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2 Die Heimat auf dem Lande B

Bolkslieder aus dem Oldenburger Lande

Von Emil Bleitner, Oldenburg  .

Wie überall, so ist auch im Oldenburger   Lande die Heimat bewegung im erfreulichen Fortschreiten begriffen. Der Süden des Landes, das sogenannte oldenburgische Münsterland, ist erst im Jahre 1803 mit dem alten Herzogtum vereinigt worden. Es hat sich ihm nicht leicht angeschloffen. Ein weiter Heide. gürtel trennte das alte Gebiet von dem neuen. Was in biesem Teile Deutschlands   an Eigenart in Brauch und Sitte noch erhalten ist, das ist jetzt vor dem Untergange bewahrt und wird liebevoll gepflegt.

Dahin gehören auch Reigen und Tänze, die früher am Pfingsttage in der kleinen Stadt Vechta   üblich waren, daun aber der fortgeschrittenen" Beit zum Opfer gefallen find. Jeht erhalten sie neues Leben. Die Stadt Vechta   ist gewissers maßen die Hauptstadt des oldenburgischen Münsterlandes. Sie hat eine reiche und bewegte Geschichte, und ihre Bürgerschaft hat in früheren Beiten unter der Herrschaft der geistlichen Herren mancherlei Gutes genossen und ein wohlberechtigtes Selbstgefühl entwickelt. Aus dem Mittelalter stammte auch die Einteilung der Nachbarschaften" in denen die Bürger be stimmter Straßen vereinigt waren, einander als gute Nachbarn beizustehen. Alljährlich am Pfingsttage tam man nach guter alter Art zusammen bei Bier und Branntewein", um die Rechnungsablage entgegenzunehmen. Dann waren Taue über die Straßen gezogen, und an diesen Tauen schaukelten sich Kronen, die mit Blumen, Grün und farbigen Bändern ver ziert waren. Unter der Krone aber tanzten Kinder und Er. wachsene den Reigen und fangen alte Lieder dazu. Näheres über diesen Beauch hat wohl zuerst Pastor Willoh- Vechta weiteren Kreifen mitgeteilt( in der zweiten Auflage von Straderjans Aberglauben und Sagen"). Wenn er aber glaubt, daß man die uralten Lieder" nur in Bechta kennt, so irrt er. Es handelt sich um vier Lieder, von den nur eins plattdeutsch ist; wie dann im deutschen   Norden das hochdeutsche Lied früh geitig Eingang gefunden und das plattdeutsche verdrängt hat. Dies plattdeutsche Lied ist ein Wechselgesang zwischen Knabe und Mädchen. Die letzte Strophe fingen beide gemeinschaftlich: " Jungfer Liesten streďt de

Schullern up,

Wat magse denn woll willen?"

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Wenn id denn nich reden braff,

So mot id swiegen stille."

,, Wo stah idk hier, wo stab ick da,

Wo stah't an allen Ranten  ?"

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Bin id jo nich schön genog,

Also friet' n andre.

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,, Sieh da, dat is mien rechte Hand, Schöne Jungfern prief' ic"

" Beide möten wi danzen,

Danzen möten wi beide."

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Unter den Liedern ist auch ein geist­liches, Die zwölf heiligen Zahlen". Es ist ursprünglich aus einem alten Hebräischen   Osterliede entstanden, das am Abend des Bassahfestes vom jüdi schen Hausvater gebetet wurde. Von diesem Osterliede gab es schon im 16. Jahrhundert eine lateinische Nach dichtung. Es hat sich dann mit ver breitet. Man hat es nachgewiesen in Böhmen  , im Untertaunuskreise und in Flandern  . Die Vechtaer   Fassung deckt sich fast wörtlich mit dem Text, den Erf in seinem deutschen Lieder hort  " mitteilt, und bei dem er bemerkt: Jm ganzen Münsterlande bekannt, 1859 am Abend des Lambertusfestes gesungen". Die erste Strophe der Vechtaer   Fassung lautet:

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Guter Freund, ich frage dich,

-Bester Freund, was fragst du mich?

Sag mal, was ist eine?

Einmal ein ist Gott   allein,

Der da lebt, der da schwebt

Im Himmel und auf Erden.

In den folgenden Strophen werden auf die betreffenden Fragen genannt: zwei Tafeln Mofis, drei Patriarchen, bier Evangeliften usw.

Die beiden anderen sind Tanzlieder, die an andere deutsche  Volkslieder antlingen. Wir sehen eines davon hierher; Heute wollen wir Hafer mähen, Morgen wollen wir binden. Wo ist denn der Liebste mein? Wo soll ich ihn finden?

Gestern abend sah ich ihn

Wohl unter einer Linden.

Dies und das und dies ist mein, Das soll mein Herzliebster sein. Tanzen wollen wir beide,

Beide wollen wir tanzen.

So ziehen uralte deutsche   Boltslieder in wechselnder Gestalt durch das deutsche Land. Wo man sie antrifft, da soll man fie hüten und pflegen und Sorge tragen, daß sie ihre eigen artige Form in Wort und Weise bewahren.

Der Maibaum, ein Brauch aus Altbayern  

Wenn der Föhn Wald   und Flur befreit hat und die brei Gisheiligen, der Bankraz, der Servaz und der Bonifaz mit borüber sind, so freut sich alles in so einem Bauerndorf. Da stellen dann die jungen Burschen im Dorfe eines Abends einen Maibaum auf, schmücken ihn mit Tannengrün, bunten Bän dern, weißblauen Fähnchen und Figuren, welche manchen Burschen oder manche Dorffee mit derbem Spott verfolgen. Am nächsten Morgen entdeckt dann die Schuljugend den Baum, tollt um ihn herum, bis die Mädels vor den wilden Buben Reißaus nehmen. Am Abend aber kommen die jungen Paare zu tanzen bei Ziehharmonika und Zither, bis der Wirt dem frohen Zechen und Tanzen ein Ende macht. Der Krieg hätte beinahe diesem schönen Brauch ein Ende gemacht, waren doch bier Jahre die jungen Leute fort. 1920 jedoch sah man wieder überall die schönen Maibäume.

Briefkasten

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In unserer Zeitschrift ist in letzter Zeit viel von ländlicher Heimarbeit gesprochen worden. In unserem Dorfe( Rheinproving) möchten einige junge Mädchen so gerne Näh- und Schneider­furse haben. Kann Die Frau und ihr Haus" uns raten, wie solche Nurse auf dem Lande wohl einzurichten wären? Eine Leserin vom Lande. Antwort. Am besten ist es natürlich, wenn solche Kurse von ein­etwa von heimischen Personen der Lehrerin des betreffenden Ortes, bon Kloster oder Gemeindeschwestern geleitet würden, oder von einer geeigneten Persönlichkeit des benach barten Dorfes. Jst hier wie dort niemand im neuzeitlichen Schneidern genügend bewandert, dann wendet man sich am besten an den nächsten größeren Ort. Die Kreiswander lehrerin des betreffenden Landfreises wird in manchen Fällen eine geeignete Vermittlerin sein können, oder aber ein Verein, der sich mit ländlicher Wohlfahrt befaßt oder eine Schule.

GKR

Der Maibaum, ein Brauch aus Altbayern  .

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Von einer eigenartigen Ein richtung hörten wir im Hessischen. Da hat ein Geschäftsmann, der Schneiderartikel verkauft, eine her borragend tüchtige Schneiderin an gestellt, die zugleich Kunstgewerb. lerin ist. Sie reist vier Tage der Woche aufs Land und unterrichtet in den umliegenden Ortschaften. Selbstverständlich müßten alle Handarbeitskurse im neuzeitlichen Sinne geleitet werden: neben guter Nähtechnik muß die Anfertigung ge sunder, schöner und wirtschaftlich zwed mäßiger Kleidung gelehrt werden. Die Schriftleitung von Die Frau und ihr Haus" ist gern bereit, durch sachliche Anregungen jeder Art, Vermittlung guten Lehrmaterials usw. die länd lichen Kurse zu unterstützen. Die Schriftleitung.