Därmig berichtet; ja, es wäre noch viel mehr zu erzählen gewesen, als Därmig sagte und wußte.
Wanda Alfter war die liebste Jugendgespielin Frizz Lauters gewesen. In dem Hause, wo Herr August Alster seinen Kolonialwaarenhandel betrieben, hatte die Wiege Friz Lauters gestanden. Sein Vater und Alster waren Freunde; der erstere bekleidete den Posten eines Obersteuereinnehmers und war als solcher ein Mann, dessen Freundschaft sich der Krämer Alster zur hohen Ehre angerechnet. Der Obersteuereinnehmer Lauter hatte jedoch nicht weniger als sechs lebendige Kinder und starb, als das jüngste, unser Friß, zwölf Jahr alt war.
Ein kleines Vermögen, das die Mutter ins Haus gebracht, war in Hoffnung auf zukünftiges Glück zur Ausstattung der beiden ältesten Töchter verwendet worden. Der für die bescheidenen Bedürfnisse der Familie nicht unbeträchtliche Gehalt des Familienhauptes war auf Heller und Pfennig aufgegangen in dem Bemühen, den Kindern, den Söhnen wie den Töchtern, eine anständige Erziehung angedeihen und wenigstens einen von den Söhnen studiren zu lassen.
So blieb der Familie, als der Vater starb, nur die kleine Wittwenpension der Mutter, und die Zukunft der unerzogenen Kinder verhüllten die Schleier der Armuth. Frizz, der es bis zum Tode des Vaters bis zur Quinta des Gymnasiums gebracht hatte, konnte die Anstalt noch ein Jahr besuchen, weil er als Sohn eines Beamten an dem mit Vermächtnissen und Zuwendungen aller Art finanziell reich ausgestatteten Lehrinstitut Frei schule genossen und sich durch Fleiß und treffliche Anlagen die wohlwollende Unterstützung seiner Lehrer verdient hatte.
Als er vierzehn Jahre alt geworden, blieb jedoch nichts anderes übrig, als ihn einen Beruf ergreifen zu lassen, der ihm bald Brot und Lohn zu gewähren versprach. Die Mutter hielt ihren Frizz mit schwerem Herzen dazu an, er stand als der jüngste ihrem Mutterherzen am nächsten, ihn hätte sie am liebsten auf die Bahn zu Ehr und Ansehen im Staat und in der Gesellschaft geleiten wollen. Frizz hätte Kaufmann werden können, aber Ausprüche auf eine höhere kaufmännische Karrière konnte der aus Quarta abgehende arme Junge nicht machen, und dereinst als Kommis in einer Kolonialwaarenhandlung, wie sie Herr Alster gehabt, in der Heringstonne herumzufischen, die häßlichsten Köchinnen
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,, Mein schönes Kind" nennen und in die Backen kueifen zu müssen, das waren für den angehenden Studenten gar zu abstoßende Zukunftsaussichten gewesen.
Er wählte daher das Buchdruckergewerbe. Es galt damals noch vielseitig als ein in materieller Beziehung hoffnungsvolles und Friz Lauter schien es geistig in so naher Berührung mit Wissenschaft und Schriftstellerei zu stehen, daß ihm der Eintritt in die Druckerei fast wie das Aufrücken in eine höhere Bildungsanstalt vorkam.
So war denn Frizz Buchdrucker geworden, hatte drei Jahre Schriftseßer und dann noch eines Maschineneister gelernt und war dann als untadlicher Schweizerdegen wohlgemuth in die Welt hinausgezogen.
Der Blüthenstaub seiner schönsten Hoffnungen auf ein rasches und gedeihliches Fortschreiten in wissenschaftlicher Erkenntniß, vermittelt durch die die Druckerei passirenden Geistesschöpfungen, war freilich bald abgestreift worden. Die Druckerei war nicht groß, in der Fritz als Lehrling angenommen worden war; ein kleines Sonntagsblättchen, Erbauungsbücher, Rechnungs- und Briefköpfe, Etiquets und Plakate das war so ziemlich alles, was dort gedruckt wurde. Dabei war wenig zu profitiren; aber Frizz hatte sich jugendmuthig auf seine Zukunft als Gehilfe getröstet, die ihn in die weite Welt hinaus und in die größten Druckereien von Berlin und Wien , von London und Paris führen sollte.
Und sie hatte ihn auch nach Stuttgart und Leipzig , nach Berlin und Wien wirklich geführt; aber nach Paris und London hatte das Geld niemals recht reichen wollen, und auch der Muth nicht; der der fremden Sprachen unkundige Schriftsezer hätte in der That in den beiden europäischen Weltstädten einen schweren Stand gehabt und beinahe von neuem sein Gewerbe zu erlernen beginnen müssen.
Sehr tüchtig in seinem Berufe war Frizz Lauter bei seinem zweijährigen Umherschweifen in der Welt geworden, und diese seine durch vertrauenswerthe Empfehlung gewährleistete Tüchtigkeit und nicht ein unvernünftiges Glück, wie der Kollege Därmig meinte, war es auch gewesen, die ihm in der Universitätsdruckerei von Gandersberg u. Komp. rasch ein von vielen Kollegen beneidetes Unterkommen verschafft hatte. ( Fortsetzung folgt.)
Das Leben der Erde.
Von E. Fehleifen.
Die irrige Vorstellung, als ob es eine sogenannte unbelebte, todte Natur gebe, ist immer noch weit verbreitet, und doch offen bart sich dem Blicke überall Veränderung und Bewegung, nirgends herrscht absolute Ruhe, überall ist Leben, was wir Tod nennen, ist nur Bersetzung und Umwandlung zusammengesezterer Verbin dungen in einfachere. Ueberall zeigt es sich, daß die augenblick liche Erscheinungsweise der Erdoberfläche nur ein vergängliches Bild in dem Entwicklungs- oder Lebensprozesse unsres Planeten, nur eine momentane Gruppirung des ruhelos wandernden Stoffes ist, welcher nur scheinbar eine gewisse Stabilität besitzt. Eine Hauptrolle in diesem Leben“ unsrer Erde, eines Organismus, der gleich den an seiner Oberfläche lebenden, geboren wurde, lebt und dereinst sterben wird spielt das Wasser, dessen Beden tung für den Erdkörper derjenigen des Blutes für unsern Körper zu vergleichen ist.
An der einen Stelle zerstörend und fortführend, an der andern absetzend und neubildend, das einemal in flüssigem, das andre mal in festem Zustande, als Schnee oder Eis, bringt das Wasser im Laufe von Jahrmillionen die großartigen Wirkungen hervor, deren Ursachen unsre kindlichen Vorfahren natürlich nicht anders zu deuten wußten, als mit Zuhilfenahme überirdischer oder unter irdischer Mächte; sie glaubten aus großartigen Wirkungen auf großartige Kraftäußerungen schließen zu müssen und dachten nicht daran, in dem alles durchdringenden Wassertropfen das Element zu suchen, dessen stille, aber nimmer rastende Thätigkeit die Hauptursache der heutigen Oberflächengestaltung der Erde ist.
Die einschneidende Wirkung dieses geologischen Werkzeuges beruht auf seinem Streben, von der Höhe nach der Tiefe zu gelangen. Als Regentropfen auf den Schauplatz seiner irdischen Thätigkeit gefallen, beginnt er sogleich mit Ueberwindung aller Hindernisse sich einen Weg nach dem tiefsten Punkte der Erdober
fläche, dem Meere, zu bahnen. Der Größe und Schwierigkeit der Aufgabe des Wassers entspricht die Vielfältigkeit der Mittel, welche ihm zur Erfüllung derselben zu Gebote gestellt sind. Reicht seine mechanische Kraft zur Zertrümmerung und zur Transportirung der Gesteinsmassen, welche sich ihm in den Weg stellen, nicht aus, dann kommt ihm seine Fähigkeit zu Hilfe, gewisse Bestandtheile chemisch aufzulösen, zu zersetzen und auszulaugen und dadurch den Fels in seinem innersten Gefüge zu lockern, und sind beide vereint zur Bewältigung der Hindernisse zu schwach, so gesellt sich ihnen der Frost zu. Dann nimmt das Wasser seine feste Form an und dehnt sich bei dieser Gestaltsveränderung mit so unwiderstehlicher Gewalt aus, daß es, in Felsspalten eingeschlossen, die Gesteine zertrümmert.
Der Weg, welchen das Wasser einschlägt, um aus den Bergen in die Ebene, und von da zum Meere zu gelangen, ist ein doppelter; ein Theil sucht sich unterirdische Bahnen, ein anderer folgt der Oberfläche des Bodens. Die während eines Regens gefallenen Tropfen streben nach der nächsten Bodeneinsenkung; zum Rieselbach vereint, schneiden sie sich Wasserrisse ins Gestein; als Gebirgsbach stürzen sich die gesammelten Gewässer in vorhandene Spalten und wühlen sich tiefe Schluchten in die Felsen. Die Bäche vereinen sich zum Bergstrome, welcher die Schlucht zum Gebirgsthal erweitert, die Bergströme zu Flüssen, deren Bett sich zum Thale ausdehnt, aus welchem sie in die Niederung treten, um durch diese, indem sie andere Gewässer in sich aufnehmen, dem Meere als Strom zuzufließen. In das ursprünglich kompafte Gebirge schneiden sich die Wasser ganze Systeme von Wasserfanälen ein; Schluchten und Thäler unterbrechen jezt in mannig fachster Gestaltung die früher gleichförmig ausgedehnten Abhänge, als deren Ueberbleibsel nur noch die Felsrücken und Grate stehen geblieben sind, welche die einzelnen Thäler trennen.