wäre mir wegen der unverschämten Theaterrezension von dem betreffenden Zeilenschreiber anonym zugeschickt worden."

Um die dünnen Lippen des Justizraths zuckte ein spöttisches Lächeln. Wir waren an jenem Morgen mit dem schönen Ge­danken an Fräulein Selig- Bergfeld zu Bette gegangen und auf­gestanden, und sahen vor lauter Selig- keit in dem Zeitungs­blatt nichts weiter, als die unverschämte Behauptung des Zeilen schreibers, Fräulein Selig könnte, wenn sie wollte, mit demselben Rechte, wie der Schauspieler Bergfeld, ungefähr noch drei Dußend Männer mit der Anhängung ihres Namens an den eigenen selig machen, n'est ce pas, mon cher?"

" Pardon!" antwortete der junge Herr ärgerlich. Auch den Auch den in geschäftlicher Beziehung für uns interessanten Artikel fand ich sofort, obgleich er nicht, wie der andere, auf der ersten Seite des Blattes stand. Und ich begnügte mich nicht damit, ihn gefunden und damit die wahrscheinliche Ursache von Alsters Zurückhaltung sowohl, als von seinen uns unbequemen Einfällen entdeckt zu haben, sondern ich ging der Sache auf den Grund." " Das heißt?"

" Das heißt, daß ich persönlich nach B. fuhr und mich in der Redaktion des, Kurier' nach dem Verfasser des Artikels erkundigte." ,, Und die Redaktion schäßte es sich natürlich zur Ehre, das Redaktionsgeheimniß dem ihr ganz unbekannten Herrn Referen darius Doktor Wichtel zuliebe zu brechen, sizen wir da auf dem Grunde?"

Die Reihe des Achselzuckens war jetzt an dem Sohne. Was der sehr zugeknöpfte Redakteur des Blattes nicht sagen wollte, das pfiffen höchst ungenirt die Sezer, von denen ein paar früher hier bei Gandersberg gewesen waren und mich kannten. Die Geschichte kostete mich ein Fäßchen Bier und den Verdacht bei den biederen Segern, ich sei extra nach B. gekommen, um mich zu vergewissern, daß den Artikel gegen die Selig wirklich niemand anders ge­schrieben habe, als der bucklige Jude Doktor Samuel, was ich erstens schon wußte, und woraus zweitens weder die Redaktion noch der unverschämte Schmul selbst ein Geheimniß machten."

" Wirklich außerordentlich umsichtig," bemerkte der Justizrath in spöttischer Anerkennung. Wer war also der Biedermann, der uns mit seiner Schreiberei so unerwünscht in die Quere kam?" Ein ehemaliger Techniker der senkbeil'schen Fabrik."

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" Ah!" machte der Justizrath, zum erstenmal ein wenig über­rascht. Sollte Senkbeil selbst dahinter stecken?"

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" Nicht gut möglich," entgegnete der Sohn; denn der Artikel, auf welchen du dich also nicht mehr genau erinnerſt, enthielt einen direkten, wenn auch plumpen Angriff auf Senkbeil, und der Schreiber ist nicht als Freund seines ehemaligen Prinzipals aus dessen Fabrik geschieden, im Gegentheil! Das habe ich nicht blos aus dem Munde des Mannes selbst, sondern aus verschie­denen, völlig unverdächtigen Quellen. Der Techniker, welcher stellungslos ist und sich als Berichterstatter über technische An­gelegenheiten und dergleichen ein höchst unbedeutendes Einkommen erwirbt, hatte von unserm Gründungsprojekt gehört, und war der Meinung, wir wollten mit Senkbeil gemeinsame Sache machen. Das veranlaßte ihn, nicht nur in einem, sondern in mehreren Artikeln, zuerst vorsichtig, schließlich aber ganz rücksichtslos über uns ebenso wie über Senkbeil herzufallen. Der letzte, ausführ­lichste und derbste Artikel, der, auf den du mich also zuerst auf­merksam gemacht hast nachher bin ich noch von vielen Seiten darauf hingewiesen worden, machte uns lächerlich, daß wir der überlegenen ausländischen Maschinenindustrie siegreiche Kon­furrenz machen wollten, das wäre ein Unsinn, welcher blos be­wiese, daß wir von der Technik und dergleichen Anlagen keinen blauen Teufel verstünden. Denn, wenn wir auch, was er- der Artikelschreiber, trotz des dichten Schleiers, welcher die Theilhaberschaft Senkbeils verhüllte, als selbstverständlich voraus­ſeßte, wenn wir auch die senkbeil'sche Fabrik übernähmen und sie, den riesigen Zeitanforderungen entsprechend, vergrößerten, so brauchten wir gleich von vornherein hunderttausende von Thalern, und da könnten wir auch nur ein Fabriketablissement herstellen, wie es in England und Amerika deren hunderte gäbe u. s. w. Dann kamen sehr eingehende Mittheilungen über die Einrichtungen und den Werth der senkbeil'schen Fabrik, die äußerst ungünstig für Senkbeil ausfielen."

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Der Justizrath wurde nun doch wieder ungeduldig. Aber, Aber, mein Lieber, das weiß ich wirklich alles schon lange."

" Ich glaubte die Einleitung dir nicht erlassen zu können, da du ja in der letzten Zeit so von der hohen Politik in Anspruch genommen warst und von andern, meinem Verständniß noch

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weniger zugänglichen Geschäften, daß du dich vielleicht sehr zu unserm Schaden um die Fabrikgründung schließlich doch wohl nur sehr obenhin gekümmert hast."

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Der Justizrath, welchen der Bericht des Sohnes doch mehr erregt haben mochte, als er sich merken lassen wollte, schob sich die große goldne Brille, die vermöge ihrer Schwere stets ent­schiedene Neigung zeigte, auf der langen Nase ihres Besizers abwärts zu rutschen, langsam aber energisch dicht vor die Augen und maß seinen Sohn mit beinahe verächtlicher Miene.

" Herr Sohn," erwiderte er dann mit schneidiger Kälte im Tone, ich verbitte mir jede Kritik meines Thuns und Lassens. Ich habe deinen meist sehr kostspieligen Neigungen schon seit geraumer Zeit die Zügel der väterlichen Kontrole schießen lassen, weil ich grundsäßlich jeden nach seiner Façon das bischen Leben genießen lasse, aber ich that das nicht etwa, um mir selber gelegentlich Zügel anzulegen oder zu dulden, daß sie mir angelegt werden. Die Wiederholung von Bemerkungen, wie ich sie soeben gehört habe, würde das sofortige Abbrechen unsrer heutigen Ver­handlungen zur Folge haben, verstanden?"

Der Referendar biß sich auf die Lippen und wurde roth vor Aerger, aber er mußte Ursache haben, seinen Vater nicht noch mehr zu reizen, denn er ging ohne weiteres zur Fortsetzung seines Berichts über.

" Die nächste Folge jenes Zeitungsartikels also war eine Bes richtigung Senkbeils, in der er kurz und rund die fraglichen Mit­theilungen, soweit sie ihn beträfen, als vollständig aus der Luft gegriffen, und direkt das Gegentheil von der Wahrheit enthaltend, kennzeichnete. Er werde, um die beabsichtigte Schädigung seines auf das erfreulichste emporblühenden Geschäfts vollständig zunichte zu machen, sein Etablissement dem Gutachten eines allgemeine Anerkennung genießenden Sachverständigen unterwerfen und dieses Gutachten seinerzeit veröffentlichen."

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"

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Nun und du und Alster ihr habt ja doch auch den Artikel, soweit er uns anging, berichtigt?" fragte der Justizrath. , Gewiß, das haben wir; aber erstens war unsre Berichtigung schon von einer andern uns betreffenden Zeitungsnotiz, welche in allen einigermaßen beachtenswerthen Zeitungen, den, Kurier' aus­genommen, die Runde machte, überholt worden-"

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"

Sie enthielt?"

- Die Mittheilung, aus bester Quelle natürlich, daß an dem Sensationsartikel des, Kurier nichts weiter wahr wäre, als daß wir uns in der That mit Senkbeil ossoziiren würden." Und zweitens?"

" Zweitens konnte ich Alster absolut nicht dazu bewegen, unsre Berichtigung auch auf die Andeutung einer Verbindung mit Senkbeil auszudehnen. Einmal, meinte er, wäre es ganz gut, wenn die Leute über unser Vorhaben im unklaren blieben, und dann frage es sich ja auch, ob eine geschäftliche Vereinigung mit Senkbeil nicht wirklich gerathen sei falls dieser selber nur dazu Lust habe."

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Wie ist denn nun aber diese zweite Notiz in die Zeitungen gekommen?"

Scheinbar sehr einfach. Der Besizer der, Landeszeitung' ist ja dein guter Freund und seine Redakteure wissen das. Kaum hatten die einen Bürstenabzug von der Sensationsente des , Kurier' in der Hand dergleichen Liebesdienste leistet ihnen, selbstverständlich hinter dem Rücken der Redakteure und des Herausgebers, ein Sezer oder Maschinenmeister vom, Kurier', so fabrizirten sie uns zu Gefallen die Gegennotiz, weil ihnen, wie mir der eine der Redakteure anvertraute, der Gedanke einer Assoziation von uns und Senkbeil die allervernünftigste und darum ungemein schmeichelhaft, nicht wahr? auch die am ehesten vorauszusetzende Kombination erschien?"

,, Und da hast du denn die Dinge so gehen lassen, wie sie eben gingen, mein diplomatischer, vermeintlich allen Situationen gewachsener Herr Sohn?"

Ich hatte alle Hände voll damit zu thun, um Alster abzuhalten, daß er nicht schleunigst in offizielle Verhandlungen mit Senkbeil träte. Ueberdies jagten die Ereignisse einander, welche unsre Lage immer schwieriger machten und mir kaum noch Zeit zur Ueberlegung ließen. Zuerst hatte sich Senkbeil an Waldstein gewandt, um diesen zu einer Untersuchung seiner Fabrikanlagen zu veranlassen. Solange ich der Meinung war, es würde solch ein Gutachten, bei dem entsprechenden guten Willen auf Seiten des Sach­verständigen, für Senkbeil ungünstig ausfallen, so redete ich Waldstein zu, den Auftrag zu acceptiren. Nach der ersten flüch­tigen Besichtigung erklärte mir aber Waldstein, daß an ein ab­