Berliner

Volks- Tribune.

Social- Politisches Wochenblatt.

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Sonnabend, den 19. November 1887.

Ausgabe für Spediteure: " Merkur  " Zimmer- Straße 54.

L. Jahrgang.

Zu den Berliner   Stadtverordneten-Wahlen. recht wohl, daß die Polizei die Bedingung gestellt hatte, über 20 Jahre alt sind. Diese neun Zehntel der ärmsten Klasse Die vorgestrige Versammlung im 37. Kommunal- dürften, und daß sonst nur der angegebene Referent, der Klassenstenerstufe. Und die winzige Minorität, die dann von Euch daß nur Wähler des 37. Wahlbezirkes(!!) sprechen sind des Wahlrechtes überhaupt beraubt. Des Wahlrechts gänzlich beraubt sind aber weiter die 144313 Personen der ersten wahlbezirk steht insofern einzig in ihrer Art da, als sie Stadtverordnete Tußauer, das Wort habe. Dann mußten noch übrig bleibt, wählt nicht unter den gleichen Voraussetzungen einen vollständigen Bruch mit aller bisher streng aber, schon um jeden Schein der Ungerechtigkeit von sich wie unsere Gegner, die doch Mann für Mann an die Wahl­beobachteten Tradition der sozialdemokratischen abzuwehren, sowohl Einberufer wie Redner mit vollſter ber Gige für die besigenden Klassen reservirt, und erst in urne treten dürfen. Vielmehr sind von vornherein zwei Drittel Partei bedeutet, und als es ein sozialistischer Stadt- Entrüstung diese Bedingung zurückweisen, welche dazu ber dritten Klasse dürfen die paar Wahlberechtigten unserer Partei verordneter war, der seine Hand zur Zerstörung der zwingt, Fragen der Gesammtpartei in die Hand der Be- ihre Stimme erheben! bisher eisern aufrecht erhalten en Parteidis- wohner eines beliebig gewählten Häuserviertels zu legen. Nun maßen wir uns nicht an, Euch darum von jeder ziplin bot. Das ist doch wohl die Rückgratlosigkeit zu weit getrieben, zu entscheiden und zu empfehlen, ist und bleibt Sache der Gesammt= Betheiligung an der Dreiklaffenwahl abzurathen. Das Da vielen Arbeitern die Entwickelung der Stadt- wenn man sich in den bedeutsamsten Fragen der Partei partei. Aber wir rufen diese beschämenden Thatsachen vor Eure verordnetenfrage" nicht genügend in ihren Einzelheiten disziplin der Willkür der Polizei fügt. Es giebt Schläge, Erinnerung zurück, um klarzustellen, daß wir jedenfalls gar keinen bekannt sein dürfte, so scheint uns, um ein richtiges Ur- auf die auch der größte Leisetreter nicht mehr mit Pfötchen- Grund haben, uns für die Theilnahme an den Stadtverordneten­theil zu ermöglichen, ein kurzer Rückblick darauf geboten. geben antworten kann. Und hier hatte die Polizei einen wahlen zu ereifern; dieser Eifer würde in ärgstem Mißverhältniß Der Widerwille weiter Kreise gegen eine fernere folchen Schlag gewagt. zu der Bedeutung und den Ergebnissen eines auf solchem Boden ausgefochtenen Wahlkampfes stehen. uneingeschränkte Betheiligung an den Kommunalwahlen Die Berliner   Arbeiter haben den Muth gehabt und werden

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ihn weiter haben, jeden ernsten Wahlkampf mit ihren Gegnern aufzunehmen, aber sie haben nicht die politische Ehrlosigkeit, sich an einer Wahlpoffe zu betheiligen.

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Unter solchen Umständen uns an der Wahl zu betheiligen, das

aber man wird der Seite, die werden müssen.

Den ganzen Wahnsinn eines solchen Vorgehens sieht stammt nicht erst von heute oder gestern, und er ist auch man erst ein, wenn man ihn methodisch durchgeführt denkt. nicht das künstliche Erzeugniß irgend welcher Koterie von Dann haben wir am Gesundbrunnen   eine Gruppe, welche unzufriedenen oder gekränkten Genossen. Wer die Berliner   Wahlenthaltung ploklamirt, am Wedding Bezirke, die­Verhältnisse kennt und etwas Aehnliches behaupten wollte, natürlich immer jeder hübsch unter sich", es darf kein Ber  - würde die Ungerechtigkeit des heutigen Syſtems nur bemänteln würde sich einer bewußten unwahrheit schuldig machen. liner Genosse, etwa vom Gesundbrunnen  , reden die, heißen. Das würde nach Außen hin nur den Anschein erwecken, Das Widerstreben machte sich vielmehr schon vor sagen wir, Wahlbetheiligung abmachen; und die Partei, hieße- um mit Lassalle zu reden- einen Zustand vollständiger als ob es für das Volk noch ein wirkliches Wahlrecht gäbe, das zwei Jahren geltend, und seit zwei Jahren ist die ganze auf deren Einheit wir stolz waren, zerfällt dann in Dußende Rechtlosigkeit in einen Zustand des Rechtes umlügen". Frage unter den zielbewußten Sozialisten Berlins   unab von Spielarten, die uns zum Gelächter unserer Gegner Und dazu sollten wir selber die Hand bieten?" lässig diskutirt worden und je weiter die Diskussion machen. Sollten einige Volksredner wieder von der Feigheit" fortschritt, desto stärker wurde die Abneigung, sich an den Auf diesen Weg hat die Unklarheit einiger weniger, sprechen, der Dreiklassenwahl auszuweichen, fo bitten wir, kommunalen Wahlen zu betheiligen, wenn keine wirk- für die Arbeiterbewegung ganz bedeutungsloser Leute die an sie die Frage zu richten, wer denn diese Feigheit" liche sozialistische Wahlagitation, die für uns ja Partei geführt, und auf diesen Weg mußte man folgerichtig angerathen habe. immer von größter Bedeutung ist, für die großen Opfer kommen, wenn man sich einmal der Pflichten der Partei­und geringen Erfolge der Wahl entschädigte. Wahlen disziplin enthoben hielt und auf eigene Faust operirte, wo von zweifelhafter Bedeutung sinken für uns ohne Wahl- man die genügende Zahl von Gesinnungsgenossen zu finden Das traurige Schicksal Hasenclever's, agitation zu unzweifelhafter Bedeutungslosigkeit zusammen, meinte. welcher der Irrenanstalt überliefert werden mußte, hat Darüber wurde man sich allmählich vollständig klar und Man kann vieles bedauern, was auch von Seiten der überall in Parteikreisen tiefes Mitgefühl geweckt. die Mehrheit derjenigen Arbeiter Berlins  , welche auf zielbewußten Genossen in der Hiße des Gefechtes gesagt Der Name des Mannes ist auf das Engste mit der alle Aemter und äußeren Ehren verzichten, aber alle worden ist; man kann auch wie wir dies hiermit aus- Jugendzeit der deutschen   sozialdemokratischen Partei ver­Opfer und Lasten auf sich nehmen, entschied sich gegen drücklich thun- die Resolution für Wahlenthaltung, knüpft, und von den Erfolgen dieser in ihrer Art einzigen die Wahlbetheiligung, wenn- dieses wenn" bitten wir welche der letzten Versammlung vorlag, für unglücklich, Periode wird Hasenclever immer ein gut Theil zugeschrieben immer zu beachten! wenn in keine wirkliche Wahlweil übertrieben, halten bewegung eingetreten werden könnte. wir hier vertreten, zugestehen müssen, daß sie allein die Der Deutsche Parlaments- Almanach" von Dr. Georg Wagt diese Thatsachen einer der Männer zu leugnen, höchste Pflicht der Partei, die Disziplin, gewahrt Hirth bringt über den Erkrankten folgende biographische die heute plöglich wieder aus der Versenkung auftauchen, und die Ehre eines mit unzähligen Opfern erkauften Zu- Notizen: Hasenclever  , Wilhelm  , Schriftsteller in Dessau  . nachdem sie lange Zeit für die Arbeiter und für die sammenhanges hoch gehalten hat. Geboren 19. April 1837 zu Arnsberg  , Westfalen  ( evang.). Partei weder zu haben noch zu sehen waren? Waren Und selbst wer die Wahlenthaltung nicht für Besuchte das Gymnasium zu Arnsberg  . Als Handwerks­diese Thatsachen einem dieser Männer unbekannt? Kein das Richtige hält, wird nach der Donnerstags- geselle ganz Deutschland   und Norditalien   bereift. Früher Parteigenosse wird etwas dagegen haben, wenn vielfach versammlung wissen, auf welche Seite er sich nun- Lohgerber, seit längerer Zeit Redakteur und Schriftsteller. gerade die unbedeutendsten, politisch wie literarisch gleich mehr zu stellen hat. Jede Partei kann sich Unklugheiten 1862-63 Redakteur der Westfälischen Volkszeitung" zu unfähigen Leute als Redner unserer Partei auftreten, aber zu Schulden kommen lassen; daran geht sie nicht zu Grunde, Hagen  , dann Mitarbeiter am ,, Sozialdemokrat" und doch nur unter der Bedingung, daß sie sich lediglich als zu am am aller wenigsten, wenn sie eine so unverwüstliche Lebens- ,, Agitator", darauf Leiter des Neuen Sozialdemokrat" Werkzeuge der Gesammtpartei betrachten und auch kraft besißt wie die Partei, deren Banner wir hochhalten. und Herausgeber der Sozialpolitischen Blätter". Im nicht den leisesten Versuch machen, nach eigenem Gutdünken Aber keine Partei kann Disziplinlosigkeit in ihren Reihen Jahre 1868 Kassirer des Allgemeinen Deutschen   Arbeiter­Seitenwege einzuschlagen. Die Agitatoren der Stadt- einreißen lassen, am allerwenigsten kann dies eine Partei, vereins, 1870-71 Sekretär, vom 1. Juli 1871 an Prä­verordnetenwahlbewegung hatten also lediglich eine Ehre wie die unsere, die nad, allen Seiten von Gegnern um- fident desselben bis zur Vereinigung der sozialdemokratischen darin zu suchen, sich der Mehrheit der zielbewußten Ge­ringt ist. Partei Eisenacher Richtung im Jahre 1875. Zu Gotha  auch hier übersehe man nossen anzuschließen, wenn Und der Disziplinlosigkeit sollten die Arbeiter Berlins   zum Vorsitzenden des Vorstandes der neuen sozialistischen dieses wenn" nicht! wenn keine öffentliche Ver- verfallen bei einem so geringfügigen Anlaß, wie es eine Arbeiterpartei Deutschlands  " erwählt, fungirte er auf den sammlung für ganz Berlin  , die selbstverständlich die Stadtverordnetenwahl bei Dreiklassensystem mit offener Kongressen zu Gotha   1875, 1876 und 1877 als Vor­entscheidende Instanz in jeder demokratischen Partei bildet, Stimmenabgabe und ohne Agitation durch ganz Berlin   ist? sigender. Im Herbst 1875 übernahm er die Redaktion Nein, wir wissen, daß um des Prinzips willen, um des Hamburg  - Altonaer Volksblattes" und 1876 vereint Der zweimalige Versuch nun, eine öffentliche Ver- der Konsequenzen willen, die aus seiner Verlegung hervor- mit Liebknecht die Redaktion des Zentralorgans fammlung für ganz Berlin   zu Stande zu bringen, scheiterte. gehen, um der Einheit unserer Partei willen am Dienstag der Sozialdemokraten Deutschlands  , des Vor­Somit war vollständige Wahlenthaltung ein Gebot jeder auch die Freunde der Wahlbetheiligung, alle ohne wärts", Mitarbeiter der Neuen Welt". Nach Verbot Parteidisziplin. Ausnahme, ihre persönliche Meinung im Interesse unserer des Vorwärts" Vorstandsmitglied der Leipziger Genossen­Aber von dieser Frage, die öffentlich schwierig zu hohen Sache zurückdrängen und durch diskutiren ist, ganz abgesehen, so mußte doch auch der vollständige Wahlenthaltung unbedeutendste und unfähigste Genosse einsehen, daß die Stadtverordnetenfrage" eine Frage der Berliner   Gesammt die Disziplin der Partei wahren werden. partei ist, die darum einheitlicher Entscheidung für ganz Berlin   bedarf; und wer trotz dieser Einsicht seine Hand dazu bietet, daß einzelne Bezirke und Häuserviertel auf eigene Faust eine so brennend gewordene Frage entscheiden, legt damit Hand an den Zusammenhang der Arbeiterpartei; er trägt dazu bei, die einheitliche Berliner   Partei in einen widerspruchsvollen Haufen von Gruppen und Koterien zu

anders beschließt.

Irrthümer.

In dem in der letzten Nummer von uns veröffentlichten Wahlaufruf war ausdrücklich betont, daß von einer Betheiligung an der Dreitlassenwahl überhaupt nicht abgerathen werde. Da dieser Punkt systematisch falsch bargestellt wird, so wiederholen wir Folgendes: zerschlagen. Bei 392741 Steuerzahlern der Einkommen- und Klaffensteuer Auf diese abschüssige Bahn haben sich die Macher der wies" Berlin   im Jahre 1883/84 weit über 200 000 wegen letzten Kommunal- Wählerversammlung begeben. Wir wissen Armuth stenerbefreiter Personen auf, von denen neun Behntel

schaftsbuchdruckerei. Auf Grund des Sozialistengesetzes ( fleiner Belagerungszustand) im Sommer 1881 aus Leipzig  vertrieben, lebte er seit dieser Zeit als Schriftsteller in Wurzen  , später in Halle, Dessau  . 1869-70 Mitglied des Norddeutschen Reichstages für Duisburg  ; des Deutschen Reichstages 1874 für Altona  - Stormarn  ; 1877 in Altona  und Berlin   gewählt, nahm er für Berlin   VI. an. Diese Wahl wurde für ungiltig erklärt; wiedergewählt im Juli 1877 in Berlin  . 1879 bei einer Nachwahl in Breslau  ( ft), 1881 in Breslau  ( Oft) wiedergewählt. 1884 eben­dort und Berlin   VI. Wahlkreis Berlin VI.( Sozial­demokrat).