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Nürnberg   am 20. November nach Jena   und zu Schiller   zurück­fehrte. Mehrere, theils frühere, theils jetzt erst gefaßte Pläne zu weiteren epischen Dichtungen, darunter ein auf dem Schau­platz der Tellsage geplantes Epos Tell", und ein erst später ( 1826) zur Novelle verarbeiteter Stoff gelangten, weil die seit des Dichters durch natur und kunstwissenschaftliche Arbeiten( so z. B. durch die mit H. Meyer 1798-1800 herausgegebenen Propyläen"), durch die Leitung der Bühne und anderer Kunst­und wissenschaftlicher Anstalten und Institute, durch anderweite Amtsgeschäfte, der Zerstreuungen des Hoflebens, die Zudringlich keit vieler Gäste, sowie endlich durch eine gefährliche Krankheit ( Januar 1801) und eine infolge derselben nöthig gewordene Badereise nach Pyrmont  ( im Sommer 1801) allzusehr gekürzt und ihm die Stimmung verdorben wurde, nur zu fragmentarischer Ausarbeitung, wie denn überhaupt in den nächsten Jahren grö­ßere Dichtungen nicht zu Stande kamen. Er überseßte nur, lediglich im Interesse der Hofbühne, Voltaire's Mahomed" ( 1799) und Tancred"( 1800) und schrieb kleinere Gelegenheits­stücke. Es begreift sich, daß unter diesen Umständen auch sein " Faust" nur langsame Fortschritte machte, den er hauptsächlich auf Schillers Antrieb hin wieder aufgenommen hatte. So ist denn in der That der erste Theil desselben erst im Winter 1806 bis 1807 druckfertig, die ,, Helena" aber erst 1828 und der ganze zweite Theil( worin die Helena" den dritten Aft bildet) gar erst 1831, also nur ein Jahr vor dem Tode des Dichters, vollendet worden. Bom Jahre 1799 bis zum Jahre 1803 beschäftigte er sich dann noch mit dem Drama Die natürliche Tochter  ", das ebenfalls nur nach langen Pausen zur Vollendung kam und 1804 bei Cotta erschien. Im Jahre 1803 gelang es dem so vielfach und unermüdlich beschäftigten Mann die Jenaische allgemeine Lite­raturzeitung", die an Stelle der nach Halle übergesiedelten, ur­sprünglichen ,, Allgemeinen Literaturzeitung" der Universität Jena trat, unter der Leitung des Professors Eichstädt ins Leben zu rufen und dem kühn gewagten Unternehmen durch seine Beiträge sowohl, wie durch Heranziehung ausgezeichneter Mitarbeiter festen Fuß zu schaffen. Vom Dezember 1803 bis Anfang März 1804 war die geistsprühende Französin von Staël   in Weimar   und setzte durch ihr leidenschaftliches Temperament alles in Aufregung, ins Jahr 1803 fällt auch die Schließung des Freundschaftsbundes mit dem Baumeister und Musiker Belter( 1758-1832), mit wel­chem er in Karlsbad   vierzehn Tage lang zusammen war; ferner war inzwischen Voß nach Weimar   gekommen, der indessen bald nach Schillers Tode zum großen Leidwesen Goethe's   die Residenz wieder verließ. Gegen Ende 1804 begann der Dichter die Ueber setzung des Dialoges Rameau's Neffe  " von Diderot  , welche Schrift von ihm als ein Juwel der französischen   Literatur be­zeichnet ward. Die Uebersetzung erschien schon im folgenden Jahre. Außerdem nennen wir von weiteren in diese Zeit fallenden Arbeiten Goethe's   die kunstwissenschaftliche Schrift ,, Winkelmann und sein Jahrhundert. In Briefen und Aufsätzen mit Beiträgen von Fr. Aug. Wolf und H. Meyer"( Tübingen   1805) und die in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung" veröffentlichte ebenso eingehende wie warme und herzliche Besprechung der Allemannischen Gedichte" Joh. Peter Hebels.

Welch ein harter Schlag für Göthe   der am 9. Mai 1805 erfolgte Tod Schillers war, ist bekannt. Der trauernde Freund hatte dem schlichten Sarge nicht zur letzten Ruhestätte des großen Todten folgen können, da ihn Krankheit an das Zimmer fesselte;

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aber wie groß sein Leid war, lesen wir z. B. aus folgender Stelle seiner eigenen Erzählung deutlich heraus. Unleidlicher Schmerz ergriff mich" sagt er ,, und da mich körperliche Leiden von jeglicher Gesellschaft trennten, so war ich in traurig­ster Einsamkeit befangen. Meine Tagebücher melden nichts von jener Zeit; die weißen Blätter deuten auf den hohlen Zustand" u. f. f. Das herrlichste und unvergänglichste Denkmal hat, wie jedermann weiß, der Freund dem Freunde in jenem ,, Epilog zu Schillers Glocke  " gestiftet, der am 10. August 1805 zum ersten male auf der Bühne in Lauchstädt   gesprochen wurde, und von dem wir nur die ewig denkwürdigen Worte hierher setzen:

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Es glühte seine Wange roth und röther Von jener Jugend, die uns nie entfliegt, Von jenem Muth, der früher oder später Den Widerstand der stumpfen Welt besiegt, Von jenem Glauben, der sich, stets erhöhter, Bald kühn hervordrängt, bald geduldig schmiegt, Damit das Gute wirke, wachse, fromme,

Damit der Tag dem Edlen endlich komme."

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Und stellen wir diesem herrlichen Zeugniß des Freundes gegenüber, was wiederum Schiller über seinen hohen Geistes­verwandten, in einem nicht für die Deffentlichkeit bestimmten und zuerst 1858 im Altonaer Merkur" abgedruckten Briefe an die Gräfin Schimmelmann( v. 23. November 1800) sagt. Er nennt darin seine Bekanntschaft mit Goethe das wohlthätigste Ereigniß seines ganzen Lebens und fährt dann u. a. fort: Ich brauche Ihnen über den Geist dieses Mannes nichts zu sagen. Sie er­fennen seine Verdienste als Dichter, wenn auch nicht in dem Grade an, als ich sie fühle. Nach meiner innigsten Ueberzeugung kommt kein anderer Dichter ihm an Tiefe der Empfindung und Bartheit derselben, an Natur und Wahrheit und zugleich an hohem Kunstverdienste auch nur von weitem bei. Die Natur hat ihn reicher ausgestattet als irgend einen, der nach Shake­ speare   aufgestanden ist. Und außer diesem, was er von der Natur erhalten, hat er sich durch rastloses Nachforschen und Studium mehr gegeben als irgend ein anderer. Er hat es sich seit zwanzig Jahren mit der redlichsten Anstrengung sauer werden lassen, die Natur in allen ihren drei Reichen zu studiren und ist in die Tiefen dieser Wissenschaften gedrungen.... Welcher von allen Dichtern kommt ihm in solchen gründlichen Kenntnissen auch nur von ferne bei? nnd doch hat er einen großen Theil seines Lebens in Ministerialgeschäften aufgewandt, die darum, weil das Herzogthum klein ist, nicht klein und unbedeutend sind. Aber diese hohen Vorzüge seines Geistes sind es nicht, die mich an ihn binden. Wenn er nicht als Mensch den größten Werth vor allen hätte, die ich je habe kennen lernen, so würde ich sein Genie nur in der Ferne bewundern. Ich darf wohl sagen, daß ich in den sechs Jahren, die ich mit ihm zusammenlebte, auch nicht einen Augenblick an seinem Charakter irre geworden bin. Er hat eine hohe Wahrheit und Biederkeit in seiner Natur und den höchsten Ernst für das Rechte und Gute." Bekannt ferner dürfte unseren Lesern sein, was Schiller   in viel zu beschei­dener Hintenansehung seiner eigenen dichterischen Verdienste an seinen Freund Körner schreibt: Daß Euch mein Gedicht Freude machte, war mir sehr angenehm zu hören; aber gegen Goethe bin und bleib ich eben ein poetischer Lump." ( Fortsetzung folgt.)

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II.

Das neue Recht im neuen Reich.

Von. D.

Die allgemeinen Grundsätze des Strafprozesses und Civil­prozesses in ihrer Gegensätzlichkeit und Gemeinsamkeit.

b) Das Prinzip der Mündlichkeit.

Es ist mit ein Grundzug der Entwicklung der modernen Völker, welcher in keinem, auch nur leicht hingeworfenen Bilde der Zeit fehlen darf, daß die Schrift in der Bedeutung für das unmittelbare Leben des Volks, wenn nicht hinter dem gesprochenen Worte zurückgetreten, so doch diesem gleichgekommen ist. Wo immer der Konstitutionalismus über den Absolutismus hinweg

als Sieger in die einzelnen Staaten eindrang, begleitete ihn als braver Kamerad im Kampf das freigesprochene Wort, die freie Rede. Die enge Bundesgenossenschaft der freien Rede und der fonstitutionellen Staatsverfassung zeigt schon der Name des einen Faktors der konstitutionellen Staatsregierung ,,, Parlament", an. Aus den geseßgebenden Körperschaften drang das freie Wort in die Verwaltung und erzwang von den Organen derselben seine Anwendung bei der Behandlung der Verwaltungsangelegenheiten.

Und soweit sich das Volk unmittelbar in Versammlungen und Vereinen an den Angelegenheiten des Staates betheiligte, ge­brauchte es als schärfste Waffe gegen die Feinde seiner Freiheit