Ist bieI stärker, uiii> meine Fahrtgeschtoinvkg- leit wird geringer. Ser Wind erhebt sich wieder. ich sehe eine offene Stelle im Kliff, und obgleich ich überzeugt bin, daß ich noch 1J4 Stunden fliegen, ja, dass ich sogar nach Ca lais zurückkehren könnte, kann ich doch der-Ver- führung nicht widerstehen, auf diesem Fleck zu landen. Noch einmal wende ich meinen Aeroplan und beschreibe einen Halbkreis. Indem ich die roten Gebäude zu meiner Rechten vermeide, versuche ich, zu landen. Aber der Wind packt mich, er wirbelt mich zwei-, dreimal umher. Ich halte meinen Motor an, und sofort falle ich aus einer Höhe von 28 Metern. In zwei bis drei Sekunden bin ich munter und gesund an der Küste.' Soldaten und ein Polizist laufen auf mich zu. Zwei meiner Lands-. Teste sind auf dem Platze, die mich auf die Langen küssen." Bleriot legte die 43 Kilometer lange Strecke in 27 Minuten, 21 Sekunden zurück. Der Bezwinger der Alpen Der Kanal war überflogen. Aber drohend und hemmend stellten sich zwischen Länder die Berge, eisbedeckte Riesen. Bei dem damaligen Entwicklungsstadium der Aviatik schien es ein wahnwitziges Unterfangen, die Alpen mit einem Flugzeug zu überqueren. Niemand glaubte so recht an die Möglichkeit. Aber eines Tages wurde da§ Projekt aufgerollt. Debatten hin und her. Warnungen. Piloten meldeten sich.»Wir schaffen es!" Unter diesen Piloten befand sich Geo Chavez , ein Peruaner. Prächtiger, tollkühner Bursche, Mensch mit Humor, abgeneigt jeder Protzerei. Die Mailänder veranstalteten in der zweiten Hälfte deS Septembers 1810 ein Flugmeeting, dessen Hauptpreis dem Flieger zufallen sollte, dem es als ersten gelänge, die Alpen zu überfliegen. Startort: Brig . Ziel: Mailand . Zwischenlandungen in Simplonkulm, Domodoffola, Stresa und Barese waren gestattet. Der Beginn der Flugveranstaltung stand unter dem Zeichen der Zänkerei. Die italienische Presse kritisierte die Schweizer Flugleitung. Es gab ein Startverbot und einen regelrechten Streik der Piloten, Prügeleien zwischen Managern und Polizisten. Aber allmählich glätteten sich die Wogen der Erregung. Die Fremden, die am ersten Flugtag nach Brig gekommen waren, bekamen nicht viel zu seihen. Auf dem Flugplatz herrschte die Ruhe eines Friedhofes. Piloten, Manager, Zuschauer... alle waren verärgert. Gegen Wend trat Chavez aus seinem Hangar, las die Meldungen der Metereologen und blickte hinauf zu den schneebedeckten Gipfeln der Berge. Wann er zu starten gedenke? Chavez steckte die Hände in die Taschen.»Morgen früh!" sagte er kurz. Und der Morgen kam. Die Windverhältnisse waren günstig. Leichter Nebel, Wolken, die bald verflogen. Chavez und der Amerikaner Weymann prüften ihre Maschinen. Das Gewitter der Propeller donnerte aus dem Tal empor. Um 6 Uhr 16 Minuten startete der Peruaner. Sein Blerioi-Eindecker schraubte sich langsani in die Höhe. Ein winziger Bogel, der gegen die Macht der Berge anrann. Wird er es schaffen? Niemand kennt die Windströmungen über den Bergen. Aber jeder weiss, dass es dort zwischen den Gletscherspalten Böen gcht, tückische Winde. Jeder weiss, dass eine Landung zwischen Brig und der Passhöhe, zwischen steilabfalknden Schluchten, den Tod bringen muss. Chavez' Maschine ist nur noch ein kleiner Pir ist am Himmel. Mit einen« Male macht sie eine Schwenkung und nimmt Richtung auf die Simplonstrasse. Chavez ist verschwunden. Eine unglcheure Spannung bemächtigte sich aller Zuschauer. Ran blickt auf die Uhr, debattiert: 18 Minuten sind seit dem Wflug Chavez' vergangen. Plötzlich Ausrufe der Verwunderung, der Enttäuschung.»Da oben! Da oben!" Es ist kein Irrtum mehr möglich— Chavez ist zurückgekehrt. In steilem Gleiiflug gcht er zu Boden, erschöpft taumelt der Eindecker Wer die Wiese. Alle Menschen stürzen auf Chavez zu. Der sitzt regungslos, erstarrt in seiner Maschine. Er öffnet die Lippen, aber er kann nicht sprechen. Man hebt ihn ans seinem Sitz, reibt ihm die Glieder. Was sagt er? Alles ist still und blickt auf den Piloten.»C'est terrible! C'est terrible!" Nichts weiter sagt er. Chavez hatte den Simplonflug aufge- geben, weil er in einen Wirbelsturm geraten war, weil er den Apparat nicht bändigen konnte. »Unter mir waren schwarze Abgründe und ein Felsenchaos. Meine Maschine bäumte sich, sackte weg, es war ein unerhörtes Taumeln zwischen den todbringenden Felsenwänden." »Also ist der Flug unmöglich?" Der Peruaner beisst die Zähne zusammen.»Nichts ist unmöglich, nichts!" Und dann schüttelt dieser kleine, stierende Mensch die Faüft gegen die gewaltigen Berge.»Und ich kriege sie doch!" An den nächsten Tagen unternahmen der Amerikaner Weymann und Chavez einige kürzere Probefluge. Aber ost regnete es. Die Fremden reisten ab. Niemand glaubte mehr an einen Flug über die Alpen . Siegen, Regen, eisige Kälte. Die Flugwoche geht ihrem Ende entgegen. Am 23. September— das Weiter hatte sich etwas aufgeklärt— raste Chavez mit seinem Auto auf den Nugplatz. Das war 1781. Damals war ich fünfundvierzig. Jetzt werde ich sechSundsiebzig. Das ist eine lange Zeit. Einunddreihig Jahre. Wie der Georg, mein Sohn, weggegangen ist, wollt ihr wissen? O, eine Mutter vergisst nie, wie sie den Sohn hergibt. Run, das war so: Ich sitze im Zimmer. Die Tür ist gegangen. Sie gibt solch einen langen Pseiston von sich. Da weiss ich ganz genau: Die Tür ist gegangen. Jemand stürmt ins Haus. Das wird der Junge sein denke ich. Einundzwanzig! Wohin soll er mit seiner ungestümen Kraft? Ta ist er. Ich schaue aus ihn und freue mich an seinem Anblick. Aber dann erschrecke ich: Junge! Was sst denn? Mutter! sagt der Junge, ich muss fort. Schnell pack mir den Schnappsackl In der Nacht noch muss ich über der Grenze sein.— Ja, weshalb denn? frage ich und bin aufgesprungen. Und der Junge steht vor mir und in den Augen hockt die Lebensangst.— Ja, um Gotteswillen! Was ist denn geschehen, rufe ich. Aber der Georg hält die Hand der Mutter auf den Mund: Mutier, du darfst nicht laut sprechen. Ich werde verfolgt.— Und da meine ich, ich weiss schon alles, aber der Junge fängt an wie Espenlaub zu zittern. Du kannst so nicht fort, sage ich, aber der Georg wird wild: Das ist nichts. Sie haben mir einen Schlag über den Kopf gegeben. Wir sitzen unter der Linde und sprechen. Bahrhastig! Wie uns der Schnabel geloachsen ist. Sind wir Duckmäuser? Also! Ist tS besser unsere Gedanken zu verbergen, als sie herauszusagen, wie sie sind? Der Peter Knmier sagt: Meinst du, sie können die Gedanken in alle Ewigkeit nnlcrdrücken? »Ich fliege!" schreit er.»Jetzt oder nie!" Schon sitzt er in der Maschine, ein letzter Händedruck, Chavez' bleiches Gesicht spannt sich. Roch einmal winkt er zurück, dann schiesst die Maschine in die Höhe. 1888 Meter, 2888 Meter... Unter stehen die Menschen und starren in die Höhe, ihre Herzen schlagen wild.»Glückab, Chavez!" Auf' Simplonkulm stehen Bergsteiger. Plötzlich hören sie ein Brummen in der Luft. Chavez fliegt über sie hinweg. Fliegt hinweg über die Berge und Schluchten. Er streift beinahe die Felsen des Seehorn. Der Eindecker schtvankt. Chavez sieht die grüne Fläche von Varzo . Er tanzt zwischen den Felsen des Pizzo d'Albione, er tanzt am Tode vorüber, er wird in der Hölle umhergewirbelt. Er fliegt, fliegt über die Alpen , bezwingt den Simplon. Domo- dossola taucht auf, saftiges Grün, Häuser, siegverheissende Oase in der Steinwüste. 42 Minuten nach seinem Aufstieg in Brig setzt Chavez zur Landung an. In Domodossola jauchzt ihm alles entgegen. 888 Meter, 280, 88 Meter. Chavez befindet sich dicht über dem Boden, plötzlich überschlägt sich die Maschine, Holz splittert, Menschen schreien. Blutüberströmt liegt Chavez unter den Trümmern seines Eindeckers. Im letzten Augenblick, mitten im Rausch des Sieges, schlägt eine furchtbare Faust Chavez zu Boden. Dunkle Wolken ziehen über die Berge. Und als man Chavez' zerbrochene Glieder auf die Tragbahre legt, da richtet sich dieser bleiche Mann hoch.»ES war furchtbar!" röchelt er.»Aber ich habe gesiegt, liebe Freunde!" Wenige Tage später starb er im Krankenhaus.»Ich will nicht sterben!" schrie er. Wer er starb. Starb den bitteren Tod nach denr Siege. Meint ihr, dass nicht einmal alle Rechte haben werden, wie die grossen Herren? Das wird wahrhaftig ein anderes Leben sein. Da wird sich erst erweisen, was für eine Kraft im Volk steckt. Der Schreiber Kraus erhebt sich, tut wie eine gewichfige Amtsperson: Knauer, befleissige er sich eines gemässigten Tones. Es ist alles ss> gut, wie es ist. Es muss Herren geben, es muss Diener geben. Und es muss Beherrschte geben.— Der Peter sieht ihn von der Seite an: Schau! Echan! Er! Erl Haben wir nicht mit unseren Hosenärschen die gleiche Schulbank gedrückt, wie? Er! Ist er eine rätliche Schreiberseele geworden, die alles für gut befindet, wie es einmal ist? Wenn „er" ein Speichellecker geworden ist, so ändert das nichts an der Tatsache, dass diese Erde und diese Luft und diese Sonne für uns alle da ist, merke„er" sich das!— Puterrot ist diese Schreiberseele geworden: Ich werde Mitteilung machen. Man ist dankbar für solche Mitteilungen.— Ich weiss, hat der Peter geantwortet, jede Blattlaus ist ein Spitzel, damit nur ja kein Wörtlein ungehört verhallen kann. And. dn, Mensch, du willst also hingehen und mich anzeigen? Damit ich wieder einem Verhör unterzogen werde, wie neulich? Hast du vielleicht auch da deine sauberen Hände im Spiel gehabt? Du! Aber diesmal sollst du ihnen Beweise liefern können. LoS, Jungens, das sind die, die die Freiheit töten. Das sind die Schufte, die uns bespitzeln.— Ja, und da haben wir das Burschlein genommen und verprügelt, aber nur die Der Flüchtling
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18 (5.3.1938) 10
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