und das nur deßhalb, um es den übrigen Nachbarn gleichzu machen.Am 16. Febniar um sechs Uhr früh eröffnete alsoHerr Adler sein Geschäft„Zum grünen Engel". Schonden Tag vorher war Alles hergerichtet und vorbereitet undder Laden glänzte in seiner Reinlichkeit und Neuheit. Inden Bchältniffen und geöffneten Säcken glänzte das Mehlweißer als die ftisch geweihten Wände, und die Farbe dergelben Erbsen wetteiferte mit dem pommeranzenfarbigenAnstrich der Einrichtungsgegenstände. Die Nachbarn undNachbarinnen blickten, wenn sie vorbeigingen, hinein, undeinige gingen selbst einen Schritt zurück, um noch einmalhineinzusehen. Aber hinein ging Niemand.„Sie werden schon kommen," sagte Herr Adler, dermit einem kurzen, grauen Rock und weißen Tuchhosen be-kleidet war, um die siebente Stunde zu sich selbst.„Wenn ich nur schon das erste Geld eingenommenhätte," sagte er um die achte Stunde, und zündete sichseine neue Meerschaumpfeise an und rauchte.Um die neunte Stunde trat er bis fast zwischen dieThür und blickte ungeduldig in die Gaffe hinein undspähte nach dem ersten Kunden. Da schritt des Haupt-manns Leopoldine die Gaffe heraus. Fräulein Leopoldinewar eine corpulente Dame, nicht hoch, aber mit starkenArmen und Hüften, und so etwas über zwanzig Jahrealt. Viermal hat es schon geheißen, daß sie sich verhei-rathen werde, ihre lichten Augen halten jenen gleichgiltigen,eigentlich ermüdenden Ausdruck, wie er sich in die Augenaller Damen hineinstiehlt, wenn der Bräutigam lange nichtkommen will. Ihr Gang war etwas watschelnd, hatteaber dabei noch seine Eigenheiten. In abgemessenenPausen strauchelte sie und griff dabei stets nach ihrenKleidern, als wenn sie darauf getreten wäre. Das Augedes Greislers ruhte ans Fräulein Leopoldine.Das Fräulein war mit ihrem Korbe in der Hand biszum Laden gekommen. Sie blickte aus, als wunderte siesich über etwas, dann strauchelte sie über die Stufen undschon stand sie zwischen der Thür. Sie war jedoch nochnicht ganz eingetreten, und schon hatte sie ihre Nase mitdem Taschentuche bedeckt. Herr Adler halte aus Lang-weile gehörig geraucht und der Laden war voll von Rauch.„Ich küffe die Hand. Was wird gefällig sein?" frugHerr Adler freundlich, trat zwei Schritte zurück und legtedie Meerschaumpfeise atis den Ladentisch.„Zwei Seidel Mittelgraupen," bestellte Fräulein Leo-poldine und wendete sich halb zum Laden hinaus.Herr Adler beeilte sich. Er maß zwei Seidel ab,gab fast ein halbes zu und schüttete das Ganze in einenPapiersack. Es kam ihm vor, als sollte er dabei etwasreden.„Belieben, gnädiges Fräulein, zufrieden ztl sein,"stotterte er.„So— ich bitte hier!"„Kostet?" frug das Fräulein Leopoldine mit etwasverhaltenem Athem und hüstelte in ihr Taschentuch.„Vier gute Kreuzer— Tanke. Ich küffe die Hand!Den ersten Erlös von einem schönen Fräulein— das wirdmir gewiß Glück bringen!"Fräulein Leopoldine blickte ihn mit offenen Augen kühlan. So ein fremder Grcisler! Der könnte froh sein,wenn ihn des Seifensieders rothhaarige Anna nehmenwürde, und er erlaubt sich—. Sie antwortete nicht undging hinaus.Herr Adler rieb die Hände. Wieder blickte er indie Gaffe hinein, und sein Blick fiel aus Herrn Adalbert,den Bettler. Einen Augenblick später stand Herr Adal-bert, seine blaue Mütze in der Hand haltend, auf derSchwelle.„Hier ist ein guter Kreuzer," sagte Herr Adler freund-lich,„kommen Sie jeden Mittwoch." Herr Adalbert danktelächelnd und ging. Herr Adler rieb wieder die Hände undmeinte:„Ich glaube, ein jeder muß in meinen Ladenhinein, wenn ich ihn nur scharf ansehe. Es wird schongehen!"Aber beim„Tiefen Keller" stand des HauptmannsLeopoldine und erzählte gerade der Frau Räthin Kodek:„Er hat dort so viel Rauch, daß Alles geräuchert ist."Und als des Mittags die Graupensuppe auf den Tischkam, behauptete Fräulein Leopoldinc in allem Ernste, daßsie nach Tabakrauch schmecke, und legte den Löffel weg.Abends erzählten sich schon alle Nachbarn, daß imLaden des Herrn Adler Alles nach Tabakrauch rieche, daßdas Mehl brandig und die Graupen geräuchert seien. UndHerr Adler hieß nunmehr stets der„geräucherte Grcisler"— sein Schicksal war entschieden.Herr Adler ahnte nichts. Ter erste Tag fiel sehrarmselig aus, gut. Der zweite, dritte Tag— nun vielleicht wird es doch gehen! Am Ende der Woche betrugenseine Einnahmen nicht einmal zwei Gulden!Und es blieb, fortwährend gleich. Von den Nachbarnkam Niemand und von den Auswärtigen verirrte sich sel-tcn einer in den Laden. Regelmäßig kam bloß HerrAdalbert. Die einzige Trösterin des Herrn Adler warseine Meerschaumpfeise. Je ärgerlicher er war, desto mäch-tigere Rauchwolken qualmten aus seinem Munde. DasAntlitz des Herrn Adler wurde bleich, die Stirnc bekamFalten, aber die Meerschaumpfeise wurde vou Tag zu Tagschwärzer und glänzte vor Wohlergehen. Die Polizistender Spornergaffe blickten giftig in das Innere des Ladensaus den unermüdlichen Raucher— wenn er nur ein ein-ziges Mal mit der Pfeife im Munde über die Schwellegetreten wäre! Besonders einer von ihnen, der kleineHerr Novak, hätte viel dafür gegeben, wenn er demHerrn Adler die brennende Pfeife aus dem Mundehätte schlagen können. Instinktiv fühlten auch sie denWiderwillen der Nachbarn gegen den Fremdling. AberHerr Adler saß mißmuthig hinter dem Ladentisch undrührte sich nicht.Der Laden vereinsamte und verarmte. Nach ungefährfünf Monaten stellten sich verdächtige Gestalten zum Bc-suche ein, es waren Juden. Bei einem jeden solchen Be-suche schloß Herr Adler die Glasthüre des Ladens. DieNachbarn erzählten einander ganz bestimmt, die Kleinseitewerde einen Bankerott erleben.„Wer sich einmal mitJuden einläßt!"Zu St. Galli erzählte man sich schon, daß Herr Adlerausziehen und der Hausherr aus dem Laden wieder eineWohnung machen werde. Endlich, einen Tag vor demAuszüge blieb der Laden ganz geschloffen.Den nächsten Tag sammelten sich vor dem geschloffenenLaden des Herrn Adler sehr viele Leute an, und von neunUhr früh bis Abends war der Platz mit Leuten besetzt.Man erzählte, daß der Hausherr, nachdem er Herrn Adlernirgends finden konnte, den Laden gewaltsam öffnen ließ,daß dabei ein Stuhl durch die Thür aus die Gasse fiel,und Herr Adler ganz oben an einem Nagel hing.Um zehn Uhr kam die Gerichtskommission und tratdurch das Haus in den Laden. Sie nahmen den Selbst-mörder herab und Herr Uhlmühl, der Polizeikommiffarvou der Kleinseite, half mit.Er griff in den Rock des Todten und holte eine Pfeifeheraus. Er hielt sie gegen das Licht und sagte:„Eineso schön angerauchte Meerschaumpfeise habe ich noch nichtgesehen— schauen Sie einmal her!"> Ciöthe ein Fürsten- und Despotendichter?ß Von Manfred Wittich.*)Verstanden hat er vieles recht,Doch sollt er anders wollen.Warum blieb er ein Fürslenknecht?Hält' unser Knecht sein sollen!sGrabschrift von A. und I.)Diese Worte, welche Göthe den Herren I. und A., oder viel-mehr A. und I. in den Mund legt als eine ihm selbst zugedachteGrabschrift, fielen mir ein, als ich in Nr. 5 dieses Blattes denBriefwechsel Börnes und des Arbeiterfreundes Wintersbcrg las,welchen uns Herr... r vorführt. Da nun die„Berliner Volks-Tribüne" hoffentlich recht fleißig von Arbeitern gelesen wird, möchteich eben in unserem Volke diese Göthe herabsetzenden Urtheile nichtals eine Art Glaubenssätze festwurzeln sehen. Ich kann mich nichtenthalten der in der Ueberschrift ausgeworfenen Frage etwas näherzu treten.Es ist nicht das erste Mal, daß mir solche Fehlurtheile überdenjenigen Menschen begegnen, den ich bis jetzt für einen der auf-geklärtesten und freicsten gehalten habe und noch dafür halte.Aber w o und wie es mir möglich war, habe ich ihnen widersprochenund ich dars sagen, manchem braven Arbeiter Göthe lieb gemacht.Und ich glaube damit in meiner Weise der Sache des Volkes auchzu nützen.In folgenden Zeilen will ich versuchen, aus der überreichenFülle des in Göthes Schriften und Lebensgeschichte vorliegendenKeweismaterials, so weit es der Raum eines Zeitungsartikels ge-'tattet, jenem unheilvollen, schiefen Urtheilen entgegen zu trete».Zunächst ist vorauszuschicken, daß, da Göthe vom Jahre 1749bis 1832 lebte, Anschauungen, politische Partcigruppirungen und deröffentliche Geist von heute an sein Denken, Dichten und Handelnnicht als Maßstäbe angelegt werden dürfen, wenn man dem Mannegerecht werden will.Der größte Theil von Göthes Leben fällt in eine Zeit, wovon einem politischen Interesse, von einem öffentlichen Geist,wie ich es kurz nennen will— abgesehen von der Epoche des so-genannten Freibeitskrieges**)— gar nicht die Rede war. Die un-bestimmten, meist auf Rousseau zurückzufiihrenden Freihcitsträume.Herders sowie aller Denker und Dichter der Sturm- und Drang-Periode, wollen wenig besagen und fallen meist mehr in die Sphäreallgemeiner Empfindungen und Gemüthscrregungen. Des Näherenmag man sich darüber unterrichten in Wcnck, Vor hundert Jahren,wo das einschlagende Nlaterial gut beisammen ist, aus dem sichauch der ein Urtheil bilden mag, der die Ansichten des LeipzigerProfessors der Geschichte nicht theilt.Ferner mag von vornherein zugegeben werden, daß jenes Faust-wort:„Pfui, ein politisch Lied!" Göthen wirklich aus der Seele ge-kommen ist! Er übersetzte jene bekannte Stelle aus Aristoteles nicht:der Mensch ist ein politisirendes Thier, sondern: der Mensch istein gesellschast- und staatgründcndes Lebewesen. Zur näheren Er-läuterung seines ablehnenden Verhaltens gegen Politik erinnere mansich zunächst daran, was damals Politik war und hieß, dann weiter,wie diese Politik ihm erschien.Dazu folgende Stelle aus einer Rezension über ein Buch, welchesdie Charaktere der verschiedenen Nationen zu schildern unternahm.Dorr lesen wir:„Was heißt nun Charakter einer polirtcn Nation?Was kanns anders heißen als Gemälde von Religion und bürger-licher Verfassung, in die eine Nation gestellt worden, Draperie,wovon man höchstens sagen kann, wie sie der Nation an-steht!" Mit dem eigentlich Menschlichen scheint Göthe also diesedamals»othwendig so aufzusaffende Politik rhatsächlich wenig zuthun zu haben; es ist ihm das ganz Nebensächliche, das Gewand, dieHülle, die Schale, nicht das Wesen, der Kern. Die ständische Gliede-rung des Volkes und dergleichen scheint ihm unwesentlich, zufällig,vorübergehend; er dringt aus das liefer liegende, allen Menschengemeinsame, das ihm schon als sehr jungen Manne aufging beiseinem lebhaften Jntereffe fiir und ini Verkehr mit dem werkthätigenVolke, worüber er im späten Alter in seiner Selbstbiographie folgender-maßen berichtete:„Ich näherte mich dieser thätigen, das Untereund Lbere verbindenden Klaffe... das Familienwesen eines jedenHandwerkers, das Gestalt und Farbe von der Beschäftigung erhielt,war gleichfalls der Gegenstand meiner stillen Aufmerksamkeit und soentwickelte, so bestärkte sich in mir das Gefühl der Gleichheit,wo nicht aller Menschen, so doch aller menschlichen Zustände, indemmir das nackte Dasein als die Hauptbedingung, das Uebriae aberals gleichgilrig und zufällig erschien."Diese beiden Stellen werden genügen, um zu zeigen, wie„wenigpolitisch augelegt" der Alte semem Wesen nach war. Und dasRecht seiner ft-ien Persönlichkeit, welches er als das Hauptstrcbezielfür jeden sich selbst bildenden Menschen, als Erstes und Letztes hin-stellt, darf man ihm wohl unverkümmcrt lasien. Ich behaupteauch, die weitaus größte Mehrzahl der denkenden Sozialisten ist zuihrer politischen Anschauung deshalb gelangt, weil ihnen innerhalbdie, er Richtung eben das recht eigentlich menschliche Recht der*) Wir bringen dieses Eingesandt unseres Dresdner Gesinnungs-aenojsen, obwohl es uns äußerst mißlich erscheint, aus einzelnenStellen dichterischer Werke ein Charakterbild des VerfafferS mentwerfen. D. R._*") d. h- des„heiligen Krieges für die Freiheit der deutschenpursten", welchen das deutsche Volk naiv und irrthümlich auch fürseine innere Freiheit auszufechten glaubte. Anm. des VersPersönlichkeit am meisten gewährleistet schien, weil hier ein Programmvorliegt, welches dem Einzelnen im Einklang mit der Ge-sjammtheit wahre Freiheit verspricht oder doch zur Erreichung dieseshöchsten aller Menschheitszwecke den rechten Weg zu zeigen scheint.Aus dieser seiner nun einmal so„genaturten" Persönlichkeitheraus hat aber Göthe so gedacht, gedichtet und— gehandelt, daßes ihm alle Ehre macht. Das mag in kurzen und wenigen Zügenvon einigen Stellen aus seinen Werken und Briefen erhärtet werden.Gefühl, Mitgefühl für das Volk ist ihm nicht abzusprechen, wennihm auch die Urteutonen Vater Jahn und Arndt ungenießbar schienen.Daß es im Staats- und Gesellschastsleben faul stand, war ihmfrühe schon klar. Man lese, d. h. denkend, nicht nur mit den Augen,folgende Stelle:„Bei meiner Geschichte mit Gretchen und an den Folgen der-selben hatte ich zeitig in die seltsamen Jrrgänge geblickt, mit welchendie menschliche Societär unterminirt ist. Religion, Sitte, Ge-setz, Stand, Verhältnisse, Gewohnheit, alles beherrschtnur die Oberfläche des städtischen Daseins. Die vonherrlichen Häusern eingefaßten Straßen werden reinlich gehalten undjedermann beträgt sich da anständig genug, aber im Innernsieht es öfters um desto wüster aus, und ein glattes Aeußereübertüncht als ein schwacher Bewurf manches morsche Gemäuer, dasüber Nacht zusammenstürzt und eine desto schrecklichere Wirkunghervorbringt als es mitten in einen niedlichen Zustand hereinbricht.Wie viele Familien hatte ich nicht schon näher und ferner durchBankerotte, Ehescheidungen, verführte Töchter, Morde, Hausdieb-stähle, Vergiftungen entweder ins Verderben stürzen oder auf demRande sich kümmerlich erhalten sehen, und hatte, so jung ich war,in solchen Fällen zu Rettung und Hilfe öfters die Hand geboten."Charakteristisch ist für den Mann, den Knaben dürfen wir sagen,daß er nicht bloß sieht und denkt bei diesen schauerlichen Gescheh-niffen, sondern handelt, hilft! Er, den man so gern einen kaltenEgoisten gescholten hat!In seinem Leipziger Drama:„Die Mitschuldigen" waltet die-selbe schwüle Athmosphäre, wie er sie vorhin aus seiner Vaterstadtschilderte, und wie er sie mit scharfem Blick auch in Leipzig wiedererkannte. Für einen selbstherrlich sich überhebenden Aristokratenklingen folgende Worte, die er einem armen Schlucker und Lumpenin den Mund legte, doch recht sonderbar:„Ja, ja, ich bin wohl schlecht,Allein Ihr großen Herrn,Ihr habt wohl immer recht!Ihr wollt mit unsrem GutRur nach Belieben schalten.Ihr haltet kein GesetzUnd andre sollen's halten!Das ist sehr einerlei,Gelüst nach Fleisch, nach Gold,Seid erst nicht Hängens werth,Wenn Ihr uns hängen wollt."Derselbe Mann überschrieb ferner seinen Götz, in dem er:allerdings irrthümlich und idealisirend,„einen ehrlichen rauhenSelbsthelfer in rauher Zeit" sah, mit einem Motto aus Hallers'politischem Roman„Usong":„Das Unglück ist geschehen, das Herzdes Volkes ist in den Koth getreten und keiner edlen Begierdenmehr sähig." Soll man glauben, daß er damit nur an die Zeit'gedacht hat, in welcher sein Drama spielt? Schrieb er nicht dieies{Drama vielmehr mit seinem Herzblut und aus der schmerzlichen Em-pfindung heraus, daß er ein gleiches Urtheil über das ihn umgebende Leben des deutschen Volkes fällen müsse? Mich soll niemandüberreden, daß das erste und nicht das zweite vielmehr der Fall,gewesen ist!Und weiter!Als Göthe 1775 der eigentliche„Fürstenknecht" am WeimarerHofe wurde, schrieb dieser Fürstcnknccht an seinen Freund Knebel:*„Ich steige durch alle Stände auswärts, sehe den Bauersmannder Erde das Nothdürftige abfordern, das doch auch ein behaglichesAuskommen wäre, wenn er nur für sich selbst schwitzte. Tu|weißt aber, wenn die Blattläuse auf den Rosenzweigen jitzcn und sich hübsch dick und grün gesogen haben, dann,kommen die A mei sen und saugen ihnen den siltrirten!Saft aus dem Leibe, und so gehts weiter; und wir Habenso weit gebracht, daß oben immer in einem Tage mehr jverzehrt wird, als unten in einem beigebracht werden ikanDas ist ein eigcnthüm licher Fürstenknccht, der das von einem jaufgeklärten Hose wie dem Wciwarischcn sagt!Um„seinen Fürsten seine Straße sacht zu führen", wie ich an- znehme, und weil der Most überhaupt gähren muß, ehe er Wein!gicbt, machte er freilich die Maskeraden, Schlittenfahrten, Parforce-ritte und das Hetzpeitschcntnallen aus dem offenen Markte zu Weimar'und Jena mit: aber der Fürslenknecht hat auch noch eine andere]Seite, nämlich die seiner amtlichen Handlungsweise.Er tritt ein für gerechtere Steucrvcrtbeilung, er gründet überzwanzig Gesellschaften für Ackerbauinteressen(nicht Monopole fürBranntweinbrenner!) er ruft zahlreiche Wohlthätigkeitsanstalten ins 1Leben; er verbeffert die Volksschulen in Stadt und Land, er erneuertund verbessert das Armenwesen und seine Verwaltung, er gründet!Hospitäler, er stellt Straßen her, er schenkt der gesellschaftlichen,Wiederherstellung entlassener Sträflinge seine Aufmerksamkeit!—Und das alles that er meist gegen feine Hofcamarilla, gegen;die ihn sein Fürst selbst mehrere Male vcrtheidigen muß, und, wiewir zur Genüge wissen, auch zuweilen gegen diesen seinenFürsten, der nun doch eben anch kein Mensch war, den jeder leichtum den Finger wickeln konnte!Einen Liberalismus, der dies that, hatte er nicht, den gab es-nicht in der Politik Teutschlands anno 1775.Das sind eben Thaten, wie sie allein auf dem Boden von!Göthes„unpolitischen und ästhetischen künstlerisch egoistischen Huma-(nismus und Egoismus" erwachsen! Wenn man die Bäume anihren Früchten erkennt, so ist dies ein guter Baum! Wenn mandie Politiker nach ihren Thaten ordnet, so laß ich doch den egoisti-'schen Bourgeoisliberalismus, der es bloß zum Parlamcntsgeschwäyund ein bischen Gewerbe- und Handelsfreiheit bringt, links liegen'und lobe mir diesen reaktionären Fürstenknecht, der trotz alledem ge-;Holsen hat, mit die erste Verfassung in einem deutschen Staateeinzuführen!Wir kommen zu den Waidsprüchen der maulradikalen Göthe- jHenker, zu des Alten Urtheil über die französische Revolution. Damuß vor allem das Wort aus.Hennann und Dorothea herhalten,wo es heißt:„Nicht dem Deutschen geziemt es, die fürchterliche Bewegungiortzuleiten und auch zu wanken hierhin und dorthin." Der solid bürger-liche Held seines Gedichtes muß zunächst durchaus nicht Götheseigne Privatmcinung treten; Hermanns Charakter gemäß ist aberdiese Rede allerdings!Aber warum vergißt nian zu sagen, daß er von Herder gelernthalte, von„jenem ehrwürdigen Theil der Nation" zu reden,„denman Volk nennt?" In einem Distichon,— ich finde es nicht gleich!— mahnt er:„Wer ist denn der Pöbel! Ach nur zu gern machtihr die Völker dazu!" Und was die Revolution anlangt, so hälter den Verurtheilern derselben folgende Worte entgegen:„Jene Menschen sind toll, so sagt Ihr von heftigen Sprechern�ie wir in Frankreich laut hören auf Straße und Markt.Mir auch scheinen sie toll, doch redet ein Toller in FreiheitWeise Sprüche, wenn ach, Weisheit in Sklaven verstummt"Und denen, welche sich wundern, daß die überrheinischen IdeenAnklang finden in Deutschland, gilt der Spruch:„Lange haben die Großen der Franzen Sprache gesprochen,Halb nur geachtet den Mann, dem sie vom Munde nicht floß,Nun lallt alles Volk entzückt die Sprache der FrankenZürnet, Mächtige, nicht was Ihr verlangtet, geschieht."