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Bernhard von Cotta. ( Porträt Seite 124.) Was Humboldts fosmische Naturanschauung und Ritters vergleichende Methode angebahnt, das hat Bernhard von Cotta's geologisches System für die wissenschaft liche Erdkunde begründet. Der Gegensatz moderner Wissenschaft, wie sie Cotta auffaßte, zu jener früheren beruht in der Erkenntniß, daß, ebenso wie die organische Welt, auch die sogenannte anorganische fortwährenden Wandlungsprozessen unterliegt. Soweit die Erdrinde in die Tiefe reicht, soweit ihre Gipfel in die Lüfte ragen, soweit ihre Einsenkungen unter den Fluthen des Ozeans oder den vergleichsweise kleinen Wasseransammlungen des Binnenlandes sich bergen überall erkennt die Forschung in der unaufhörlichen Umwandlung ihrer Bestandtheile Bewegung und Leben bethätigt. So wird die sogenannte anorganische Natur zum lebendigen Organismus, so werden auch die Katastrophen der Elementargewalten, die vulkanischen Erscheinungen, die Erdbeben, zu Lebensäußerungen. In diesen aufgeschlagenen Blättern des Buches der Natur hat Bernhard von Cotta die Urgeschichte der Erde zu lesen versucht. Zu welchen Ergebnissen dieses von ihm begründete System führte, wollen wir im nachfolgenden Aufsatz darlegen. Das Schicksal hat den im Jahre 1808 zu Zillbach bei Eisenach gebornen Cotta zum Naturforscher bestimmt, indem es ihn von Eltern abstammen ließ, die seine schon früh erwachte Neigung zu geologischen Studien pflegten. Nach der Uebersiedelung seines Vaters, eines Forstrathes, nach Tharand, besuchte er von 1822-26 die Kreuzschule in Dresden und von 1833 ab die Universität von Heidelberg . Dem Studium der todten Sprachen konnte er nicht viel Geschmack abgewinnen, desto mehr der Betrachtung der lebendigen Natur. Gleich die Erstlingsarbeit des 25jährigen Gelehrten legte Zeugniß ab von dem emsigen, ernsten, gründlichen Beobachten des wirklich Vorhandenen, und dieser Art der Forschung ist er Zeit seines Lebens treu geblieben. Die Abhandlung über die Dendrolithen( Baumstammverkieselungen), welche noch heute bis auf die feinsten Gebilde jede Faser, jedes Gefäß jener Palmen und Farrn zeigen, die vor hunderttausend Jahren unsere Wälder schmückten, sowie die in Gemeinschaft mit seinem Lehrer Naumann herausgegebene Karte Sachsens machten Cotta über Nacht berühmt. Um seinen Studien auch eine praktische Unterlage zu geben, begab er sich auf Reisen. Mit dem Hammer in der Hand, stets beobachtend und vergleichend, durchstreifte er Deutschland , England, die Alpen , Oberitalien , Oberösterreich , Ungarn , die Bukowina, Serbien , Siebenbürgen , Tirol, Kärnthen, das Banat , Kroatien , die Militärgrenze , den Ural ( Grenzgebirge zwischen Europa und Asien ), den Altai ( sibirischer Höhenzug) und das Land der don'schen Kojaken( südliches Rußland ). Troß der unbestreitbaren Genialität seiner Auffassung hielt er sich und seine Lehren für nichts weniger als unfehlbar. Wohl stellte er neue Säße auf und verstand es, sie zu verfechten, doch hörte er gern und prüfte gründlich den Gedankengang anderer, wie wir aus seinem mündlichen und schriftlichen Verkehr mit Gelehrten, wie A. von Humboldt, L. von Buch, G. und H. Rose, Mitscherlich, Naumann, Reich, Scheerer, Breithaupt und Jossa , erfahren. Er wurde seiner doppelten Eigenschaft als freiberger Professor und Schriftsteller in vollem Maße gerecht. Trotzdem er Tag und Nacht studirt, gedacht, gelesen, geschrieben hatte, war er bei seinen geognostischen Ausflügen seinen Schülern gegenüber nichts weniger als griesgrämig.
Neben dem regen Sinn für die Natur sprudelte in Cotta ein frischer, froher, lebhafter, manchmal fecker Geist. Er gab nicht viel auf die nichtsfagenden Formen der Etikette, trat vielmehr mit großer Unbefangenheit gegen alles auf und geißelte mit wißiger Satire, was ihm als Zopf, Unwahrheit im geselligen Umgang, übertriebene Rücksicht erschien. Er that dies offen; Verstellung und Intrigue waren ihm fremd. Etwas jugendlich Burschikoses behielt er bis in die letzten Jahre seines Lebens, und wenn die Leute ihm auch sagten, er sei ein absonderlicher Mann, so lächelte er und setzte sich über das Urtheil der Menge leicht hinweg. Auch dem öffentlichen Leben widmete sich Cotta. Mit Begeisterung folgte er der Bewegung des Jahres 1848, zu welcher Zeit er sehr weit links stand; nach den dresdener Maitagen beherbergte er lange Zeit eine Barrikadenkämpferin. Der Schriftsteller Cotta verstand es trefflich, die Wissenschaft mit dem Leben zu vereinen. Er sammelte die Blumen im Garten der Wissenschaft, um sie zu ansprechenden Kränzen zu verbinden; mochte er seine oder anderer Gedanken zu Papier bringen, immer that er es in schöner, leicht verständlicher, oft blühender Sprache, und grade durch die Art der Behandlung des Stoffes wurde er bei Fachleuten einer der geachtetsten Schriftsteller, während er bei Laien den Sinn für seine sonst so trockene Wissenschaft zu wecken und wach zu halten verstand.
Wie schon im Eingang dieses Artikels erwähnt, suchte und fand er, gleich Humboldt und Ritter, ganz neue und wichtige Beziehungen zwischen der Gebirgswelt( im geologischen Sinne genommen) und dem
dieselbe bewohnenden Menschengeschlecht. Seine Werke ,, Deutschlands Boden" und ,, Geologie der Gegenwart", welche in mehrere Sprachen übersetzt wurden, fußen auf diesen Grundsätzen. Die meiste Verbreitung, weil eine Fülle interessanter Beobachtungen enthaltend, fanden die populär gehaltenen Abhandlungen über den sibirischen Gebirgsstock Altai und die vielbenußten Volksbücher ,, Geologische Bilder" und ,, Katechismus der Geologie". Nachdem wir den Gelehrten geschildert, wollen wir auch dem Menschen Cotta ein paar Worte widmen. Er war nie arm und nie reich; in seinen Kapitalsanlagen immer unpraktisch, wurde er um den größten Theil seines mühsam Erworbenen in betrügerischer Weise gebracht. Als sich im Jahre 1870 sein Lieblingswunsch erfüllte, ein eigenes Heim zu besißen, konnte er sich dessen nicht mehr erfreuen, denn er war ein gebrochener Mann. Die ersten Mahnungen einer Nervenzerrüttung, Folge von Ueberanstrengung, verhinderten ihn daran, seinen dämmernden Lebensabend in Ruhe zu genießen. Neun Jahre lang streckte der Tod seine Knochenhand nach ihm aus. Die Lähmung des Nervensystems verhinderte ihn an jeglicher geistigen Anstrengung, ohne dem siechen Dulder den Humor zu rauben. Noch im letzten Augenblick beklagte der Philosoph weniger seine eigene Krankheit als das Gesez, nach welchem die Menschheit zum Ertragen der Leiden verurtheilt ist. Er starb am 14. September 1879. Die Wissenschaft, für die er lebte und starb, ist seine trauernde, dankbare Erbin. Hoffen wir, daß sie seinen reichhaltigen Nachlaß zum Siege der Bildung über die rohe Gewalt verwenden wird.
Dr. M. T.
Eisbrechschiff auf dem Delaware bei Philadelphia. ( Bild Seite 125.) Unser Bild führt uns an jene historisch merkwürdige Stelle, welche, von der Mündung des Flusses Schuilkill in den Delawarestrom fünf Kilometer entfernt, im Jahre 1682 der Schauplatz der Zusammenkunft des Quäkers William Penn mit den Indianern war. Ein großer Ulmbaum war der stillschweigende Zeuge jenes Vertrages, von dem man zu sagen pflegt, daß er der einzige Vertrag sei, der ohne Eid zu Stande kam und niemals gebrochen wurde. William Penn kaufte den Delaware - Indianern eine Landzunge ab, auf welcher er die Stadt der Bruderliebe( Philadelphia ) gründete. Die 800,000 Einwohner, welche Philadelphia heute beherbergt, haben zwar von der Ausübung der Bruderliebe einigermaßen Abstand genommen, pflegen aber destomehr Handel und Wandel. Da die Stadt, wie die deutschen Hansastädte Hamburg , Bremen und Lübeck , nicht direkt am Ozean liegt, sondern einige Meilen landeinwärts, wie schon oben bemerkt unweit des Schuilkill- und Delawarezusammenflusses, so muß man darauf bedacht sein, wenn sich der Strom mit Eis bedeckt, die Läh mung dieser Pulsader Philadelphias möglichst wenig fühlbar zu machen. Zur Herstellung der Kommunikation, welche während des harten Winters in Pennsylvanien wochen-, ja monatelang durch Frost unter brochen wird, hat die Stadt Philadelphia drei große Eisbrechschiffe bauen lassen. Eins davon, City- Jceboot Nr. 3, sieht man auf unse rem Bilde in Thätigkeit. Die Rippen des Eisbrechschiffes sind fester konstruirt wie die eines gepanzerten Kriegsschiffes; der Rumpf ist aus geschmiedetem Eisen, der wichtigste Theil daran ist der Bug, mit wel chem das Eisen aufgestoßen wird. Donnernd krachen die Schollen wie vom Sturme gehoben und fliegen nach allen Seiten hinauf; stöhnend arbeiten die Maschinen des Schiffes mit Hochdruck und lassen schwarze Rauchwolfen, mit weißem Dampfgischt gemischt, ihren schlanken Rauch fängen entsteigen. Während der Eisbahnbrecher wie ein Sturmbod gegen das hemmende Element stößt, daß seine Bestandtheile von der Schlotspiße bis zum Kielraum erzittern, zieht die Reihe der schwer beladenen Schiffe in seinem Schlepptau ruhig und langsam auf der freigemachten Wasserbahn. Das Honorar für das Remorquiren mit einem Eisbrecher ist schon ziemlich hoch, und doch müssen bisweilen zwei Eisbrechschiffe in Thätigkeit treten, wie in den sogenannten Hor seshoe einige Kilometer unterhalb Philadelphia , wo der Fluß eine dem Hufeisen ähnliche Wendung beschreibt und eine sehr starke, den Schiffen gefährliche Strömung hat. In der eisfreien Zeit wimmelt der Strom, der an seiner Mündung etwa zweimal so breit ist wie der Rhein bei Mainz , von großen Seeschiffen, die unter der vollen Wirkung der das Flußwasser stauenden Fluth bis nach Philadelphia segeln können. Kleinere Dampfer befahren den Delaware bis Trenton . So weit das Auge reicht, lebt und webt alles, und das„ Heilige Experiment", die Gründung des Quäkerstaates, dessen Bodenfläche von 2450 Quadrat meilen Vater William Penn dem englischen König Karl dem Zweiten für 16,000 Pfund Sterling abkaufen mußte, um sie noch einmal Stüd für Stück den Indianern abzuhandeln, ist als vollständig gelungen zu
betrachten.
Dr. M. T.
Inhalt. Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph von B.. nach dem Leben, von Dr. A. D.-P.( Fortsetzung). Johann Wolfgang Goethe , von Dr. M. Vogler( Fortsetzung). der Bauernphilosoph. Eine Stizze nenen Reich, von P. D.( II. Fortsetzung.) Afrifa und seine Erforschung. Geschichtliche Zusammenstellung von Dr. M. Trausil Das neue Recht im von Cotta( mit Porträt). Eisbrechschiff auf dem Delaware bei Philadelphia ( mit Illustration). Bernhard
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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Südstraße 5). Expedition: Färberstraße 12. II. Drud und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig .
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