meinen Augen unter dem Wasser verschwunden war, schwimmen fonnte, noch hatte ich Zeit, den Teich auf seine Tiefe zu untersuchen, ich sprang einfach so rasch als möglich nach, und glaube mir damit ebensowenig ein Verdienst erworben, als eine Dummheit begangen zu haben!"
Diese mit Ruhe und Entschiedenheit gesprochenen Worte des jungen Gastes übten eine lebhafte Wirkung aus.
Wanda klatschte lustig in die Hände:" So ist's recht, da haben es der Herr Doktor!" Und sie nickte Fritz seelenvergnügt und vertraulich zu, wie eine Schwester dem Bruder.
Die andern Anwesenden schienen weniger erbaut. Frau Doktor Winter hielt sich ihre bisher unbenutzt gebliebene Perlmutterlorgnette vor die kleinen, hellgrauen Aeuglein und musterte den ihr auf einmal recht vorlaut erscheinenden„ jungen Handwerker", wie sie ihn im stillen nannte, von oben bis unten. Herr Alster hustete, winkte dem sehr verächtlich dreinschauenden Herrn Doktor Wichtel und trat vom Tische hinweg an das eine Fenster, während er sagte:
" Lassen wir, lieber Herr Doktor, die Damen mit dem guten, jungen Manne noch ein wenig ungestört plaudern über das Ereigniß, welches so unerfahrenen und mit bedeutenderen Sachen nicht beschäftigten Leuten natürlich ungeheuer wichtig vorkommen muß. Reden wir indessen von unseren Geschäften.
"
Der Referendar erhob sich von dem Fauteuil, auf dem er sich eben erst äußerst ungenirt niedergelassen hatte. Er war zwar zur Besprechung von Geschäften nicht hierher gekommen; er warf einen ärgerlich vorwurfsvollen Blick auf Wanda und ließ sein Auge mit hochmüthig nichtachtender Miene über Frizz schweifen. Dann schritt er nach einer kurzen Verbeugung gegen die Damen höchst würdevoll zum Fenster und warf sich Herrn Alster gegenüber in einen Lehnsessel.
" Sie und Ihr Herr Vater meinen also allen Ernstes, bester Herr Doktor," begann Herr Alster sofort das Gespräch,„ daß eine solche Fabrikanlage sich rentiren müßte?"
Der Herr Referendar mußte trotz seines Aergers lächeln; dann zuckte er beinahe spöttisch die Achseln:„ Aber ich bitte Sie, verehrter Herr Alster , wie sollte Sie nicht? Bedenken Sie nur gefälligst, woher werden wir für die Eisenbahn den gesammten Bahnbedarf beziehen?"
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Wird man es denn nicht höchst- wie soll ich sagen? höchst sonderbar finden, wenn die Bahn größere oder gar alle ihre Materialbezüge aus den im Privatbesiz ihrer Verwaltungsräthe befindlichen Etablissements bezieht?"
Der Referendar zuckte schon wieder die Achsel und sah fast mitleidig unter seinem Pincenez hervor auf Herrn Alster." Mag man doch finden, was man will, was geht das uns an?"
" Die öffentliche Meinung, die öffentliche Meinung, Herr Doktor! Bedenken Sie doch, bei allen meinen Geschäften darf auch nicht der Schatten eines Verdachts der Unreellität auf meinen guten Ruf fallen."
Des Referendars Achseln zuckten diesmal nicht, aber er schaute scharf und dabei vergnügt lächelnd Herrn Alster an, der, ein Bild der augenfälligsten Harmlosigkeit, seine Blicke wie andächtig an der Zimmerdecke haften ließ.
Selbstredend, selbstredend," sagte der junge Herr mit einem abscheulich mokanten Zug um die dünnen Lippen.„ Wäre auch sehr störend, dieser Schatten. Aber grade unsre Reellität wird uns befähigen, die Eisenbahnwaggons und alles was wir sonst produziren, wesentlich billiger zu liefern, als unsere Konkurrenten." " Sodaß wir also der Gesellschaft einen offenbaren Dienst leisteten, wenn-"
„ Wenn wir uns selbst, das heißt ihr, der Eisenbahngesellschaft, unsere Fabrikate abzulassen die Gewogenheit haben, gewiß." Der Herr Alster hustete wieder und holte tief nachdenklichen Angesichts ein Cigarrenetui aus der Tasche, um dem Referendar eine feiner piffeinen Havannahs anzubieten und sich selbst eine anzubrennen.
Doktor Wichtel beobachtete ihn unausgesetzt mit gespanntester Aufmerksamkeit. Man muß das Eisen schmieden, solange es warm ist," sagte er, man hätte in Zweifel sein können, ob nicht mehr zu sich selbst, als zu Alster . Dann fuhr er fort:" Sie und mein Vater, Herr Alster, können wirklich nichts Klitgeres und gleichzeitig Gemeinnüßigeres thun. Es mangelt gegenwärtig an den Artikeln des Eisenbahnbedarfs. Die Rohmaterialien hingegen sind noch verhältnißmäßig billig, werden aber rasch genug im Preise steigen. Jetzt läßt sich noch gut und billig arbeiten und dabei immer noch ein tüchtiges Stück Geld verdienen. Es
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gilt zuzugreifen; und das ist ja auch das beste Talent hervorragender Industrieller, daß sie die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen verstehen."
Herr Alster mochte das als ein speziell an ihn gerichtetes Kompliment betrachten. Er nickte, offenbar sehr befriedigt, aber er hatte doch noch ein Bedenken. Ich fürchte nur, daß ich mich mit meinem Kapitale zu stark engagire."
„ Mein Gott, da dürfen Sie, verehrtester Herr, doch gar keine Sorge haben. Die Aktien unserer Bahn sind doch so gut wie baares Geld, können also, wenn Ihre disponiblen Kapitalien erschöpft sind-"
Der Referendar sprach diesmal so langsam, als wenn er Herrn Alster möglichst ausgiebige Gelegenheit lassen wollte, ihn zu unterbrechen. War das wirklich seine Absicht, so erreichte er sie; denn Alster fiel ihm in's Wort:
" Ich wüßte nicht, daß ich gesagt hätte, meine disponiblen Kapitalien seien erschöpft, Herr Doktor!"
"
Aber dann ist nur die eine Möglichkeit vorhanden, daß Sie ängstlich geworden sind, verehrtester Herr, und das hätte ich allerdings zuletzt annehmen mögen."
Herr Alster erhob sich und warf die kaum angebrannte Cigarre ärgerlich zum Fenster hinaus.„ Nein, ich bin auch nicht ängstlich. Ich möchte wissen, weshalb ich ängstlich geworden sein sollte. Ich werde das beweisen. Sie können mir morgen den Gesellschaftsvertrag zur Gründung der Fabrik für Eisenbahnbedarf vorlegen. Und ich bestehe darauf, daß mein Name in der Firma genannt wird, ich will offen und frei die Verantwortlichkeit für dieses Unternehmen tragen."
„ Alster und Kompagnie", lächelte der Referendar, mag die Firma lauten."
Herr Alster warf sich würdevoll in die Brust. Warum nicht? Alster und Kompagnie."
Die Wolke des Unmuths, welche sich auf seiner Stirn zusammengezogen, war zerstreut. Er reichte dem Referendar die Hand; dieser drückte sie mit respektvoller Verbeugung und mit einem Gesichtsausdruck, der wohl eine Art Rührung bedeuten sollte.
Inzwischen war die Unterhaltung der Damen mit Frizz Lauter nicht besonders vom Fleck gekommen. Wanda plauderte zwar in ihrer gewöhnlichen, harmlos liebenswürdigen Weise über allerlei ihr am Herzen liegende Dinge, aber Frizz wollte es doch nicht recht behagen, daß sie ihn heut mit Sie anredete, während sie neulich mit herzigem Du für den unveränderten Fortbestand der alten Kinderfreundschaft Zeugniß abgelegt hatte. Und dann die gute, steife Frau Doktor Winter wie sie achtgab, ob Wanda nicht ein wenig zu herzlich wurde, oder ob sich Frizz nicht etwa gar mehr erlaubte, als es so einem jungen Handwerker, der das Glück hatte, in noble Gesellschaft zu kommen, geziemte.
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Daneben kam noch ein viel störenderes Moment in's Spiel. Wir wissen, daß Friz so naiv gewesen war, den Gedanken zu hegen, er könne von dem reichen, angesehenen Herrn Alster erfragen, wie man sich verhalten, was man thun oder lernen müsse, um einem günstigen Geschick wenigstens nach Möglichkeit entgegen zu
kommen.
Nun hatte ihm zwar das Benehmen Alsters vorläufig die Lust zu derartigen Fragen benommen, aber das Gespräch zwischen diesem und dem Referendar berührte grade einen Gegenstand, der offenbar an den Bereich der erhofften Auskunft angrenzte und vielleicht auch geeignet war, einiges Licht zu verbreiten über das Frizens Verständniß verschlossen gebliebene Gebiet der gesellschaftlichen und wirthschaftlichen Zusammenhänge.
Friz hatte daher, so anmuthvoll auch Wanda's Stimme an sein Ohr schlug, immer nur halb gehört, was sie sagte. Die beiden Herren sprachen so ungenirt laut, daß er sich beinahe alles einprägen konnte, was sie sagten, wenn er auch nicht im stande war, sich auf der Stelle wie man zu sagen pflegt- einen Vers darauf zu machen.
Die kluge Wanda bemerkte bald, daß Friß durch die Unterhaltung ihres Papas mit dem Doktor Wichtel in der Plauderei mit ihr gestört wurde. Erst wollte sie ihm das übelnehmen, umsomehr, als sie selbst derlei Unterhaltungen sterbenslangweilig fand; dann aber sagte sie sich, grade so etwas Langweiliges könnte einem jungen, lebenslustigen Menschen, wie es der Frizz jedenfalls war, wenn er sein Ohr dagegen nicht zu verschließen ver möchte, auch die vernünftigste, gleichzeitig gepflogene Plauderei verleiden.
( Fortsetzung folgt.)