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solle nur die Breite eines Fingers haben. Der Rath zu Ulm   gestattete schon eine Viertelelle und die Obrigkeit zu Modena   erlaubte bereits eine ganze Elle. Doch war die letztere besonders streng in der Durchführung dieser Bestimmung und ließ ein darnach in Stein ge­hauenes Modell öffentlich aufstellen, woran die verdächtigen Schleppen gemessen wurden. In Frankreich   hatte sie bereits um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts eine so ausgebildete Gestalt angenommen, daß sie einer besonderen Person zum Tragen bedurfte. Es herrschte sogar die Mode, daß das lange Oberkleid unten an den Seiten ge­spalten war, und während das vordere lange Ende von der Dame auf dem Arme getragen wurde, trug das hintere Ende ein Diener. Fin Ritter, de la Tour, der sehr häufig gegen die Ausschreitungen der Mode zu Felde   zog, sagt über die Frauen betreffs der Schleppe ,,, sie haben sich hinten beschmußt, gerade wie die Schafe die Schwänze". Der Kurfürst Ernst und der Herzog Albrecht von Sachsen   erlauben in ihrem Erlaß von 1482 ordnungsmäßig den Ritterfrauen und Fräulein zwei volle Ellen.

Die Schleppe war im Lauf der Geschichte den verschiedensten Ver­änderungen unterworfen, aber behauptet hat sie sich bis heute. Wir haben selbst Gelegenheit gehabt, zu beobachten, wie sie ihre Gestalt bald nach dieser oder jener Richtung änderte und oft in der drolligsten Weise in die Erscheinung trat.

sehnlichste Wunsch aller Griechen, das stolze Recht auf Verherrlichung durch Aufrichtung einer Porträtstatue auf geweihtem Plaz. Daraus ersieht man, daß der Götterkultus überall nur auf die Verherrlichung der Menschheit hinausläuft. Deshalb trägt die Nationalgottheit den Rassentypus der sie verehrenden Gläubigen. Daß auch die geistigen Eigenschaften der verschiedenen Götter national sind, ist selbstverständ­lich. Doch zurück zu unserem Feste, das alle fünf Jahre sämmtliche Griechen leider nur auf fünf Tage zu Brüdern machte. Tausende von Zuschauern, aus den heterogensten Elementen zusammengewürfelt, Ver­brecher für die Dauer des Festes mit freiem Geleit, hartnäckige Tod­feinde friedlich nebeneinander, Harrten, das Herz mit feierlicher Stim­mung erfüllt, auf den Ausgang des Kampfes. Waren die Preise ver­theilt und die fromme Menge verlaufen, so brach die alte Zwietracht aus unter den Stämmen der Hellenen, die sie ins Verderben führte; Römer und Barbaren   verwüsteten die heiligen Haine Olympias. Unter den Barbaren waren die Gothen die schlimmsten, welche, um ihr Christen­thum zu bethätigen, mit frevelnder Hand die legten Reste der Kunst­epoche der Menschheit vernichteten. Die Statuen, deren edle Formen für alle Zeiten Zeugniß ablegen von dem vollendeten Geschmack ihrer Erzeuger, der unerreichten Bildhauer Griechenlands  , wurden von Chri­sten und Mohamedanern auf Befehl ihrer Priester verstümmelt. Der Menschen Aberwiz und der Elemente Wuth schienen sich zum Verderben der herrlichen Schöpfung vereinigt zu haben. Der durch Regengüsse angeschwellte Fluß Alpheios überschwemmte die Ruinen und stürzte die Brachtbauten, welche der Menschenhand entgangen waren. Die letzten Ueberreste schienen verschwunden, denn die Lehmfluth des Kladeos und Alpheios überdeckte sie von Jahr zu Jahr immer höher mit Geröll. Im Jahre 1852 leitete Professor Curtius die Augen der Welt auf diese verborgenen Schäße. Doch erst nach 23 Jahren sollten sie ans Tages- ging sie zu Balle, oder zum Besuch u. dergl., so saß das Oberkleid licht gefördert werden. Im Jahre 1875 schickte das deutsche Reich den Entdecker von Olympia mit einer Kommission von Fachmännern nach Griechenland  , um die verborgenen Kunstschäße zu heben. Gleich beim Eröffnen der Gräben an den Fronten des Zeustempels feierten einige der oben beschriebenen Giebelfiguren nach jahrhundertlanger Ruhe ihre Auferstehung. Wie es sich gebührt, kam der Obergott oder wenigstens ein Theil von ihm zum Vorschein, dann fand man die geflügelte Sieges göttin Nike, leider in zwei Theile getrennt, nebst Bruchstücken ihres Bostaments, Theile einer liegenden Figur, wahrscheinlich einer der Flußgötter u. a. m. Freilich war in der Folge die Ausbeute weniger ergiebig, aber immerhin alle Erwartungen übertreffend. Künstler und Gelehrte werden noch Menschenalter hindurch die unerschöpfliche Fund­grube der antiken Prachtepoche ausbeuten, aber der Vertrag des deut­schen Reiches mit Griechenland   bürdet dem ersteren alle Pflichten auf und verleiht dem letzteren alle Rechte. Als Lohn der großen Mühe und der beträchtlichen Kosten erhielt Deutschland   das Recht: Gypsab­güsse von den gefundenen Skulpturen zu nehmen, die Skulpturen selbst bleiben in Griechenland  , welches sie später an Frankreich   oder England verkauft. Wem fällt da nicht die Geschichte von den heißen Kasta­

nien ein!

Aus einem im Juli 1879 veröffentlichten Auffage des Professors Adler über die Ausgrabungen von Olympia ersieht man, daß bis jetzt an Alterthümern gefunden und inventarisirt worden sind: 1328 Stück Stulpturen, 7962 Stück Bronzen, 696 Inschriften, 2935 Münzen, 2004 Stück Terracotten und 105 Gegenstände aus Glas, Horn, Blei u. s. w. Es werden Jahrzehnte dahingehen, bis die Wissenschaft das neugewonnene Material bewältigt haben wird. Dr. M. T.

Modethorheiten vergangener Jahrhunderte. I. Der Kobold Mode treibt nicht nur in der neueren Zeit sein allzu oft widerliches Wesen; er hat von Anbeginn seines Einflusses mit seinen Launen den Leuten die Köpfe verdreht und ist bald als Geck flott und lüderlich einher­stolzirt, bald als ein die Freuden und Schäße der eitlen Welt ver­achtender Betbruder mit zu Boden gesenkten Augen dahingeschlichen. Versuche zu seiner Besserung sind schon oft gemacht worden, man hat ihm sogar manchmal recht übel mitgespielt. Bald verfolgte man ihn, wie es heute von Th. Vischer geschieht, mit dem rücksichtslosesten Spott und der schärfsten Satire, bald donnerte man von den Kanzeln und in den von Seelsorgern" verfaßten Flugschriften gegen den Mode­teufel oder die gestrengen Behörden erließen ihre Kleiderordnungen" gegen sein üppiges Treiben. Da er jedoch das Kind von bestimmten herrschenden Sitten und Zuständen ist, so hatten die Moralpredigten u. dergl. auch nur dann Erfolg, wenn sie von Veränderungen und Verbesserungen dieser bestimmenden Verhältnisse begleitet waren. Wir haben übrigens keineswegs die Absicht, dem heutigen Modetreiben den Text zu lesen; es sollen nur einige Beispiele vorgeführt werden, daß die heute auf den Straßen paradirenden Narrheiten und Ueberspannt heiten bereits in früheren Zeiten ihre Vorläufer hatten. Da ist z. B. die Schleppe; wer wäre nicht wenigstens einmal in die unangenehme Lage gekommen, in einem unaufmerksamen Augenblick durch unbarm­herziges Drauftreten sie zu vernichten oder doch zu beschädigen. Was hat man nicht in neuerer Zeit für Mühe, Linte und Buchdrucker­schwärze darauf verwandt, um sie von der Straße zu verscheuchen. Sie tritt bereits im 14. Jahrhundert auf; erregte jedoch in Deutschland  erst die Aufmerksamkeit zu Anfang des fünfzehnten. Die erste Behörde, die sich mit ihr beschäftigte, war der münchner   Rath; er bestimmte, sie

alle Gebühr enganliegenden Kleider und die übermäßige Entblößung, Auch andere heutzutage Mode gewordenen Unfitten, wie die über waren um diese Zeit bereits an der Tagesordnung; sie verschwanden auf kurze Zeit, tauchten wieder auf, um später anderen Platz zu machen, und spielen deshalb heute noch ihre Rolle. Trug damals eine Dame. zu Hause nur ein einziges Kleid, so lag dies ganz eng am Körper an;

eben so eng. Ueber die Enge der Kleider wird uns versichert, daß die Dame nicht im Stande war, sich allein anzuziehen. Wir können heute formen nach der Breite hin die Grenze, die von den Anforderungen Aehnliches erzählen. Soll doch eine bekannte Künstlerin, deren Körper­bis drei Personen gebrauchen, um die ,, Taille" einigermaßen gefällig her­der Schönheit bestimmt werden, etwas stark überschritten hatten, zwei zustellen. Das mag als Ausnahme gelten, aber es steht doch fest, daß im allgemeinen hier sehr viel gegen die menschliche Natur, Gesundheit u. s. w. gesündigt wird. In den Augen der Behörden des 14. und 15. Jahrhunderts war es die verlegte Sittlichkeit, welche in erster ihr zu Grunde liegt, kann man den Weisen jener Zeit nicht zu wissen zu­Linie Abhilfe verlangte; daß die Gesundheit dieser noch voransteht, ja muthen. Der Rath der Stadt Straßburg   scheint es wenigstens geahnt soll sich keine Frau mehr schürzen mit ihren Brüsten, weder mit Hem­zu haben, denn er schreibt in seiner Verordnung von 1370: Hinfüro den noch gebrisen( geschnürten) Röcken, noch mit einem anderen Ge­

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fängniß." Gefängniß", das ist der bezeichnendste Ausdruck für diese Körpereinpreffungen; wie wenigen vom schönen Geschlecht" ist dies aber bewußt? Aber auch die sich immer so vernünftig dünkende So sagt uns ein damaliger, die Verhältnisse von Wien   und Umgebung Männerwelt war damals schon nicht von diesen Unarten ausgeschlossen. beschreibender Schriftsteller: Wieder andere ließen sich die Kleider so eng machen, daß sie solche nicht anders als mit Hilfe anderer oder mittelst Auflösung einer Menge kleiner Köpflein, womit die ganzen Aermel bis auf die Schultern, dann die Brust und der Bauch ganz besetzt waren, an- und ausziehen konnten. Andere trugen Kleider, die um den Hals soweit ausgeschnitten waren, daß man ihnen einen ziem­lichen Theil von der Brust und dem Rücken sehen konnte." Eßliche aber," so schreibt ein andrer über die böhmischen Trachten im Jahre 1367 ,,, und besonders diejenigen, so etwas vornehmes sein wollen, hatten an einem Kleid in die fünf, auch wol sechs Schock Knöpfe und der­maßen eingepreßt, daß sie sich nicht bücken oder die Erden mit der Hand berühren mögen. Die Rittermäßigen ließen sich auf gemelden Röcklein über die Lenden von Tuch anderer Farben Sträme, gleich als Rittergürtel aufziehen. Egliche trugen auch auf der Brust mit Baum­wollen gefütterte und ausgefüllte Brustläße, auf daß es ein Ansehen haben mußte, gleich als wenn der Mann so wol gebrüstet wäre, als eine Weibsperson, und pflegten also dieselbigen falschen Brüste und Bäuche gar sehr einzuschnüren." Dies wird genügen, um das Fehlen von Vernunft und Sitte in den Kreisen der ,, Herren der Schöpfung von damals zu zeigen. Daß es heute damit nicht besser gestellt ist, dafür liefert uns manches Ebenbild des Schöpfers die hinlänglichsten Beweise.

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Welche Rolle das heute so nothwendige Requisit, Taschentuch ge­nannt, spielte, sagt uns folgender Passus der Magdeburger   Kleider­ordnung von 1583. Des Brüdegammes unde des Mannes Personen vam Geschlecht ere Schnüffeldöke schal eines över anderthalven Daler nicht werth seyn; der gemeinen Börger einen halven Daler, unde der Dienstboden einen halben Gülden, by peen einer Marck. Orerst de Freuchengeschlinge van Sülver unde Golde schöllen an den Schnüffel­döcken gar verbaden syn, peen dryer Marc." Eine Dresdner   Kleider­ordnung( 1595) verbietet den unteren Ständen mit Taschentüchern ein Hochzeitsgeschenk zu machen. Es wurde mit diesem Stück gleich in andern Fällen ein großer Lurus getrieben; der Stoff war feine Lein­wand, der Besatz bestand aus kostbaren Spizen, auch hohle, durch­brochne Näthe faßten das Tuch ein und an den Ecken hingen kleine Quästchen. Stickereien von Gold und Silber, mit Perlen, Goldrosen