Berliner

Volks- Tribüne.

"

Social- Politisches Wochenblatt.

-

Die Berliner Volks- Tribüne" erscheint jeden Sonnabend früh. Abonnements- Preis für Berlin   monatlich 50 Pfg.( frei ins Haus). Einzelne Nummer 15 Pfg. Vom 1. Oktober ab durch jede Post- Anstalt des Deutschen Reiches   zu beziehen. Bei direkter Zusendung unter Kreuzband vierteljährlich 1 Mr. 60 Pfg.

Redaktion und Expedition:

S.O.( 26). Oranien- Straße 23.

№o. 7.

Inhalt:

-

Inserate werden die 4 spaltige Petit- Zeile oder deren Naum mit 20 Pfg. berechnet.- Vereins- Anzeigen: 15 Pfg. Arbeitsmarkt: 10 Pfg.- Inseraten- Annahme in der Expedition: Oranien- Straße 23.

Zur sozialdemokratischen Taktik. Ausweisungen des Herrn Keßler.

-

Politische Nachrichten.

-

-

-

Aus der Arbeiter­bewegung, Vereine und Versammlungen.

Kunst und Literatur.

Sozialismus und Reaktion.

( Zur sozialdemokratischen Taktik).

-

Sonnabend, den 17. September 1887.

-

Ausgabe für Spediteure: " Merkur  " Zimmer- Straße 54.

I. Jahrgang.

wir nicht an, sie in gewissem Sinne offen einzuräumen. feit eine andere Richtung zu geben hätte. Eine solche Gewiß hat der preußisch- deutsche Absolutismus aus Meinung könnte, auch unter den eben genannten Voraus­Die mehr als einer Wurzel Kraft gesogen: große, die Massen seßungen, nur einer ganz falschen Vorstellung über Die blendende Erfolge der äußeren Politik, die er im Wider- das innerste Wesen der proletarischen Bewegung Leiden des Handwerks. Entwickelung und stande gegen die liberale Bourgeoisie davongetragen, entspringen. Charakter der französischen   Arbeiterparteien I. haben sein Ansehen vermehrt, und in der kriegswetter- Wer in ernsten Studien Klarheit über unser Wirth­Der Sozialismus in England II. schwangeren Atmosphäre, die seit zwei Jahrzehnten über schaftssystem zu erringen gesucht hat, dessen politisches Ein Berliner   Sittenbild. Die Entwicke- unserem Kontinent lagert, ist er wie eine Giftpflanze rasch Denken und Handeln wird von der einen überall maß­lung der Geschichtsauffassung von der Refor- emporgeschossen, während vom Baume der Freiheit Blatt gebenden Grundanschauung beherrscht sein: daß inner­mation bis zur Revolution. um Blatt gefallen ist. Aber ihren stärksten Halt hat die halb des heutigen wirthschaftlichen Systems nur mini­Reaktion in einem anderen Boden gewonnen, und das male Vortheile für die Arbeiter zu erringen sind, und heutige Regiment steht und fällt daher nicht mit der Ent- daß daher jede sozialpolitische Thätigkeit viel weniger nach wickelung der äußeren Lage, sondern mit unseren inneren kleinen praktischen Erfolgen in der Gegenwart, als nach wirthschaftlich- sozialen Verhältnissen. Hier sind großen Reform en des ganzen Systems in der Zu= die starken Wurzeln seiner Kraft." Die leßten Ursachen kunft zu streben hat. Systeme aber ändert man nicht, davon können für den Einsichtigen auch nicht mehr ver- indem man heute, wo man nichts ist, die Zeit und die borgen sein: sie liegen in dem Wachsthnm des Prole- ganze Kraft damit vertrödelt, mit dem Gegner fruchtlose Die natürlichsten Rechte der Arbeiter wie das tariats und in der Verschärfung der Gegensäße Verhandlungen zu pflegen. Systeme ändert man lediglich Koalitionsrecht, Gewerbefreiheit, Versammlungsrecht, Rechte, welche seinerzeit Ferdinand Laffalle für so zwischen Besigenden und Besißlosen, eine Ver- dadurch, daß man zunächst und in erster Linie die selbstverständlich erklärte wie das Recht auf die schärfung, welche Lettere zu einer immer selbstständigeren Macht schafft, welche die einzig dauerhaften Re­eigene Nase, würden nicht derart in Deutschland   mehr Haltung in wirthschaftlicher und politischer Beziehung formen in der Zukunft durchzuseßen vermag. Auch und mehr in Frage gestellt werden können, wenn drängt und zwingt. wir lösen, wie einst Herr von Bismarck   im Beginne nicht die Bildung der Sozialistenpartei als einer besonderen Arbeiterpartei Spaltungen Schon der erste unbewußte Nothschrei, mit dem das seiner Laufbahn, die Fragen der inneren Politik nicht in das Bürgerthum getragen und dieses dadurch in Proletariat sein Dasein ankündet, jeder Streik, jedes noch durch unnüßes Diplomatisiren, sondern durch eine viel­seiner Widerstandskraft gegen die Reaktion ge- so unüberlegte Auflehnen gegen die Uebermacht des Unter- jährige Armeeorganisation nur daß wir eine Armee schwächt hätte. Freifinnige Zeitung. nehmerthums weckt in letzterem eine unbestimmte, lähmende geistiger Streiter sein wollen. Sollte uns heute wirklich Es ist nicht das erste Mal, daß Herr Eugen Richter   Furcht, und je mehr sich selbständiges Leben unter den ein Parlament oder eine Regierung kleine Konzessionen die sozialdemokratische Partei verantwortlich gemacht hat Arbeitern regt, desto mehr erkennt das Bürgerthum in machen wollen, unter der Bedingung, daß wir mit unserer für die Reaktion, die wie ein Alp mit beängstigender ihnen die künftigen Erben seiner Herrschaft und darum Armeeorganisation für die Zukunft einhalten, so müßten Schwere auf dem öffentlichen Leben Deutschlands   lastet. hat es ihnen, wie dem Helden in der Sage, die Schlangen wir dies dankend ablehnen; der scheinbare Vortheil wäre in In Volksversammlungen, in der Presse, im Parlament, der Unterdrückung schon in die Wiege gelegt. Wahrheit ein unendlicher Schaden für uns und unsere Sache. überall hat der Führer des zersprengten Heerbannes der Aber wenn Herr Richter den Sozialisten den Vor­Mit anderen Worten: wir sind viel weniger eine bürgerlichen Demokratie gegen die Vertreter der proleta- wurf macht, daß sie dadurch, daß sie das Proletariat zu Partei kleiner praktischer Augenblickserfolge, eine Partei rischen Demokratie die Anklage erhoben, daß ohne ihr un- immer größerer Selbständigkeit und immer lebhafterem parlamentarischer Wirksamkeit in dem gewöhnlichen Sinne heilvolles Wirken Deutschland   heute noch im vollsten Selbstbewußtsein herangezogen, die Reaktion auf der anderen des Wortes, als eine Partei der Aufklärung und Sonnenscheine der Freiheit sich entwickeln würde; daß das Seite geweckt hätten, so möchten wir ihm zunächst einfach Organisation für die kommenden Zeiten. Können wir Bürgerthum seinen ehemals begonnenen Kampf mit dem die Frage entgegenhalten, ob denn ohne die konsequent diese Aufklärung und Organisation der Massen nur er­Absolutismus energisch zu Ende geführt haben würde, denkenden Sozialisten diese Entwicklung hätte verhindert reichen, indem Andere vorübergehend einzelne Volksrechte wenn das Gespenst kommender sozialer Umwälzungen sich werden können. Und nur ein unwissender Narr wird diese vernichten, so können wir, es nicht verhindern, daß diese nicht drohend erhoben hätte und dieses Schreckgespenst Frage mit Ja zu beantworten wagen. Nicht unser Reden Rechte fallen. Wir haben in der Gegenwart sehr wenig sei lediglich von den Vertretern einer ,, besonderen Arbeiter- und Schreiben, sondern die wirthschaftliche Entwick- zu suchen und legen darum, unbekümmert um das Ver­partei", d. h. von den Führern der Sozialdemokratie lung, die weder wir noch Herr Richter machen, bringt es halten unserer Gegner, die Grundsteine für eine bessere heraufbeschworen worden. Damit aber- folgert Herr mit sich, daß die Verbindung zwischen Befiß und Arbeit, Bukunft. Richter dann regelmäßig weiter hätten sich die Arbeiter wie sie im alten Kleingewerbe vorhanden war, mehr und Und nun zurück zu Herrn Richter: welchen Verrath schließlich ins eigene Fleisch geschnitten, denn das Wüthen mehr gelöst wird. Nicht unsere Agitation, sondern die an unserer Gegenwart und Zukunft muthet er uns eigent­der Reaktion sei für sie noch verhängnißvoller wie für die wirthschaftliche Entwicklung, die tägliche Erfahrung im lich zu, indem er uns die Gründung einer besonderen bürgerlichen Freiheitskämpfer" die ja die Freifinnigen Wirthschaftsleben drängt den Arbeiter darauf hin, die tiefe Arbeiterpartei" zum Vorwurf macht? Gewiß, wir hätten noch immer sein wollen, obwohl sie bei den letzten Wahlen Kluft zwischen sich und den besißenden Klassen zu fühlen, heute noch das Koalitionsrecht wenn wir uns nicht manchen Bruder des reaktionären Kartells aus der soziali- sich seiner besonderen Interessen bewußt zu werden und foalirt und nicht gestreift hätten. Gewiß, wir hätten ftischen Umzingelung herausgehauen haben.

-

diese Interessen mit seinen Schicksalsgenossen selbständig heute noch das Recht, uns zu versammeln

-

-

-

wenn wir

wenn es

Wir nahmen bisher niemals Veranlassung, uns mit und gegen die Befißenden zu vertreten, auch gegen die von vornherein darauf verzichtet hätten, es jemals auszu­den parteipolitischen Spekulationen und Theorien des Herrn Befißenden des linken Flügels der Bourgeoisie. Hier war üben und unsere Meinung öffentlich zu vertreten. Gewiß, Richter zu beschäftigen, aus dem einfachen Grunde, weil nichts zu verhindern, außer es wollte sich ein Sterblicher wir hätten heute noch kein Sozialistengeset unſeres Erachtens die Lähmung, welche den Freifinn an vermessen, unsere ganze wirthschaftliche Entwicklung niemals Sozialisten gegeben hätte. Wir hätten noch heute allen Gliedern befallen und ihn aktionsunfähig gemacht verhindern zu können. Hier war nur zu verhüten, daß das Recht unserer Meinung, wenn wir niemals eine Mei­hat, nicht mehr von ihm weichen wird, und weil mit dem das Proletariat, unbelehrt nnd unklar über das nothwen- nung gehabt hätten; unser Kopf säße noch fest zwischen einzigen Organ, dessen Bewegungsfähigkeit ihm erhalten bige Ziel seiner Thätigkeit, Irrwege einschlug, von denen den Schultern, wenn wir ihn ganz ergebenſt unseren geblieben ist, mit der Zunge, im politischen Leben weber es nach geraumer Zeit wieder hätte zurückkommen müssen, Gegnern zu Füßen gelegt hätten, wir würden noch heute viel Schaden noch viel Nußen angerichtet wird. So wür- um noch einmal von vorn anzufangen. Darin und in der ein freies Leben führen, wenn wir Selbstmord be= den wir auch die oben berührte Anschauung über den entsprechenden besseren Organisation des Proletariats bestand gangen hätten. Und Selbstmord zu welchem Zwecke? Da­Einfluß des Sozialismus auf unsere innere Politik unbe- unsere Thätigkeit und auch auf diese beschränkte Thätigkeit sind mit die freisinnige Partei wieder aufathmen kann, antwortet lassen, weil sie praktisch ganz ohne Einfluß wir stolz und werden wir stolz bleiben. Aber das selbständige damit sie die Zügel der Herrschaft wieder gewinnt, die ift. Aber da sie die Grundfrage der ganzen Arbeiter Auftreten des Proletariats haben wir nicht geschaffen und um der Feigheit ihrer Anhänger willen, ihren kraftlosen politik betrifft, und prinzipielle Fragen von so eminenter dieses Auftreten hätte geschehen können, in welcher Form Händen entfallen sind! Bedeutung nicht oft genug erörtert und auf die Richtigkeit es wollte Eine aufsteigende Partei, deren Bruft von frohen das Bürgerthum würde mit der gleichen ihrer Entscheidung hin geprüft werden können, so mag Reaktion darauf geantwortet haben. Will Herr Richter Siegeshoffnungen geschwellt ist, soll sich selber aufgeben, uns diesmal ein näheres Eingehen auf die Richter'sche das nicht glauben, so möge er an die belgischen Hunger- um einer niedergehenden Macht, die selber an ihre Zukunft Aeußerung gestattet sein. revolten denken, an diese Manifestationen eines politisch nicht mehr glaubt, aus der Verlegenheit zu helfen! Welch Es wird sich hierbei zunächst darum handeln, ob in ungeschulten, unbelehrten Proletariates, die, ohne jeden ein Wahn und welch eine Anmaßung! der That ein Zusammenhang besteht zwischen dem Wachs- sozialistischen Hintergrund, ebenfalls zur Begründung Natürlich werden die Mahnungen des Herrn Richter thum der Sozialdemokratie und dem Umsichgreifen der reaktionärer Maßnahmen in Belgien   und Deutschland   den Sozialismus nicht abhalten, seinen gewiesenen Weg Reaktion auf allen Gebieten und weiter darum, ob herhalten mußten. weiter zu gehen, den er nach reiflicher Erwägung einge­dieser Zusammenhang, wenn er thatsächlich nachweisbar Der Hereinbruch der Neaktion ist schon aus diesen schlagen hat, weil er allein zum Ziele führt. Ist das für sein sollte, einen Vorwurf gegen die Sozialdemokratie Gründen dem Sozialismus nicht zum Vorwurf zu das Bürgerthum Anlaß, in die Arme des einst von ihm deren Taktik einschließt und es daher räthlich erscheinen läßt, machen. so bitter befehdeten Absolutismus   zurückzusinken, so können

-

-

-

der proletarischen Politik eine andere Richtung zu geben, Aber selbst wenn die Entwicklung des Sozialismus wir das nicht ändern. Herr Richter hätte unter diesen um wenigstens für die Zukunft weiteres Unheil zu verhüten. dazu beigetragen hätte, die Reaktion für den Augenblick Umständen seine Vorwürfe aber an seine Anhänger, Was nun die Thatsache des Zusammenhanges zu fördern, so wäre daraus noch immer nicht zu folgern, welche sich dieser Feigheit schuldig machen, und nicht an zwischen Sozialismus und Reaktion anbelangt, so stehen daß er nunmehr für die Zukunft seiner öffentlichen Thätig- uns zu richten.