tröstet einen Schwerkranken über die Gefahr hinweg, indem man ihm bewußt falsche Dinge berichtet, andere Untersuchungsbefunde angibt, niedrigere Temperaturen, anderes Gewicht vortäuscht. Auch im politischen Leben gibt es Lügen, die von einem großen Teil der Menschheit als berechtigt empfunden werden. Wenn also die bewußte Unwahrheit im Dienste eines ethisch für.hochwertig angesehenen Zieles gesagt wird, dann.heiligt der Zweck die Mittel", wie der jesuitische Grundsatz lautet-' Ist also schon innerhalb der ztveifellos bewußten Lüge die Bewertung sehr verschieden, so wird das Urteil noch unsicherer, wenn man in Betracht zieht, daß es ein Ztoischengebiet gibt, in dem Unsicherheit, schlechtes Gedächtnis, rege. Phantasie, Beeinflußbarkeit durch die Umgebung und durch die Fragestellung eine wesentliche Nolle spielen. Wie oft hört man jemanden sagen, oder muß man selbst sagen:.Ich hätte schwören können, daß das so ist!" Es gibt sogar ein krankhaftes Lügen, das in der älteren Psychiatrie all.Pseudologia phantastica", als phantastische Lügneret bezeichnet wird. Diese Menschen lügen nicht, um irgendeinen Borteil zu erreichen, sondern ihre Phantasie spiegelt ihnen allerlei, meist für sie schmeichelhafte Dinge vor, die sie ausschmöcken und weiter erzählen. Sie glauben mindesten» halb und halb an ihre Phantastereien. Sie leben sich manchmal so in ihr« Erzählungen hinein, daß sie beim besten Willen nicht mehr unterscheiden können, was sich nun eigentlich wirklich zugetragen hat, und was ihrer Phantasie entspringt. Ich kannte eine große, hochbegabte Dichterin, die über ihr Borleben die seltsamsten Dinge zu erzählen wußte. Niemand, sie selbst wohl auch nicht, hätte angeben können, ob sie an shre Geschichten glaubte oder nicht; ob ihre
hatte sie daori geflickt. Befriedigt blickte sie eine Welle in» Licht, ehe sie es verlöschte. Sie be griff jetzt, daß Bücher und Erinnerungen ein Leben auSmachen können.
Phantasie mit ihr durchging, oder"ob sie einfach log. Hier war besonders deutlich zu erkennen, wie echte dichterische Phantasie in naher Berührung mit bürgerlicher Lügenbaftigkeit stehen kann. Wo die Phantasie im Spiele ist, sind schon beim Erwachsenen die Fäden außerordentlich schwer zu entwirren, aus denen ein Lügengewebe gesponnen ist. Beim Kinde liegen die Berhälmiffe noch viel schwieriger. Hier ist die Erinnerungsfähigkeit noch nicht so auSgebilbet, da» Afsektleben spielt eine viel größere Rolle, und die Bewußtheit der einzelnen Akte hat noch nicht-die Klarheit, die wir für eine moralische Bewertung einer Unwahrheit voraussetzen. Für das Kind ist viel eher etwa» subjektiv, wahr, was objektiv ganz falsch ist. Da» Kind kommt viel leichter alS der Erwachsene zu echten Erinnerungstäuschungen. Zwar hat daS Kind schon in sehr frühem Alter, wie au» den Arbeiten von William Stern besonders llar hervorgeht, die Fähigkeit, einzelne Eindrücke mehr oder weniger lange festzuhallen, e» fehlt aber noch lange die Begrifflichkeit und die richtige chronologische Ordnung. So kommt daS Kind"oft dazu, Lücken seiner Erinnerung durch Phantasiegebilde auszufüllen. Bon einer bewußten Lüge können wir ent dann reden, wenn mit der bewußt falschen Aussage die Absicht der Täuschung verbunden ist. Ferner muß diese Absicht zum Ziel Haden, sich einen Vorteil zu verschaffen oder einen Nachteil zu vermeiden. Aber abgesehen von der llnvoll- kommenheit der kindlichen ReproduktionSsäbig- keit ist auch zu bedenken, daß eine so klare Zielsetzung beim Kinde eigentlich eine Seltenheit ist. Wie eS mit allen Dingen de» Leben» spielerisch umzugehen gewohnt ist. so geht eS auch mit seinem ErinaerungSschatz spielerisch um. So sind phantastische klebertreibungen und Ausschmückungen durchaus nicht immer moralisch als Lügen zu betoerten. Eltern und Erzieher muffen sich hüten, die von Kindern gesagten Unwahrheiten mit dem Moßftabe der Erwachsenen zu messen. Die moralische Bewertung einer falschen Aussage ist im allgemeinen besonders hart, weil man von dem Kinde das Bild der reinen Unschuld bat. Der Kontrast zwischen dem häßlichen Laster des LiigenS und dem Ideal der kindlichen Unschuld ist besonder» kraß. JnMischen haben wir unter anderem aus der Psychoanalyse gelernt, daß dieses Ideal des unschuldig reinen Kindes nicht existiert. Die kindlichen Seele ist vielmehr besonders„verdorben", wenn wir an sie fälschlicherweise— den Maßstab einer Ethik der Erwachsenen legen. Das Kind bekommt erst allmählich durch die Erziehung die Hemmungen, die eine moralische Haltung auSmachen. ES ist aber dnrchau» unrichtig, diesen Maßstab anzulegen; das Kind in seiner primitiven Triebhaftigkeit ist jeuseitS des Gegensatzes von gut und böse. Sicherlich gibt ei in einem vorgeschrittenen KindeSalter echte Lügenhaftigkeit, die zu bekämpfen ist. Hüten wir uns aber davor, da» Kind in eine Skrupelhaftigkeit hineinzusteigern, in der es seine unbefangene Sicherheit verliert. Hüten wir un» auch davor, dem Kinde seine Phantasie zu nehmen, die für den Aufbau feine» Leden» durchaus wichtig ist.
Lügt das Kind? Von Nervenarzt Dr. Ernet Jolowiez