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Konrad Deubler   der Bauern- Philofoph.

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Eine Skizze nach dem Leben, von Dr. A. D.-.

Es ist keineswegs überraschend, wenn der auf naturwissen| schaftlicher Grundlage aufgebauten neuen Weltanschauung der Vorwurf in's Gesicht geschleudert wird, daß sie im ganzen und großen nur demoralisirend wirken könne. Gerecht ist dieser Vorwurf nicht; aber er ist der Ausfluß einer ängstlichen Beklemmung jener, die unter der alten spiritistischen Welt­anschauung groß geworden sind und nun im Zeitalter des Uebergangs vom Spiritua mit Un­lismus zum Materialismus behagen wahrnehmen, daß ihre philosophische Position untergraben ist und die Gedanken­welt der Nationen eine ganz andre zu wer­den sich anschickt, ohne daß sie- die letzten Repräsentanten des hinsterbenden Spiritua lismus noch Kraft und Muth und Lust genug in sich spürten, mit der neuen Welt­anschauung sich ehrlich und ernst abzufinden. So haben Sie denn auch keine Ahnung von dem reichen Ersatz, der uns in der Blüthe neuester Erfahrungswissenschaft geboten wird; das Wesen des empirischen Materialismus erscheint ihnen als Buch mit sieben Siegeln",

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was wunder, wenn man ihn zum vor­hinein verwirft, ohne ihn zu kennen, wenn man ihn zum Verbrecher stempelt, ohne ihn gehört zu haben!

Virchow hat uns hierfür den Beleg gegeben, als er auf der 50. Naturforscherversammlung in München   davor, warnte, die Abstammungslehre zum Gemeingut des ganzen Volkes zu machen.

Gea von DIA, Dodel- Port. 16 Okt 1879

Konrad Deubler  .

Der Darwinismus hat dem Materialis­mus zum Sieg verholfen. Er ist das Panier, dem die ganze jüngere Schule wissenschaft­licher Forschung in hehrer Begeisterung folgt und Schlag auf Schlag seinen alten Gegner aus dessen letzten Positionen wirft. Der moderne Naturforscher ist Materialist, Monist er anerkennt nur die Einheit der Materie und der gesezmäßig an und in ihr zum Ausdruck ge­langenden Kraft, die jener selbst innewohnt, mit jener unzertrennlich verbunden, ja mit jener ein und dasselbe ist.

Kein Zweifel! Die Wissenschaft feiert im Zeichen des Monismus die größten Triumphe; was man vor wenig Jahrzehnten kaum zu ahnen wagte, das sehen wir in unseren Tagen wissen­schaftlich klar blosgelegt, und wenn heute ein Paulus" der neuen Weltanschauung ausgerüstet mit den Kennt nissen der exakten Wissen­schaften auf dem Markt

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zu Athen   wieder das Audi­torium des Heidenapostels antreffen könnte, so würde es abermals heißen, wie vor 1800 Jahren: Die Götter sind den Menschen gleich geworden."

uns

Aber so sagt man

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die neue Welt­

anschauung sei nur für die gebildeten und gelehrten

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Sehen wir einmal davon ab, mit welchen Schwierigkeiten, ja Unmöglichkeiten es ver­bunden wäre, wenn man die neue Welt­anschauung als Geistesspeise nur einigen fleinen Fraktionen der menschlichen Gesell schaft reserviren wollte, fragen wir lieber: Bieten die bisherigen Erfahrungen wirklich hinreichende Gründe zu jener ernſten Be­fürchtung, wonach der gemeine Mann" mit der Annahme der materialistischen Welt­anschauung, d. h. mit dem Aufgeben aller mystischen Glaubensartikel, auch seinen gan­zen moralischen Halt, seine innere Befriedi­gung und seine Bürgertugenden einbüßen müßte? Das Alltagsleben unserer Uebergangszeit lehrt uns grade das Gegen­theil. Wir haben Gelegenheit, heute an allen Enden, unter allen Gesellschaftsklassen Freigeister und Mystiker, Materialisten und Spiritualisten nebeneinander rathen und thaten zu sehen. Die Versuchsobjekte und Resultate beider Weltanschauungen bieten Und wer redlich sich uns ungesucht dar. prüft, erhält auch eine durchaus beruhigende Antwort.

Eines der vielgelesensten deutschen Tages­blätter, das ,, Neue wiener Tagblatt", dem man mit seinen 40000 Abonnenten gewiß eine geistige Bedeutung nicht absprechen wird, brachte anfangs September 1879 einen Aufsehen erregenden Feuilletonartikel aus der Feder des geistreichen Friedrich Schlögl  , der also beginnt: Träum' ich oder wache ich? Jst's Wahrheit

Deublers Wohnhaus.

oder ein Bild der Phanta sie, was mich umgibt? Ich fühle mir an den Kopf: er sitt fest; was ich mit meinen Händen betaste, ist greifbar, es entflieht nicht, wie ein flüchtig' Schemen, es ist die reellste Wirklichkeit. Ich zünde mir eine Virginia   an, es fehlt ihr an ,, Luft"; ich werfe sie fluchend weg und stopfe mir meine geliebte Meerschaumene" mit dem vertheuertsten ,, Schwarzen Dreifönig" er ist that­sächlich schlechter geworden; ich befinde mich also in normalen Verhältnissen und auf dem altbekannten Pla­neten, der die beste aller Welten" repräsentirt; ich schwebe nicht in fabelhaften Regionen, und doch drängt sich mir oft momentan die Vermuthung auf, daß mich ein Windstoß in die ,, ver­fehrte Welt" getragen, wo die Kultur bei den Un­gebildeten" und die frap­

Fraktionen der Gesellschaft zuträglich, unschädlich, zufriedenstellend,| pirendste Beschränktheit bei der entgegengesetzten Klasse zu finden; erhebend und läuternd, während dieselbe Weltanschauung den gemeinen Mann", den einfachen Bürger, den ungebildeten Bauern nicht befriedigen und nicht im Baum zu halten vermöchte. Das ist die ernste Befürchtung nicht allein der Staatslenker und Kirchenfürsten, wie sie neuerlich vom Papst Leo XIII   in seiner Encyclica puncto Philosophie des heiligen Thomas von Aquino  zum Ausdruck gelangte, sondern es ist auch die Befürchtung so mancher namhaften Pädagogen, ja selbst bedeutender Gelehrten.

in ein veritables Märchenland, das Glasbrenner prächtig be­schrieben hätte, und wo beispielsweise goldbordirten Würden­trägern der Name Humboldt fremd ist, indessen ein simpler Bauer mit Feuerbach, David Strauß, Scherr, Vogt, Büchner, Moleschott, Häckel, Dodel, Roßmäßler, Simony, Radenhausen, Uhlich und anderen Koryphäen der Wissenschaft in freundschaftlichstem brief­lichen und persönlichen Verkehre gestanden und theilweise noch steht. Bin ich bei Sinnen und höre ich nicht falsch?... Da size