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Kinder, auf unsere weitere Umgebung achten; den geschnürten Körper vom ungeschnürten unterscheiden lernen, die starre Un­beweglichkeit des ersteren ablehnen und für den frei sich be= wegenden Körper nach immer größerer Schönheit streben. Und wo finden wir unsere Vorbilder? Jm täglichen Leben werden sie uns leider noch wenig geboten. Aber die Kunst schenkt uns diese Vorbilder. Unser Titelbild zeigt uns eine föstliche Jugend, die im freien Spiel des Körpers herrliches Lebensgefühl genießt ein Anblick der den Sehenden" mit Entzücken erfüllen muß. Und in unseren beiden Abbildungen griechischer Plastik sehen wir die edle Form und Bewegung des erwachsenen Körpers, dessen Muskelspiel niemals eine beengende Sleidung störte.

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Die Abbildungen aus der alten griechischen Kunst bedeuten nicht, daß wir heute etwa ähnliche Kleidung anlegen sollten ( obschon wir manches dabon lernen könnten!). Das heutige Kittelkleid und das Dirndlkleid, jene alten deutschen Kleid= formen, erfüllen wohl den Zweck, dem Körper freies Spiel zu laffen, wie wir bei unseren beiden jungen Mädels, von denen oben die Rede war, gesehen haben. Aber das wollen wir uns von den schönen alten Bildwerken zu eigen machen: das Streben nach edler Form und reiner Bewegung des Körpers. Das geht nicht ohne Arbeit und täglich erneute Willenskraft ab. Denn wir wollen es ruhig aussprechen durch un­geeignete Kleidung und mangelnde Übung sind unsere Körper um den alten entartet. Wir müssen also täglich turnen griechischen Ausdrud zu gebrauchen: Gymnastik treiben. Unsere Abbildungen oben zeigen einige gymnastische Übungen. Sie sollen einen Begriff geben, wie die übung die Muskeln des Körpers anspannt, und wie der richtige Gebrauch der Muskeln eine ebenmäßige und reine" Form hervorbringt. Diese reine Form ist zugleich die gesundheitsgemäße; denn durch sie werden die Funktionen des Körpers wie Atmung, Plutzirkulation in der richtigen Weise gefördert.

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Wer nun aber die gymnastische Übung schön" ausführen fann, wer in ihr immer mehr förperliches Können, förperliche Straft entfaltet, der wird auch in der Bewegung des täglichen Lebens. Beherrschung, Ebenmäßigkeit und Schönheit zeigen. Und das Streben danach ist keineswegs Eitelkeit, wie das Tun der Modedame, sondern Pflicht gegen uns selbst und gegen die, welche nach uns kommen werden. Wir Mütter von heute werden uns als Pioniere fühlen müssen für ein neues Sehen und für einen neuen Menschen, der körperlich schöner sein wird, als wir selbst.

Bewegung übt einen wohltätigen Einfluß auf die Willenstraft und Selbstbeherrschung des Nerven schwachen aus; sie weckt ihn auf und bringt ihn wieder zu Dr. Kellog. sich selbst.

Auf dem bevölkerungspolitischen Kongreß der Stadt Köln  ( Mai 1921) durfte eine Kundgebung für die körperliche Ausbildung nicht fehlen. Es fand eine öffentliche Versammlung des Stadtamts für Jugendpflege und Leibesübungen statt. über die große Bedeutung des Turnens und des Sportes, gerade heute, wo das Dienstjahr des Mannes abgeschafft worden ist, sprach Kreisarzt Dr. Hiltmann- Sterkrade. Die städtische Hauptturnlehrerin Thurm- Krefeld, behandelte die Notwendig feit von Turnen und Sport auch für Frauen und Mädchen. Turnerische Darbietungen von Männerturnvereinen am Barren und Red waren in der Eleganz der Belegung reif für die

öffentliche Schaustellung. Mehr noch auf die Schönheit der Körperform wiesen die Freiübungen einer Frauenriege des technischen Seminars der Stadt Köln   hin. Hier war ein " Hauch jenes griechischen Geistes" zu verspüren, der den ganzen Menschen hinnimmt; der die Gymnastik nicht allein als Bewegung des Körpers auffaßt, sondern zugleich als eine Bewegung des Gemütes und der Seele, welche Empfindungen bon Schönheit und Freiheit und Aufwärtsstreben auslöst.

Eine ,, Tanz" schule von heute

Vor etwa zwanzig Jahren tam eine Frau aus Amerika  herüber, die sich viel mit griechischer Kunst beschäftigt und erfannt hatte, daß die Menschen, die diese Kunst darstellt, fchöner und freier waren, als die Menschen von heute; daß wenn sie sich bewegten im Wandeln, im Spiel und im Tanz, der Anblick diejenigen hatte erfreuen müssen, die es fahen. Diese Frau war Isadora Duncan  . Von ihr ist dann die Er­fenntnis weiter gegangen, daß es besseres gibt, als ödes Ballet und moderne Tänze mit häßlichen oder gemeinen Bewegungen. Es tamen dann eine ganze Reihe von Tänzerinnen", die mehr oder weniger den Spuren Isadora Duncans folgten. Isadora   hatte aber eine Schwester, Elisabeth. Diese wollte, daß das, was Jsadora gedacht und gefühlt hatte, nicht ver loren gehen möchte. Und so nahm sie Kinder zu sich, die sie ausbilden ließ zu allem Guten und Schönen und die sie körper­lich zur Freiheit und zur Beherrschung erzog. Der Körper sollte das Instrument werden, um Jubel und Freude und Innigfeit und Schmerz auszudrüden so, wie früher, in ur­alter Zeit, einmal förperliche Handlung, förperlicher Rhythmus, Ausdruck von Weihestimmung gewesen, die sogar mit der religiösen Feier eng verbunden waren.

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Die Schule von Elisabeth Duncan   hat durch den kürzlich verstorbenen Karl Ofthaus in Hagen   i. W. ein Heim gefunden. Wenn die jungen Menschenkinder dieser Schule vor die Öffentlich­feit treten, wenn sie ihre Reigen zu deutschen Bollsliedern, ihre deutschen Tänze tanzen, dann empfindet der Zuschauer in dieser Darstellung des menschlichen Kör­pers etwas früher nicht gekanntes, etwas reines und sittliches, etwas, das erhebt und beglückt und das die Menschen besser machen müßte...

Der Mensch wirkt alles, was er vermag auf den Menschen durch seine Per­sönlichkeit, die Jugend auf die Jugend und hier ent­springen auch die reinsten Wirkungen. Diese find es, welche die Welt be= leben und weder moralisch noch physisch aussterben Spartanisches Mädchen. Iassen.

Wettläuferin.

Goethe, Wahrheit und Dichtung, 9. Buch. Mitte des 5. Jahrh. v. Chr.