-

Fleidungsindustrie beschäftigt in Deutschland   von allen Industrien die meisten Personen.

Die Zahl der hier in Betracht kommenden Rohstoffe ist gering, ihre Bedeutung im einzelnen aber um so wichtiger Sie gehören wie Baumwolle und Flachs dem Pflanzenreich, Wolle, Seide und Leder dem Tierreich an. In älteren Zeiten haben wir den Bedarf an den erforder­lichen Rohstoffen in der Hauptsache im Inlande selbst er­zeugt. Im Laufe des letzten Jahrhunderts ist aber teils wegen des Rückganges der heimischen Erzeugung, teils wegen dem mit der Bevölkerungszunahme und dem zu­nehmenden Wohlstande steigenden Bedarf die Abhängigkeit vom Ausland immer größer geworden. So wurde mit dem Rückgang der heimischen Schafzucht die Wollerzeugung immer mehr vermindert, sodaß Deutschland   in der Haupt­fache auf die Einfuhr der Wolle aus Australien  , A gen­tinien, den Vereinigten Staaten   von Amerika  , and angewiesen wurde. Nicht minder verringerte sich mit dem Sinfen der Preise der Anbau von Flachs und Hanf, dem Rohmaterial der Leinenindustrie, und Ruß­ land   trat an die Stelle der heimischen Erzeugung. Die Seide haben wir von jeher aus andern Ländern, wie Italien  , weiterhin auch aus China  , Japan  , Ostindien und der Türkei   bezogen. Die schon im 18. Jahrhundert unternommenen Versuche, die Seidenraupenzucht in Deutschland   heimisch zu machen, scheiterten hauptsächlich an der Schwierigkeit, den Maulbeerbaum, der in seinen Blättern die Nahrung der Raupen liefert, bei uns an­zupflanzen. Wohl aber ist in Deutschland   eine ziemlich bedeutende Kunstseidenindustrie hervorgetreten, deren Er­zeugnisse jedoch den Vergleich mit dem edlen Erzeugnis der Seidenraupe nicht aushalten. Ganz besonders ist es nun aber die Baummelle, die immer mehr neben den anderen Tertilstoffen herangezogen wird. Während vor hundert Jahren auf den Kopf der deutschen   Bevölkerung nur ein halbes Pfund Baumwolle verbraucht wurde, war der Anteil furz vor dem Kriege auf fünfzehn Pfund pro Kopf, also um das Dreißigfache, gestiegen. Als Be­zugsländer kommen hier vor allem die Vereinigten Staaten   von Amerika  , Ostindien nebst anderen asiatischen Ländern und Ägypten   in Betracht. Und selbst die Häute, von denen unsere heimische Viehschlachtung ja große Mengen liefert, mußten als Ergänzung hierzu aus Süd­amerifa und Ostindien herangebracht werden, um daraus Leder, namentlich für die Schuhe, herzustellen.

Diese starke Abhängigkeit vom Auslande, die sich übrigens in ähnlicher Weise auch bei unseren Nachbar­völkern bemerkbar macht, war namentlich in den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege sehr groß geworden. Es ist deshalb auch nicht zu verwundern, wenn während des Krieges unsere Abschließung vom Weltmarkt nicht nur die Ernährungsfrage, sondern fast mehr noch die Bekleidungsfrage so ungeheuer schwierig machte, so daß man für einzelne Zwecke schließlich sogar zu dem Papier als Rohstoff überging. Man könnte nun freilich fragen, ob es nicht möglich sei, die nötigen Rohstoffe wieder, so wie früher, hauptsächlich im Inlande zu er­zeugen. Manche Bestrebungen gehen ja dahin, denen wir vollen Erfolg wünschen. Aber bei dem großen Bedarf werden wir es wohl nie dahin bringen, daß Deutschland   diesen je wieder auch nur zu einem beträchtlichen Teile selbst deckt. Um so mehr müssen wir in unserer gegenwärtigen be­drängten Lage suchen, im Stoff­verbrauch uns nach Möglichkeit einzuschränken und sparsam zu

10

-

wirtschaften. Der Vergleich mit der Ernährungsfrage zeigt uns, daß man hier noch mehr als in Bekleidung und Wohnungsausstattung von lebenswichtigen" Erzeug­nissen sprechen muß. Zwar fann man auch in der täg­lichen Nahrung viel überflüssigen Lurus treiben, gerade so wie in der Kleidung. Aber ein gewisses Maß von gehaltvoller Nahrung verlangt nun einmal der mensch­liche Körper, wenn er widerstands- und leistungsfähig bleiben soll. In der Kleidung und Wohnung seinrichtung können wir jedoch besonders dadurch sparen, daß wir uns nicht scheuen, unmoderne und abgenugte Stoffe weiter zu verwenden. Die Aufgabe der Hausfrau und ihre Ver­antwortung, das Notwendige von dem Angenehmen und dem Erlangbaren zu unterscheiden, ist daher hier weit größer als in der Ernährungsfrage, wo ihr die Wege viel genauer vorgezeichnet sind. Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein". Das Schöne", das uns über die Nüchternheit und Schwere des Alltags hinausheben soll, darf auch in Kleidung und Wohnung nicht fehlen. Es wird schon viel gewonnen sein, wenn die deutsche Hausfrau nicht mehr glaubt, daß Wechselvolles und Schönes anbedingt eins sind; wenn sie den Sinn für Haltbares, Zweckmäßiges und Gediegenes wieder erlangen wird. Dann wird sie auch dahin kommen, neues nur an zuschaffen, wenn es notwendig ist und wird so die Be­schaffung von Kleidung und Wohnungseinrichtung in Einklang bringen mit einer haushälterischen Wirtschafts­führung wie sie unseren Großmüttern selbstverständlich war, und wie unsere harte Zeit sie heute von jeder ein­zelnen deutschen   Hausfrau und Staatsbürgerin von neuem fordert.

II. Die Stoffe im Haushalt.

A Wie es heute mit allen Dingen des täglichen Bedarfes ist, so müssen wir auch beim Verbrauch der Stoffe ganz anders rechnen als in den Zeiten vor dem Kriege. Früher kam es tatsächlich nicht darauf an, ein viertel Meter oder gar einen halben mehr von einer Sorte Stoff zu faufen. Heute zwingen uns die um das Zehn- und Mehrfache höher geschraubten Pre.se, mit Zentimetern zu rechnen. Die gegenwärtige Moderichtung kommt dem Bedürfnis nach knapper Berechnung entgegen, in dem sie den engeren Rock und immer noch das sparsame Kittel fleid bevorzugt. Während des Krieges störte man sich bekannt lich nicht an Stoffknappheit; man verschwendete in den modis schen Kreisen in wahnwißigster Weise kostbare Stoffe, weil bis vier Meter weite, womöglich im Serpentinschnitt berarbeitete Mäntel und Röcke ,, modern" waren. Der rundgeschnittene Rock ist mit seinen schrägen Nähten das übelste und Unrationellfte, was man sich denken kann. Die Hausfrau sollte bei der Schneiderin oder wenn sie selbst schneidert, bei sich Bedacht darauf nehmen, nicht zu viele schräge Nähte anzubringen. Es lassen sich bei schweren Röcken gut tiefe Falten legen, forg fältig absteppen und dergleichen mehr. Leichte Stoffe, Seiden­und Sommerstoffe vertragen stets das Kräufeln und Einziehen. Vor allem soll man niemals die Kinderkleider rund schneiden. Die schmächtigen Mädels vertragen fast alle krause oder in Falten gelegte Röcke, vor allem aber das ganze Kleidchen im Kittelschnitt. Taß man ein solches Kleidchen am besten aus Wollstoff, wenn man fann, aus Samt herstellt, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ganz dünne Stoffe darf man nicht so

Altägyptischer Webstuhl

berarbeiten, und deshalb muß man beim Einkauf davon mehr berechnen als bei diceren. Die Sparsamteit darf nicht dazu führen, auf Kosten des schönen Aussehens geübt worden zu sein; und ein Restchen zum Flicken tut immer not, ganz besonders an Jungenssachen. Ein Hosenboden ist schnell zermeßt.

In früheren Zeiten berechnete man für ein Frauenhemd zweieinviertel bis zweieinhalb Meter Hemdenstoff. Jetzt geht sogar schon die Industrie dazu über, aus zwei Mctern das Hemd zu verarbeiten, nämlich die Achseln anzustücken mit Resten, die sich aus den schrägen Nähten ergeben. Das braucht nicht auf Kosten des guten Aussehens geschehen; es lassen