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Welt- und Menschenansicht daraus gebildet und wie er sie, wenn er Künstler, Dichter, Schriftsteller ist, wieder nach außen abspie­gelt." Am wenigsten historisch treu ist, wie wir, um irrthüm lichen Auffassungen vorzubeugen, besonders hervorheben, in ,, Wahrheit und Dichtung  " die Sturm- und Drangzeit des Autors geschildert. Endlich schuf der überaus thätige Mann in diesen Jahren noch eine Reihe seiner schönsten Balladen( z. B. ,, Jo­ hanna Sebus  ", 1809 ,,, Die wandelnde Glocke", Der getreue Eckart", Der Todtentanz", 1813 ,,, Die Ballade vom vertriebe­nen und zurückkehrenden Grafen  ", 1816), ferner mehrere ge­sellige, volksthümliche, scherzhafte Lieder und vor allem die in den Jahren 1814-1818 entstandenen Gedichte des West- östlichen Divan  ", der im Jahre 1819 erschien und später noch um man­ches vermehrt wurde.

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Die Entstehung der zuletzt genannten Sammlung hängt mit der Erweiterung der goethe'schen Kunstanschauung zusammen, die sich in ihm etwa vom Jahre 1814 an vollzog und ihn über seinen bisherigen, nur und ausschließlich dem klassischen Alterthum zu geneigten Standpunkt hinaus zu dem von jezt an sein ganzes Schaffen beherrschenden und gewissermaßen die höchste Stufe seiner künstlerischen wie seiner ganzen geistigen Entwicklung bil­denden Gedanken einer Weltliteratur hindrängte, in der sich alle Kulturvölker friedlich vereinigen werden und in welcher uns Deutschen   eine ehrenvolle Stelle" vorbehalten sein wird. Den Anstoß zu dieser inneren Gedankenrichtung in dem alternden Dichter gab vorzugsweise Sulpiz Boisserée  , der ihm bereits im Mai 1810 eine Reihe von Zeichnungen, die den kölner Dom  betrafen, zugesandt hatte und als er ein Jahr später nach der herzoglichen Residenz tam, Goethe's   Interesse für die deutsche Kunst des Mittelalters, die diesem in früheren Jahren eine so

Voetische Aehrenlese*).

Der Rubel auf Reisen.

Der Rubel reist im deutschen Land, Der frommen Leuten frommt, Und jeder öffnet schnell die Hand, Sobald der Rubel kommt.

Ihn speichert selbst der Pietist, Und giebt den Armen mehr:

Seit außer Kurs die Tugend ist,

Kursirt der Rubel sehr.

Der Tugend wird blos Ruhm zu Theil,

Es ist ein hohler Schall;

Doch wem die Welt um Rubel feil, Dem klingt ein rein Metall!

Da wird die Nacht gescholten Tag,

Der Teufel wird so gut!

Was nicht ein heller Klang vermag, Was nicht ein Rubel thut!

Des Nordens Sternbild wird bekränzt Vom Sängerchor des Teut:

Es ist der Rubel, der so glänzt,

Der so das Aug' erfreut!

Wohl ist er ein an jedem Strand Süß angegrinster Gast: Verkaufe nur dein Vaterland, Wofern du eines hast!

Der Rubel klirrt, der Rubel fällt, Was ist der Mensch? Ein Schuft! Und wenn die Welt dir nicht gefällt, So steig in deine Gruft!

Erst gab's nur einen Koßebu, Jezt gibt's ein ganzes Schock; Und schüttelst du das Haupt dazu, So leg es auf den Block!

Der Teufel siegt, der Gott verliert, Der blanke Rubel reist:

So ward von je die Welt regiert, So lang die Sonne kreist.

Graf v. Platen- Hallermünde.

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*) Unter dieser Rubrik gedenken wir fortan eine Reihe älterer, in weiteren Kreisen weniger bekannter Gedichte zu sammeln.

schwärmerische Bewunderung( s. seine Schilderung des straßburger Münsters) abgenöthigt hatte, aufs neue zu beleben wußte. Diesen neuen Beschäftigungen mit der Kunst, welche ihn in dem Sommer von 1814 und 1815 Studien halber wieder an den Rhein   und Main führten, verdankte die Zeitschrift ,, Kunst und Alterthum" ihre Entstehung, die Goethe von 1816 bis zu seinem Tode redi­girte, und in welcher er, über den ursprünglichen Zweck derselben hinausgreifend, später alle seine kleineren Arbeiten, bevor sie in die Gesammtausgabe aufgenommen wurden, zuerst veröffentlichte. Nach einer anderen und hier vorzugsweise in Betracht kommenden Seite hin wurde Goethe durch das wieder aufgenommene Studium des Drients, das ihn einige Zeit lang sogar auf das Gebiet der chinesischen Geschichte trieb, angeregt. Wie wir wissen, hatte er sich schon früh mit der Bibel beschäftigt; inzwischen war er nun auch an den Koran  , die Sakontala von Forster, die Moallakat ( Gedichte der sieben großen arabischen Dichter) und andere Werke gegangen und hatte verschiedene auf den Orient bezügliche Reise­bücher studirt. Nun kamen ihm im Jahre 1814 auch die Gedichte von Hafis   in der hammerschen Uebersetzung zu Gesicht, und er vertiefte sich immer mehr in den Charakter und den Ausdruck dieser nach seinen eigenen Worten seinem Alter, seiner Denk­weise, seiner Erfahrung und Umsicht zusagenden Dichtart". verfehlte dabei nicht, sich insbesondere bei schwierigen Fragen von den damaligen bedeutendsten Orientalisten Raths zu erholen. So entstand, indem der Dichter einestheils deutsche eigene Motive in orientalischem Gewande behandelte, anderntheils Nachbildungen orientalischer Proben hervorbrachte, der West- östliche Divan  ", dessen sonderbarer Titel außer in der Art dieses Inhalts in der nach Goethe's   Ansicht vorhandenen Wechselwirkung zwischen dem Osten und Westen seine Erklärung findet.( Schluß folgt.)

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Afrika   und seine Erforschung.

Geschichtliche Zusammenstellung von Dr. Mar Traufil.

( Fortsetzung.)

Er

Nach diesem gewaltigen Ereigniß trat eine Bause in der Erfor schung Afrikas   ein, welche durch die Religionskriege, die Europa   er­schütterten, herbeigeführt wurde. Erst nach Beseitigung dieses unseligen Bruderzwistes rafften sich die seefahrenden Nationen zu neuen Ent­deckungsreisen auf. Engländer und Holländer, später auch Dänen, folgten den Spuren der Portugiesen bis zum Congo und Zambesi  , legten Kolonien an und gründeten Handelsplätze. Im Jahre 1683 legte Brandenburg Faktoreien an der Goldküste an, ließ sie aber bald wieder verfallen. 1677 erscheinen die Franzosen zuerst in Afrika  . Um diese Zeit gründete Ambrosius Brun die erste französische   Kolonie an der afrikanischen Westküste und zwar unter dem 18. Grad nörd­licher Breite, an der Mündung des Flusses Senegal  , die heute noch florirt.

Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts trat bei der Erforschung Afrikas   das wissenschaftliche Interesse in den Vordergrund. Dieser neuen Triebfeder verdanken wir die genaue Untersuchung Marokko's durch Schaw, Senegambiens durch Adanson, und des Kaplandes durch Peter Kolbe, Sparmann und Thunberg. Dem 19. Jahr­hundert gehören die Reisenden Brochi, Hemprich und Ehrenberg in Aegypten  , Rüppell   in Nubien  , Roth in Schoa  , Russegger in Kordofan, Smith in Congo  , Levaillant und Lichtenstein im Kapland. Die ausgezeichneten französischen   Gelehrten Denon, De­lisle und Geoffroy Saint Hilaire  , welche den Säbelkaiser Na­ poleon   auf seinem Zuge nach Aegypten   begleiteten, haben eine neue Wissenschaft, die Aegyptologie, ins Leben gerufen. An der weiteren Erforschung des uralten Kulturstaates haben sich Archäologen aller europäischen   Nationen betheiligt wie die Namen Pecode, Lepsius  , Norden, Sonini, Belzoni  , Forskal, Champollion  , Caillaud, Minutoli  , Brugsch   und Ebers beweisen.

Den Löwenantheil an der Erforschung Innerafrika's nimmt die im Jahre 1788 in London   gegründete Afrikanische Gesellschaft in Anspruch. Den Bemühungen der Sendlinge dieser Gesellschaft, einer Reihe fühner Männer deutscher und englischer Abkunft, die den Kampf mit den Mühseligkeiten des mörderischen Klima's aufnahmen, verdanken wir die großartigen Erfolge, die uns in den Stand seßen, die Natur­geschichte der Tropenwelt im großen und ganzen festzustellen. Hand in Hand damit ging die Thätigkeit der evangelischen Missionäre, die mit wechselndem Erfolg in Oberguinea begann, sich über das Kapland ausbreitete und sich dann nach Abessinien und die Zansibarküste er­streckte. Auch die Küstenaufnahmen durch englische Marineoffiziere trugen zur Kenntniß Afrika's   bei.

Die Zahl der Afrikareisenden und die Ergebnisse ihrer Forschung werden im 19. Jahrhundert so massenhaft, daß wir zum Behufe bes­serer Uebersicht das nördliche Tiefland und das südliche Hochland Afrika's   nach dem Stromgebiet ihrer vier Hauptflüsse in den Nil,