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R Die Heimat auf dem Lande

Bäuerliche Mützenschachteln

Bur vollständigen Ausstattung eines Bauernmädchens war bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Schachtel uner läßlich, worin die mehr oder weniger kostbaren Mühen aufbewahrt wurden, die zu ihrer Tracht gehörten. Es hätte der bäuerlichen Dentungsart schlecht entsprochen, wenn eine solche Schachtel etwa eine plundrige Pappschachtel gewesen wäre, wie jene, in der beute unsere Damen ihre Hüte aufheben. Sie wurde solide, für ein Lebensalter ausdauernd hergestellt und filnstlerisch verziert. Die echte alte Müßen­Schachtel, deren wir in unsern vaterländischen Museen noch viele bewahren, besteht aus Span   und hat die Form eines etwa 45 cm langen Ovale von 28 cm Höhe. Wie bei

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allen bäuer lichen Kunsts gegenständen, bemerft man an der Aus­fchmüdung den Einfluß ber zur Beit ber Herstel

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Wärger.

lung oder einige Jahrzehnte vorher herrschenden Kunstrichtung; ba der Bauer langsam ist, hintte er meistens etwas nach. Ausschlaggebend und für die Bauernkunft ehrenvoll ist die Selbständigkeit, mit der eine solche Anregung verwendet wurde. Immer fam etwas zugleich fünstlerisch Wert­bolles und für den bäuerlichen Geschmad Charakteristisches Heraus. Die hier abgebildeten Mütenschachteln, die bom Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts stammen, zeigen eine Anlehnung an das Rototo. Der Schmuck ist reich an Erfindung, gut auf der Fläche des Dedels und der Seitenwände verteilt, dabei drollig und Eine unterhaltend. Die Farben find sehr schön. gewisse übereinstimmung in den Mühenschachteln aus verschiedenen Landschaften scheint darauf hinzudeuten, Daß sie nicht von den Bewohnern selbst, sondern von einzelnen Künstlern hergestellt wurden, die dann das mit auf die ländlichen Jahrmärkte zogen. Hier erstand der junge Bauer die Schachtel als finniges Geschenk für seine Zufünftige, die in ihrem entlegenen Dorfe am nächsten Sonntag die bunte Gabe frendig begrüßte. Es ist zu wünschen, daß er den Zierspruch vorher auf­merksam durchgelefen hatte. Lieber Bräut gam, tomm doch bald, ich bin schon dreißig Jahre alt!" und derbere kommen bor  . Der Maler wußte, daß die Landbevölkerung Spaß liebt. Auch der Zeitereignisse wurde gedacht. Den Bürger hat der Spieß getroffen,-nun tönnen wir den Frieden hoffen," heißt es im Jahre 1815.- Unsere bäuerlichen Müßenschachteln lehren uns, auch die weniger beachteten Stüde unfers Hausrats schön und solide herzustellen. Wir sollten uns nie und nirgends mit Schund umgeben. Diese Methode ist nicht nur die künstlerischste und dem gebildeten Menschen würdigste,- sie ist auch die spar Samfte, also in unsrer Armut die zweckmäßige. Mögen wir biefer Wahrheit, die einfache Landleute früherer Zeit erkannten und die wir in jüngster Vergangenheit nur zu sehr vergessen hatten, wieder mehr nachleben!

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D Fortbildung unserer Landmädchen

A. BL

Nach dem Lande him sind jezt aller Augen hoffend gerichtet; som Lande her erwartet man die Rettung aus tiefer Not. In der Tat: würden die auf dem Lande noch ruhenden Kräfte nicht nubbar gemacht für Erneuerung und Wiederaufbau un feres Baterlandes, so würde es schlecht darum bestellt sein. Es gilt nun, in umfassender Weise unser Augenmerk den alt­angesessenen Bewohnern des Landes zuzuwenden, und alles baran zu sehen, damit sie treu bleiben den guten Sitten ber Bäter, treu dem Boden, in dem sie wurzeln und aus dem fie thre besten Kräfte ziehen.

Eines der wirksamsten Mittel nun, die Landbevölkerung in alter Kraft dem Lande zu erhalten, ist ohne Zweifel bas: man biete ihr, insbesondere der Jugend, ausreichende Bildungs. gelegenheiten. Nicht bie gleichen, wie sie in der Stadt bestehen, aber solche wie das Land sie so dringend braucht Erlangung all jener Kenntnisse, die der landwirtschaftliche Beruf ( mit Einschluß der der ländlichen Hausfrau) heute so dringend forbert; zur Wedung der Liebe und Anhänglichkeit zur land­lichen Heimat nicht zuleht, um in die Herzen sin tiefes Wer

zur

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antwortlichkeitsgefühl einzupflanzen, eine Sinnesrichtung, die, nur Bestand haben kann auf dem feften Grunde des Glaubens. So ergibt sich daraus swingend die Notwendigkeit fittlich- religiöser Bertiefung.

Die Fortbildungsschule ist es, die für den größten Teil unserer Jugend als allein geeignete Bildungsgelegenheit an­gesprochen werden muß. Reißt sie doch ihre Schüler nicht heraus aus Arbeit und Erwerb. Wieviele solcher Schulen gibt es aber schon auf dem Lande? Eine ganze Anzahl für die Knaben,

nur wenige, fehr wenige für die Mädchen. Mit der allgemeinen Einführung werden wir in absehbarer Zeit auch taum rechnen fönnen aus Mangel an Mitteln. Es heißt daher, nach Ersatz Umschau zu halten.

Das preußische Landwirtschaftsministeri um will folchen in den Wanderhause haltungs.

fajulen ge funden haben. Diese bieten ben großen Borteil, in vies le Orte, auch die fleineren,

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- menn auch nicht die allerkleinsten- gelangen zu können. So übermitteln sie einer verhältnismäßig großen Bahl von Schüle rinnen ein immerhin leibliches Maß praktischer Stenntnisse und 2, Fertigkeiten. Die furze Dauer der Lehrgänge höchstens 3 Monate, macht es ihnen aber anderseits unmöglich, die praktische Ausbildung zu einer genügend gründlichen zu gestalten. Roch viel weniger wird es ihnen in diefer furzen Zeit gelingen, die Gedankenwelt ber Mädchen nachhaltig zu beeinflussen. Im Hinblick, namentlich auf deren spätere Stellung als Gattinnen und Mütter, müßte folche wirksame Beeinflussung aber alle Weiterbildung richtunggebend bestimmen. Auch der Mangel an genügend vorgebildelen Lehrkräften, Behrerinnen der landwirtschaftlichen Haushaltunge funde", seht der schnellen Ausbreitung der Wander schulen ein Hemmnis.

alles gelt bad

Man schalte daher jene Kräfte nicht aus von ber so wichtigen Bildungsarbeit, die sich sozusagen - wo foldje naturgemäß darbieten: die Lehrer und borhanden bie Lehrerinnen der ländlichen Boltsschule. Diese haben die Jugend heran­wachsen sehen, sie waren neben den Eltern burch Jahre ihre Erzieher, fie nehmen dauernd den größten Anteil an ihrer Entwicklung und sind in der Mehrzahl gern bereit, daran we ter mitzuarbeiten. Man wirft ben nur wissenschaftlich ausgebil­deten Lehrerinnen vor, fie feien nicht in der Lage, die Unter weisung in ben praktischen Fächern( z. B.   Kochen, Waschen u. a.) in geeigneter Weise zu erteilen. Aber ist dies nicht nur eine Seite der Ausbildung? Die allgemeine Weiterbildung im Sinne einer Höherführung wird niemand beffer wie diese, sowohl in der Erziehungskunst, wie wissenschaftlich gründlich durchgebildeten Kräfte zu fördern wissen. Ja, auch in die Theorie der Haus­und Landwirtschaft werden sie einzuführen verstehen durch Nahrungsmittel- und Gesundheitslehre und ähnlichen

Unterricht.

etwa

Die Wirtschaftslehrerin tönnte fich dann bei ihrem seltenen Kommen und in der kurzen Zeit, die ihr in der Wanderschule zur Verfügung steht, zur Hauptsache auf die praktische Un­terweisung beschränken. Ihre Arbeit würde dadurch wefente lich erleichtert, der Erfolg aber um so gesicherter sein.

Daß daneben im allgemeinen wie in jedem einzelnen Falle bei Einrichtungen für die Weiterbildung unserer Landmädchen nach der Schulzeit noch viele und große Hindernisse zu über­winden sind, Hindernisse, wie sie fich a. 2. ergeben aus großen Entfernungen und schlechten Wegen, aus dem am Alther­gebrachten hängenden Sinn des Landbewohners, der alles Neue zunächst ablehnt, und aus mannigfachen andern Gründen, finde zum Schluß nur noch Erwäanung: nicht um zu ent mutigen, sondern damit jeder zu seinem Teil zu ihrer Aus­räumung beitrage.

Zu den Spielfachen Seite 91. Erhältlich im Hausrat" G. m. b. H., Berlin   W., Königin Augustastraße 21.

a Hase auf Rädern, b Stater mit Rugel, c Holländischer Junge( Kopf bein Fahren beweglich), d Schreibogel( Stimme in der Neble angebracht), e Klappervogel.