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wurde 1779 Geheimrath und unternahm in demselben Jahre gemeinschaftlich mit Karl Auguſt eine Reise nach der Schweiz , auf welcher er u. a. auch Sesenheim besuchte und Friederike wieder sah. Man empfing ihn hier so freundlich und vermied mit solchem Zartgefühl eine Berührung seines früheren Verhältnisses zu dem reizenden Mädchen, daß Goethe mit voller innerer Be friedigung Abschied nahm und sagen durfte, er könne nun auch wieder mit Zufriedenheit an das Eckchen der Welt hindenken und in Frieden mit den Geistern dieser Ausgesöhnten in sich leben." Friederike ist übrigens, obgleich sie nach Goethe's Weggang von Straßburg von mehreren umworben wurde, im November 1813 in dem badenschen Dorfe Meisenheim unvermählt gestorben: ,, das Herz, das Goethe geliebt hat,"- pflegte sie zu sagen- ,, kann feinem andern Manne angehören."
Goethe kam, gleich dem Herzog, geistig und körperlich gekräftigt von der Reise zurück, auf welcher er übrigens auch während der Neujahrsfestlichkeiten der Karlsschule in Stuttgart zum erstenmal den damals zwanzigjährigen Schiller sah. Er war außer mit Friederike auch mit der in Straßburg verheiratheten anderen Jugendgeliebten ,, Lili" zusammengetroffen und hatte das Grab seiner am 16. Juni 1777 verstorbenen Schwester zu Em mendingen besucht; er war klarer und in sich gefesteter, einig mit sich selbst geworden, und an die Stelle jugendlicher Zerfahren heit trat der feierliche Männerernst und gipfelte sein Dasein zu imposanter Einheit. Charakteristisch genug schrieb er damals in sein Tagebuch: Ich will Herr über mich selbst sein; niemand, als wer sich selbst verleugnet, ist werth zu herrschen und kann herrschen", und er sprach damit ganz den Gedanken aus, den er drei Jahre später in dem bekannten Gedicht„ Ilmenau ", dem Herzog ans Herz legte:
, Der kann sich manchen Wunsch gewähren, Der falt sich selbst und seinem Willen lebt; Allein wer andre wohl zu leiten strebt, Muß fähig sein, viel zu entbehren." Verschiedene kleinere Geschäfts- und Erholungsreisen, die in den nächsten Jahren unternommen wurden, müssen wir hier übergehen, um ihm desto eher auf seiner italienischen Reise, die er am 3. Septbr. 1786 von Karlsbad aus antrat, folgen zu können. Inzwischen war er 1782 noch zum Kammerpräsidenten ernannt, sowie vom Kaiser Joseph durch Verleihung des Adels ausgezeich net worden und hatte eine Sammlung und Herausgabe seiner sämmtlichen Schriften vorbereitet, welche dann von 1787-1790 bei Göschen in Leipzig in acht Bänden erschien. Vier Bände dieser Gesammtausgabe hatte er, mit Ausnahme der Iphigenia", noch vor dem Antritt der italienischen Reise an den Verleger abgesandt und Herder die Sorge für den Druck anvertraut.
Die Ursachen dieser Reise lagen gleicherweise in dem Wunsche des Dichters, sich der bestrickenden Wirkung, die die Persönlichkeit der Frau von Stein immer noch auf ihn ausübte, für einige Zeit zu entziehen und dieselbe sich abschwächen zu lassen, wie in dem drängenden Verlangen, einmal aller amtlichen Geschäfte ledig zu sein und für die theils seit längerer, theils seit kürzerer Zeit begonnenen größeren Arbeiten Ruhe und Sammlung zu gewinnen. Diese aber erwartete er von dem beseligenden Anschauen der klassischen Kunstdenkmäler Italiens , deren Studium zugleich die harmonische Aus- und Durchbildung seines Wesens noch weiter fördern sollte, am allerehesten. Von den umfangreichen Schöpfungen, an denen er während seines bisherigen Aufenthalts in Weimar thätig war, nennen wir die fünf großen Dichtungen: ,, Egmont ", Iphigenia"( lezteres vor allem wiederum ein bedeutender Dent- und Merkstein seiner künstlerischen Entwickelung), Tasso"," Faust" und Wilhelm Meister ".
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Die bedeutendste That auf dieser Reise, deren ausführliche Beschreibung Briefe an Frau v. Stein, Herder, Karl August 2c. -sich bekanntlich unter Goethe's Werken befindet, war zunächst die im Januar 1787 in Rom vollendete metrische Umarbeitung der in Prosa bereits 1779 fertig gewordenen und unter anderen goethe 'schen Stücken und Gelegenheitsspielen auf dem bekannten, von dem Dichter in Weimar ins Leben gerufenen ,, Liebhaber theater " wiederholt aufgeführten Iphigenia auf Tauris", deren gemessene klassische Ruhe bei seinen immer noch von Sturm und Drang " hin- und hergezogenen und in der Natürlichkeit" der Prosa schwelgenden Freunden im Anfang wenig Verständniß und Beifall fand. Dann wurde die Reise südwärts nach Neapel mit dem Maler Tischbein fortgesetzt, und nachdem er hier neue anregende Bekanntschaften gemacht, ging es weiter nach Sizilien, wo er durch die Beschäftigung mit der Odyssee zu dem Entwurf eines Dramas„ Nausikaa " angeregt wurde, welches aber ebensowenig zur Ausführung gelangte, wie ein in einem Briefe vom 19. Oktober 1786 sfizzirtes anderes Stück:„ Iphigenia von Delphi", von welchem er eine große Wirkung erwartete. Schon jetzt beschäftigte ihn sein Interesse für die Naturwissenschaften, denen ein so großer Theil seiner Thätigkeit während der italienischen Reise galt, auf das lebhafteste; namentlich dachte und forschte er auf Sizilien über die Urpflanze". Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Neapel am 6. Juni 1787 nach Rom zurückgekehrt, verweilte er hier bis zum April 1788 und füllte seine Beit in der sorgfältigsten Weise durch die Beobachtung des Volkslebens, durch aufmerksames Studium der älteren und neueren Denkmäler der Bau-, Bildhauer- und Malerkunst, durch dichterische Arbeiten und Beschäftigungen mit den Naturwissenschaften aus. ( Fortsetzung folgt.)
Die Fortschritte der Technik.
( Alle Rechte vor behalten.)
A. Allgemeines.
,, Wärme und Arbeit sind äquivalent", so lautet der empirische Sazz, auf den sich die mechanische Wärmetheorie baut. Ohne im Stande zu sein, überall das mechanische Aequivalent zu bestimmen, hat die theoretische Naturerkenntniß doch längst den Kausalnexus von Wärme und mechanischer Arbeit auch mit den Erscheinungen der Elektricität und des Magnetismus, des Lichtes und des Schalles, ja selbst der organischen Lebenserscheinungen festgestellt.
Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, die Einheit der Naturvorgänge weiter theoretisch zu verfolgen, und alle Bewegungsarten der allgemeinen Substanzen auf ein gemeinsames Grundprinzip zurückzuführen, um so gewissermaßen die Theorie gleicher Kraftqualitäten wissenschaftlich zu begründen; wir begnügen uns hier, die praktischtechnische Seite des ersten Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie weiter in seinen Konsequenzen zu behandeln.
Auf der Umsetzung von Wärme in mechanische Arbeit beruht unsere ganze moderne Dampftechnik, die Telegraphie hat einen weiteren praktischen Beweis der Kausalverknüpfung der Wärme und mechanischen Arbeit mit den Erscheinungen der Elektricität und des Magnetismus gegeben, aber noch mehr wie dieser Zweig der modernen Gewerblichkeit die ganz in neuester Zeit aufgetauchte Industrie der elektrodynamischen Beleuchtung. In Verbindung mit der Telephonie und anderen wichtigen Zweigen der neuzeitlichen Entdeckungen ist die Kausalität aller obenerwähnten Naturvorgänge unleugbar nicht nur durch das rein wissenschaftliche Experiment, sondern selbst durch die technischen Gewerbe festgestellt worden. So sind denn in neuester Zeit Projekte aufgetaucht, die an Kühnheit
in der Idee alles Frühere übertreffen. Wir erinnern nur an das Projeft der Nutzbarmachung der Wasserkräfte des Niagarafalles. Mittels elektrodynamischer Maschinen sollte die mechanische Arbeitskraft des Wassers in Elektricität umgesetzt werden, diese selbst aber sollte durch Kupferdräthe resp. Stangen fortgeleitet werden in die größeren Städte und hier wiederum durch das Mittel der Elektrodynamik zu Arbeits-, Heizungs- und Beleuchtungszwecken u. s. w. zur Ausnutzung kommen. Wir könnten uns so theoretisch eine Zentralstelle, sagen wir kurz, der Krafterzeugung denken, die durch entsprechende Transmissionnen ganze Länder, ja ganze Continente mit allen Krafterfordernissen zu versorgen vermöchte; ein Fernblick, der selbst die weitgehendsten kommunistischen Spekulationen übertreffen dürfte.
Durch die allgemeine Nußbarmachung der Wasserkräfte für gewerbliche Zwecke würde in der That ein Umsturz aller gewerblichen Betriebe und der gesellschaftlichen Organisationen hervorgerufen werden, wie solche vorher in der Urzeit nur durch die Entdeckung des Feuers und in der Neuzeit durch die Erweckung des Dampfes erzeugt sind.
Wir hätten das Perpetuum mobile erreicht, soweit die physischen Materialien und das Weltengebäude nicht selbst der Veränderlichkeit unterworfen sind, denn die Sonne sorgt immer wieder für Ablagerung der Wassermassen auf den Gipfeln der Berge; die Schwere aber treibt unablässiig diese wiederum den Flüssen und endlich den Weltmeeren zu. Es ist in der That kaum glaublich, daß bei der ungeheuren Verschwendung von mechanischer Arbeitskraft der fließenden Gewässer, diese noch nicht mehr zu einer allgemeinen Ausnutzung herangezogen sind. Zwar hat man zu Mühlen- und einzelnen Fabrikbetrieben schon längst durch direkte Verwendung die Wasserkräfte zu mechanischen Arbeitsleistungen herangezogen, auch die Hochquellenwasserleitungen basiren auf dem gleichen Prinzipe und führen den Städten selbstthätig ihre Gewässer zu; ferner versucht man in neuester Zeit noch durch das Zwischenglied von komprimirter Luft die Wasserkräfte auf größere Ent
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