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empfangen, zum zweitenmal am 9. Sept. 1788 in Rudolstadt bei Frau von Lengenfeld, Schillers nachheriger Schwiegermutter, nach welchem Zusammentreffen dieser an seinen Freund Körner schrieb:" Im Ganzen genommen ist meine in der That große Idee von Goethe nach dieser persönlichen Bekanntschaft nicht vermindert worden; aber ich zweifle, ob wir einander je sehr nahe rücken werden. Vieles, was mir jetzt noch interessant ist, was ich noch zu wünschen und zu hoffen habe, hat seine Epoche bei ihm durchlebt. Sein ganzes Wesen ist schon von Anfang her anders angelegt, als das meinige, seine Welt ist nicht die meinige, unsere Vorstellungsarten scheinen wesentlich verschieden 2c." Noch weniger Hoffnung auf eine gegenseitige Annäherung mußte Goethe empfinden. Dem eben aus Italien heimgekehrten, der sich an der maßvollen Schönheit und einfachen Würde der klassischen Kunst berauscht hatte und sein Leben und Dichten in gemessene Formen zu lenken auf das selbstbewußteste bestrebt war, wider stand das exzentrische Pathos, in dem sich das allerdings große, aber noch unreife Talent des um zehn Jahre jüngeren Dichters in den Räubern"( 1781) ausgesprochen hatte, der Sturm und Drang im Fiesto"( 1783) und in ,, Kabale und Liebe "( 1784) muthete ihn ebenso wenig an, und vom„ Don Karlos "( 1787) jagte er ausdrücklich, daß er nicht geeignet gewesen, ihn Schiller näher zu führen; alle Versuche von Personen, die ihnen beiden nahe gestanden, sagte er, habe er abgelehnt. Die ungeheure Kluft zwischen unseren Denkweisen" schreibt er im Hinblick auf den Eindruck, den Schillers 1793 veröffentlichter Aufsatz ,, leber Anmuth und Würde" auf ihn hervorgebracht klaffte nur desto entschiedener. An keine Vereinigung war zu denken. Selbst das milde Zureden eines Dalberg, der Schiller nach Würden zu ehren verstand, blieb fruchtlos, ja meine Gründe, die ich jeder Vereinigung entgegenseßte, waren schwer zu widerlegen." Nichtsdestoweniger trug Goethe das seine zu Schillers Berufung zum Professor der Geschichte an die Landesuniversität Jena ( 1789) bei, nachdem dieser ein Jahr vorher den Abfall der Niederlande" veröffentlicht hatte; nichtsdestoweniger brachte er, wie schon bemerkt, im Jahre 1792 den„ Don Karlos " auf der weimarer Hofbühne zur Aufführung, und nichtsdestoweniger auch kam im Jahre 1794 eine Annäherung zwischen den beiden großen Männern zustande. Wenn Schiller " sagt Goethe in seinem ausführlichen Bericht darüber u. a.- ,, das für eine Idee hielt, was ich als Erfahrung aussprach, so mußte doch zwischen beiden irgend etwas Vermittelndes, Bezügliches obwalten. Der erste Schritt war gethan. Schillers Anziehungskraft war groß, er hielt alle fest, die sich ihm näherten; ich nahm theil an seinen Absichten und versprach, zu den Horen manches, was bei mir verborgen lag, herzugeben; seine Gattin, die ich von Kindheit auf zu lieben und zu schäßen gewohnt war, trug das Ihrige bei zu dauerndem Verständniß, alle beiderseitigen Freunde waren froh, und so besiegelten wir durch den größten, vielleicht nie ganz zu schlichtenden Wettkampf zwischen Objekt und Subjekt einen Bund, der ununterbrochen gedauert und für uns und andere manches Gute gewirkt hat. Für mich insbesondere war es ein neuer Frühling, in welchem alles froh neben einander keimte und aus aufgeschlossenen Samen und Zweigen hervorging. Unsre beiderjeitigen Briefe geben davon das unmittelbarste, reinste und vollständigste Zeugniß."
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Männer jener Zeit, wie den Dänen Jens Baggesen , Joh. Gottlieb Fichte, Gotter , Herder, Alex. und Wilh. Humboldt , F. H. Jacobi, Kant, Klopstock, Knebel, Lichtenberg , Matthisson , H. Meyer, Salis, A. W. Schlegel, Thümmel, Joh. H. Voß , die Schriftstellerin Karoline von Wolzogen u. a. m. Selbständige Beiträge von Goethe( sowie auch von Schiller ) finden sich, abgesehen von Uebersegungen, wie die von Benvenuto Cellini's Leben, zumeist nur im ersten Jahrgang der„ Horen ", weil durch das abnehmende Interesse des Publikums an der Zeitschrift sich auch die Theilnahme der Herausgeber an dem Unternehmen verminderte und beide jetzt dem schiller'schen ,, Musenalmanach", in dem sie ihrem Aerger gegen das theilnahmlose Publikum Luft machen konnten, größeren Fleiß zuwendeten. größeren Fleiß zuwendeten. Für den reichen Ideenaustausch, der zwischen den beiden Freunden in der Folge stattfand, wird der goethe- schiller'sche Briefwechsel für alle Zeiten ein beredtes Zeugniß sein. Zeugniß sein. Zunächst unterstützte Schiller den älteren Freund bei der Fertigstellung der letzten Bände des„ Wilhelm Meister " ( Berlin , 1795-96, 4 Bde.) durch manche treffende Bemerkung, wie andrerseits wieder jener von diesem die fruchtbarsten Anregungen erhielt. Ich kann nie von Ihnen gehen," schreibt Schiller im Juli 1797 u. a. Schiller im Juli 1797 u. a. ohne daß etwas in mir gepflanzt worden wäre, und es freut mich, wenn ich für das viele, was Sie mir geben, Sie und Ihren innern Reichthum in Bewegung setzen kann."
Der erste schiller'sche Musenalmanach" erschien für das Jahr 1796 in Neustrelitz und enthielt neben Beiträgen von Johann Christ. Fr. Haug, Herder , Joh. Christ. Fr. Hölderlin , Kosegarten, Aug. Friedr. Ernst Langbein, Pfeffel, Reinwald, A. W. Schlegel und andern eine Fülle schiller 'scher und goethe 'scher poetischer Beiträge. Von den folgenden Jahrgängen, die bei Cotta in Tübingen ( 1797-1800) erschienen, war der nächste, für 1797 bestimmte, der wegen des in ihm mit zuweilen allzugroßer Derbheit und Rücksichtslosigkeit gegen das mittelmäßige Poetenthum geführten Kampfes gleich berühmte wie berüchtigte Xenienalmanach, der wie ein stürmisches Gewitter in die schwüle Atmosphäre der damaligen Literatur hineinfuhr und sich nicht minder gegen die geringen schriftstellerischen Leistungen und die Seichtigkeit der Kritik, als wider den Ungeschmack des Publikums wendete. Die Xenien ", sagt Goethe selbst ,, die aus unschuldigen, ja, gleichgiltigenAnfängen sich nach und nach zum Herbsten und Schärfsten hinaufsteigerten, unterhielten uns( Schiller und mich) viele Monate und machten, als der Almanach( im Oktober 1796) erschien, noch in diesem Jahre die größte Bewegung und Erschütterung in der deutschen Literatur. Sie wurden, als höchster Mißbrauch der Preßfreiheit, von dem Publikum verdammt; die Wirkung aber bleibt unberechenbar." Im Jahre 1798 folgte der sogenannte Balladenalmanach", der, wie der im nächsten Jahre erscheinende, eine Reihe der schönsten Balladen, Romanzen, Lieder und Elegien von Goethe enthielt, während dieser zu dem Almanach des Jahres 1800 keine Beiträge lieferte. In diesen letzten Jahrgängen finden wir u. a. noch vertreten: Wilhelm Humboldt , J. D. Gries, Lenz, Matthisson , August Freiherr von Steigentesch, Luise Karoline Brachmann, Friederike Brun , Amalie v. Imhof( die Uebersezerin von Tegnérs herrlicher Frithjofssaga"). Weiter fanden die unvergleichlichen Dichtergrößen einen gemeinschaftlichen Berührungs,, Meine Theilnahme an seinen Unterpunkt in der weimarer Bühne, auf welcher jetzt abwechselnd häufig nehmungen" heißt es an einem andern Orte- ,, an den schiller'sche und goethe 'sche Stücke erschienen. Horen, dem Musenalmanache, den dramatischen Vorsäßen und aus mir selbst hervorgerufenen Arbeiten, als Hermann und Dorothea , Achilleis, Cellini, eine neue Aussicht nach Italien und endlich eine Reise nach der Schweiz entfernten mich entschieden von jenen( osteologischen) Arbeiten" 2c. Und Schiller sprach sich in einem mit Uebereinstimmung" überschriebenen Spruch der„ Votivtafeln" über das neue Verhältniß so aus:
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,, Wahrheit suchen wir beide, du außen im Leben, ich innen Im Herzen, und so findet sie jeder gewiß...."
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Die gemeinsame Thätigkeit der beiden Geistesheroen erstreckte sich zunächst auf die in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung zu Tübingen ( 1795-97) erscheinende Monatsschrift Die Horen", die zwar zunächst von Schiller herausgegeben wurde, an der sich aber Goethe gleichsam als Mitredakteur betheiligte. Diese Monatsschrift wollte zur Beförderung wahrer Humanität durch Vereinigung von Wahrheit und Schönheit" dienen und hatte das besondere Bestreben, gründliche Kenntnisse in das gesellschaft liche Leben und Geschmack in die Wissenschaften einzuführen." In ihrem Mitarbeiterkreise vereinigte sie die hervorragendsten
Wenn inzwischen Schiller sich eifrigem dramatischen Schaffen hingab, so wendete sich Goethe neuerdings dem Epos zu, welcher Gedichtgattung er in seiner nächsten Schöpfung Hermann und Dorothea " eine unvergängliche Perle eingereiht hat. Zuerst nur auf ein kleineres idyllisches Gedicht berechnet und in diesem Sinne von dem durch Voß's" Luise" angeregten Dichter im September 1796 begonnen, wuchs das Poem, dessen Grundstoff bekanntlich der Geschichte der 1731 vertriebenen Salzburger entlehnt, aber mit großem Geschick auf die infolge der französischen Revolution aus Frankreich nach Deutschland Vertriebenen übertragen ist, unter der Theilnahme und dem künstlerischen Beirath Schillers und Wilhelm von Humboldts zu einem größeren Umfang an, wurde als erzählendes Gedicht in 9 Gesängen anfangs Juni 1797 vollendet und erschien noch im Oftober desselben Jahres in einem zu Berlin herausgegebenen Taschenbuche für 1798. Vorher, im Juli 1797, war Goethe noch über Frankfurt a. M., Heidelberg , Stuttgart in die Schweiz , in die Gegend von Zürich , gereist, um seinen ihm von der italienischen Reise her vertrauten, kränklichkeitshalber aus Rom dorthin heimgekehrten Freund Hein rich Meyer zu besuchen, von woher er über Zürich , Tübingen ,