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15. November

Die Frau und ihr Haus

Zeitschrift für kleidung Gesundheit Körperpflege und Wohnungsfragen Die Heimat auf dem Lande

Beilage zur

Heimkultur

Von Marie Kröhne, Berlin  .

Wer Pestalozzis Leben und Wirken kennt, wird wissen, daß er sein ganzes Leben in den Dienst des Volkes und namentlich der Kinder des Volkes stelte. Er schuf den Heimatlosen Bu flucht, Heimat, Bildungs- und Arbeitsstätte in seinen vers schiedenen Anstalten. Dabei gewann er die Erfahrung, daß die Güter des Lebens und der Kultur vou der Wohnstube ausgehen, dort gepflegt und von dort weiter verpflanzt werden. Damit legt er einen großen Teil der Lebens- und Kulturauf­gaben in das Bereich der Frau. An uns Frauen ist es in der Tat noch heute, aus dem Zuhause eine Quelle der Kraft zu schaffen. Lebenskraft, Arbeitskraft, Liebestraft sollen hier ihren Ursprung, ihr Vorbild, ihre ständige Erneuerung haben. Während des Krieges

Haben wir gesehen, wie start die Mängel der Umwelt, d. h. beson­ders des häuslichen Lebens, zur Ver­wahrlosung führten; keine Massenspeisung, kein Kindergarten und hort, feine Fürsorge erziehungsanstalt

er

sezte den Benachteiligten der Kriegszeit den Wert des Hauses und des Familienlebens.

Die am längsten dau­

ernden und am meisten fühlbaren Kriegsfolgen bestehen in der Woh nungsnot. Ihre Behe bung ist aber nicht aus. schließlich eine Raum­

und Kostenfrage. Was

rum wehren wir uns ge gen billige Behelfsbau. ten, Baraden, Zwangs­einquartierung? Weil wir solide Verhältnisse schaffen wollen, weil uns fere Jungverheirateten ihr eigenes Reich haben wollen, das sie sich nach ihren ganz besonderen Arbeits- und Lebensums ständen einrichten, weil die Familien für sich" sein wollen. Gegenüber der Unruhe und Un­

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Gleich he i

sicherheit der heutigen Zeit bedürfen wir des festen und frucht baren Bodens, wo in der Stille Leben wird und wächst, wo die Jugend, die ins Weite schweift und einem grenzenlosen Meer von Erscheinungen sich öffnet, immer wieder ihren alt findet, und wo jeder von den Anforderungen der Arbeit und der Außenwelt start beanspruchte Sammlung, Erholung und Förderung findet.

Diese Bedürfnisse hauptsächlich muß die Wohnung erfüllen. Sie ist nicht nur Obdach und Aufenthalt zum Essen und Schlafen und darf nicht notdürftig hergerichtet sein für neben­sächliche oder unwichtig erscheinende Dinge. Sie muß zum Heim und Heimatboden für alles innerliche, eigene, persönliche Leben werden, ohne das nachhaltige Wir tungen nach außen und für die Gemeinschaft des Volkes nicht erwartet werden können.

Wir Frauen fassen die Pflege des Heimes, selbst bei außer­

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205. Novemberabend.( Siehe Seite 86.)

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häuslicher Erwerbss tätigkeit, am besten als Lebensaufgabean, und in dem Maße, wie uns dabei das Walten im Hause zur Lust und Kraft wird, hat solches Walten zugleich für die Erziehung der Kinder die Wirkung, die das Beispiel froher Tätigkeit für geliebte Menschen immer haben muß: solcher ,, Geist" des Hauses strömt über in die jungen Seelen.

Pestalozzi erzog seine Heimkinder durch An­schauung und Arbeit, b. h. die uns umgeben­den Dinge müssen zur Lehre und Erziehung ge eignet, nämlich vorbild. lich, brauchbar und zweck entsprechend sein, und wir müssen die Dinge des täglichen Gebrauchs möglichst erarbeiten, we nigstens mit ihrer Her stellung und ihrem Stoff­u. Formenwert vertraut fein u. in ihrem Gebrauch die Grundsätze der Wirts schaftlichkeit, Schönheit, Echtheit und Dauer­haftigkeit üben, um zu gleich Tugenden und Lebenskräfte zu stärken.