hätte. Von der Brandstätte, wo ehemals Bardavieck sich ausdehnte, schafften die Hamburger die soliden Quadersteine herbei, die vordem als Grundlage zu Thurm und Wall gedient hatten. Sie erbauten aus diesen Quadern feste Hafen- und Ringmauern, innerhalb deren sich nun das großartige Gemeinwesen entwickelte, das bald über die Ringmauer und Gräben hinaus wuchs.
Von all den mittelalterlichen Befestigungsbauten, welche die stete Kriegsbereitschaft einer Hansestadt nothwendig machte, ist heute allerdings wenig mehr zu sehen. Naht man auf einem Elbdampfer oder in sausendem Zug über die Elbbrücke vom benachbarten Harburg herüber, so sieht man völlig eine moderne Stadt vor sich liegen. Hochragende Thürme es sind die höch sten in Europa darunter und bald weit ausgedehnte, bald eng zusammengedrängte Häusermassen werden dich weniger interessiren, als der Hafen mit seinem dichten Wald von Masten.
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Ist man auf dem Dampfboot gekommen, so steigt man im Hafen an der Landungsbrücke aus, das gegenüberliegende Ufer gehört zu der Insel Steinwärder, die eine Seite des Hafens bildet. Sie ist mit vielen Fabriken bedeckt und kleine Böte führen die Arbeiter hinüber und herüber. Dort steht auch das Etablisse ment der Gebrüder Ohlendorff, welche hier eine Guanofabrik und in Berlin die ,, Norddeutsche Allgemeine Zeitung" befizen. Weit über den Hafen empor ragt der„ Stintfang", eine mit Bäumen schön besetzte Anhöhe, von welcher die Mündungen dreier riesiger Geschüße auf den Hafenpassagier herabgähnen. Ist hier Belagerungszustand? Doch nein, die Geschüßkolosse stammen augenscheinlich aus dem vorigen Jahrhundert und machen viel Lärm, aber wenig Schaden. Bei Gefahr infolge steigenden Wassers feuert man sie ab, um ein Warnungssignal zu geben.
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Vom Stintfang" herab blickt man auf das bunte und wechselnde Leben am Hafen. Vor demselben etwas nach rechts hin liegen die riesigen Dampfer, die den Verkehr mit Amerika vermitteln und von denen einige schon in 11-13 Tagen von Hamburg nach New- York gefahren sind. Sie haben alle eine gute Lunge, d. h. ihre Maschinen sind kolossal und wenn solch ein Ungethüm sich vorwärts bewegt, pustet und schnaubt es wie ein Leviathan. Armselig sehen dagegen die Segelschiffe aus, die sich schwer und unbehilflich bewegen. Sie liegen zu hunderten da vor den verschiedenen Quais, tragen Namen aus allen Sprachen und sind mit Wimpeln und Flaggen aller seefahrenden Nationen behängt.
Am Hafen wird immer gearbeitet; ein geschäftiges Menschengewühl, summend und brausend wie ein Bienenschwarm. Da ist soeben ein Schiff mit englischen Kohlen angekommen und so fort wird es von den Kohlenjumpers", den Kohlen- Ausladern, die in Böten angefahren kommen, zu dußenden erflettert. Die Kohlen werden in die Böte herabgeschafft und ans Land gebracht, was mit großer Geschwindigkeit vor sich geht. Diese Kohlen jumper" genannten Arbeiter halten sehr fest zusammen und pflegten früher sämmtlich die Arbeit einzustellen, sobald einer nur um einen Groschen billiger arbeitete, als die mit den Kohlenhändlern vereinbarten Lohnfäße betrugen. Die schlechte Geschäftszeit wird diese Disziplin gelockert haben.
Weiterhin bemerkt man eine Anzahl von Matrosen das Tauwerk ihrer Schiffe ordnen und vernimmt dabei ihren eintönigen Gesang, der einen schwermüthigen Eindruck macht. Wer das Seewesen nur aus Romanen fennt, muß finden, daß dieser Gesang ihm einen Theil der Poesie raubt, mit dem die Poeten es umivoben haben. Was hat zudem der Mensch vom Leben, der sich drei Viertel desselben der stürmischen See anvertrauen muß, der da lebt ohne öffentliches Leben, ohne Verkehr außer dem nur der Schiffsgenossen, ohne trauliches Heim und mit dem falschen und tückischen Element unter sich? Man geräth in Gedanken und indem man sich darüber besinnt, wie man dies doch ändern könne, und dabei zu keinem Resultat kommt, wandert man weiter durch das Menschengewühl, das geschäftig an uns vorbeiwogt und sich nicht um unsere Grübeleien fümmert.
Die Wirklichkeit drängt sich uns bald auf. Man läßt sich übersetzen und gelangt nach den Quais, wo die Waaren, die Schäße fremder Zonen, ausgeladen und mittels gewaltiger Krahnen in die offenen Lagerhallen spedirt werden. Hier sieht man den Reichthum zweier Welten und es erfaßt einen mächtig, wie man die gewaltigsten Lasten von den gigantischen Hebelarmen des Krahnes getragen leicht ans Land schweben sieht. Wir haben es doch weit gebracht, würde der gute Stammvater Adam sagen, der es blos bis zu einem Feigenblatt brachte.
Hier speit der Freihafen, der vom Zollverein eingeschlossene,
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aus, was auf allen Meeren ihm zugeschwommen ist. Hier pulsirt der Welthandel.
Die Waarenmassen werden von hier, soweit sie nicht sofort weiter zu befördern sind, in die Magazine der Speicher geschafft. Der Transport dahin geschieht theils zu Wagen, größtentheils aber auf den sogenannten Fleets". Die Fleets" sind jene Kanäle, welche die Altstadt Hamburgs, den Hauptsiz des Handels durchschneiden. An Schlamm sind sie nicht arm und über ihre Ausdünstung hat sich der Spötter Heine mehr als einmal lustig gemacht. Und doch sind diese„ Fleets", so schmuzig sie aussehen, für den hamburgischen Handel ungemein wichtig. Sie befördern mit wenig Kosten auf ihrem Rücken die schwersten Lasten in die Magazine. Die letzteren, Speicher genannt, sind meistens so gebaut, daß ihre Rückseite an das Fleet" anstößt, sodaß die Waaren gleich aus dem Fleetfahrzeug hereinbefördert werden können. Diese Fahrzeuge nennt man Ewer" und die Arbeiter, die sich auf denselben befinden ,,, Ewerführer". Diese bilden ein besonderes, abgeschlossenes Gewerk. Man kann sich leicht denken, daß die Fleets namentlich bei noch mangelhaften Transportmitteln, schon wahre Goldgruben für die Kaufmannschaft gewesen sind. Vom Quai aus kann man sich zeigen lassen, wo der kleine Grasbrook liegt, der Ort, wo der kühne Seeräuber Klaas Störtebecker hingerichtet worden ist mit vielen seiner Genossen, nachdem ihn die Hamburger Anno 1407 bei Helgoland gefangen hatten. Der Henker watete bis an die Knöchel im Blute und die hamburger Schönen weinten bitterlich, denn der Störtebecker war ein Mannesbild gar kühn und truziglich, wenn er auch nur Seeräuber war.
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Kolosse von Schiffen ankern hier, die dem großen Rheder Godeffroy gehören. An ihm kann man sehen, wie weit es ein Hamburger bringen kann, denn er ist der souveräne Beherrscher einiger Samoa- Inseln in der Südsee, die er kraft seiner Schiffskanonen hat besetzen lassen. Dort ist er Souverän, in Hamburg ist er Staatsbürger. Was man sonst hört von jenen Samoa Inseln, lautet nicht gerade günstig. Zwar hat das Haus Godef froy einen schönen, großen, dem Publikum zugänglichen Park in Hamburg angelegt und für Errichtung eines naturhistorischen Museums eigene Gelehrte angestellt. Aber den Bewohnern der Samoa- Inseln soll die Zeit, da sie das Haus Godeffroy noch nicht kannten, angenehmer gewesen sein, als die gegenwärtige. Wir können ihnen dies auch gar nicht verdenken. Die Kontrafte, die sie eingehen müssen, sollen nicht geeignet sein, einem Menschen das irdische Jammerthal" besonders angenehm zu machen, und wenn man sieht, zu welchen Spottpreisen die Kokusnüsse in Ham burg auf der Straße verkauft und wie massenhaft sie zum Delpressen verwendet werden, so kann man sich wohl denken, daß die Eingeborenen der Samoa- Inseln mit der Produktion dieser Waare soweit sie ihnen zusteht nnd nicht auf Rechnung des Staats" Godeffroy betrieben wird keine Schäße sammeln werden.
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Beim Durchschreiten der Straßen Hamburgs fällt auf, daß die Bauart nicht überall gleich ist und zwar tritt die scharfe Trennung in Gebäude alten und neuen Stils besonders hervor. Es gibt durchschnittlich nur ganz alte und ganz neue Häuser. Diese Erscheinung erklärt sich als eine Folge des großen und furchtbaren Brandes, der am 5. bis 8. Mai 1842 in Hamburg wüthete und einen sehr großen Theil der Stadt in Asche legte. An Stelle der eingeäscherten alten Straßen entstanden neue Straßen in modernem Stil; die andern alten Gebäude, die wie alles Alte in Hamburg sehr dauerhaft sind, blieben stehen und so entstand die Mischung des Stils. Die alten Häuser sehen unschön aus und machen keinen so günstigen Eindruck, wie die alten Bauwerke Nürnbergs , sie sind auch unbequem gebaut. Sie fallen dadurch auf, daß die Façade jedes Stockwerks fast nur aus Fenstern besteht, die so eng an einander schließen, daß die Zwischenwand wegfällt. Die Vorderwand ist also eine Fensterund Glaswand. Die Fenster öffnen sich alle nach außen, was alljährlich den Tod verschiedener Dienstboten beim Fensterputzen erfordert. Die Kellerwohnungen sind ungemein zahlreich; von den Restaurationen werden vielleicht 30 Prozent im Keller be trieben und mögen auch 5-7 Prozent der städtischen Bevölkerung, aus freier Hand" geschäßt, im Keller wohnen. Die Kellereingänge sind oft sehr vorspringend gebaut und beeinträchtigen das Trottoir so mancher Straße. Das Wohnungswesen liegt überhaupt sehr im Argen, was nicht zum geringsten Theil daher kommt, daß durch die Gesetzgebung die Hauswirthe bedeutend bevorzugt sind. Die Miethen sind enorm, troßdem in den fre
Mr. 1
1880