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Die Heimat auf dem Lande&
Bierländer Flidentiffen
In den an fünstlerischem Schmud so reichen Vierländer Kirchen( Bänke mit Intarsien und Schnikereien, mit Orna menten bemalte schmiedeeiserne Hutständer u. a.) fallen vor allen Dingen auch die in den Bänken liegenden Kissen auf, teils aus verschiedenen Tuchresten geftüdt, teils aus einem Stüd Tuch gefertigt und bestickt. Die ersteren find die fogenannten Flidenfiffen( Abb. 222 u. 223). Die Bierländer Frauen
Abb. 222
haben sie wahrscheinlich aus Resten ihrer Kleiderftoffe u. a. gemacht. Jeder einzelne Flicken ist, um einmal auf die Herstellung einzugehen, etwas größer geschnitten, als auf dem Miffen zu sehen ist. Die überstehenden Ränder sind dann beim Zusammen nähen der einzelnen Fliden nach innen umgebogen. Zwischen je zwei farbigen Flicken ist dann noch ein zusammengefalteter weißer, schmaler Streifen Tuch geschoben, sodaß nachher weiße Linien die einzelnen Farben trennen.( Wie auf Abb. 224 innerhalb des Kreises zu sehen.) Die Farben sind jetzt natürlich an der Außenfeite verblichen. An der Innenseite aber sieht man, daß sie ganz kräftig und leuchtend gewesen sind. Das Rot war ein leuchtendes, feuriges Scharlach- Not, das Gelb kräftig schwefel- goldgelb, ebenso leuchtend grün und violett. Ga tommen Kiffen in sehr einfacher und in feinerer Farben zufammenstellung vor, wo dann auch braun und grau und dgl. hinzu kam. ( Auch geblümte Stoffreite, wenn es nicht anders ging.)- Auch die Muster find teils einfach, teils feiner. Da ist ein Stiffen nur aus roten und weißen Dreiecken zusammengesetzt; ein anderes auch nur aus Dreieden, aber es sind statt zwei drei Farben genommen. Feiner find schon Kissen, bei denen die Mitte durch einen kreisförmigen Fliden hervorgehoben ist. Es tommen auch Muster vor, bei denen Flicen mit edig oder rund gezadtem Rand verwendet sind, oder wo sie zu fleinen Sternen zusammengesetzt sind.
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Dies alles find
schmuck noch heute eine Zierde der Stadt. patrizische Behausungen, also ausgeprägte Stadthäuser. Leider ist uns fein Denkmal erhalten aus jener ersten Generation bon Bürgerhäusern, die sich unmittelbar an das Bauernhaus anschlossen. Wir wissen, daß das bürgerliche Wohnhaus des späteren Mittelalters aus zwei verschiedenen Typen entstanden ift: eben aus dem Bauernhaus, das auf die ältesten Formen der Siedlung zurückgeht und dann aus den Kleinburgen, die die städtischen Adeligen auch hinter die Mauern der Stadt vers pflanzten.( Ber
gleiche G. Dehio , Geschichte der deutschen Kunst, 2. Band.)
Flachsanbau
D.[ Allüberall in deutschen Lan den fah man früher im Früh ling die lieblich blauen Blüten des Flachses. War es doch selbstverständliche Pflicht jeder deutschen
Abb. 223
Hausfrau, den Wäschebedarf für Haus und Familie durch Spinnen und Weben selbst zu beschaffen. Es kam das Zeit alter der Maschinen, so viel bequemer, so viel gefälliger in der
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äußeren Aufmachung boten sich die Baumwollstoffe dar. Wie in so vielent brachte der Krieg aber auch hierin eine böllige Umwälzung der Verhältnisse: es tam nichts mehr ins Land, wir waren auf unsere eigene Erzeugung angewiesen. Da belebte sich denn der Flachsbau wieder, man machte alle Anstrengungen, wenigstens den Heeres bedarf zu decken. Auch zur eigenen Bearbeitung fiel schon manche„ Hande boll" ab trotz Beschlagnahme. Der Krieg ist nun zu Ende, doch der Gründe, den Anbau von Flachs nicht aufzugeben, sondern im Gegenteil zu ber mehren, gibt es noch übergenug. Hier nur die hauptsächlichsten: immer ist die Einfuhr von Baumwolle knapp und teuer, das Geld dafür fließt ins Aus land( und wie nötig haben wir es doch selbst); wie in früheren Zeiten fo ist auch heute noch Leinen ein viel geeigneterer Stoff für die Unterkleidung des schwer arbeitenden Landmannes als die wenig haltbaren Baumwollgewebe. Hinweisen möchte ich dann noch auf die gestiegenen Preise für den geernteten Flachs, die einen Anbau auch zum Verkauf lohnend machen. Jeder Landmann mache daher einen Versuch, wenn auch zunächst nur auf einem fleinen Stück. Und die Landfrauen mögen aufs lebhafteste dafür eintreten, sich alle Arbeit, die die Aufbereitung mit sich bringt, nicht berdrießen laffen. Werden sie doch für ihre Mühe reich belohnt durch die Freude am schimmernden Lein", das ihnen Schränte und Truhen füllen foll. Flachs tann überall gebaut werden, außer auf ganz dürrem Sand-, shiverem Ton- oder Moorboden. Ein Gerät aus der Kinderstube, das unseren heutigen
Abb. 224
Abb. 224 ist ein Nadeltissen, das folgendermaßen zusammengefekt ist: die von weißen Linien umgebenen Stoffteile find zusammengestüdt nach Art der Flidenkissen; die Stoffteile aber, die einen schwarzen Schattenrand zeigen, find aufgeklebt. Das Muster auf diesem Nadelfissen ist ganz besonders eigenartig und nicht häufig zu finden.- Diefe Flickentiffen sind sehr haltbar, leicht zu machen und auch insofern praktisch, als man ja alte Stoffreste auf diese Weise aufbrauchen kann.-Farben: Striche jentrecht= rot; Striche wagerecht= blau; Striche von links oben nach rechts= violett; Striche grün; fariert= braun; zittrige bon rechts oben nach links Else Schwindragheim. Striche grau; Punkte= gelb.
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Bom alten deutschen Hause
Jm Örtchen Winkel im Rheingau liegt ein romantisches Gebäude, das man als das älteste deutsche Hans bezeichnet hat. Der verhältnismäßig gut erhaltene Bau, der im Grundriz ein Rechteck bildet, stammt wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Eine breite Rundbogenpforte führt in das niedrige, schwach beleuchtete Erdgeschoß; im Obergeschoß lag ein Saal, an den fich einige fleine Wohngemächer anschlossen. Die Treppe muß außen angefügt gewesen fein. Ein zweites Haus, das zur Zeit Friedrich Barbarossas entstanden sein mag, liegt in Bosheim im Elsaß . Weit befannt ist das Haus der Overstolzen zu Köln , zurzeit Sitz der Handelskammer; es stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist mit feinen stolzen Treppengiebeln, seinem romanischen Säulen
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Anschauungen über Gesundheitspflege feineswegs mehr entspricht, ist der „ Gänger", der im alten rheinischen Bauernhause üblich war. In ihm lernten die kleinen Kinder gehen. Er bestand aus einer Holzstange, die in der Stube lotrecht zwischen Diele und Dede drehbar aufgestellt war. In einem Fuß Höhe hatte der Bauer einen Holzreifen befestigt, in welchem das Jüngste stehend angebunden wurde. Infolge der Drehung des Gängers fonnte sich das würmchen nur im Kreise herum bewegen, wie ein Gaul im Göpelwert. ( Aus Pelfer- Behrendsberg: Alt- Rhemisches.)