quentesten Straßen die Häuser eng, unbequem und dumpfig sind und in Bezug auf Abführwesen dort Zustände herrschen, die man in anderen Städten kaum glaublich finden würde. Es gibt in Hamburg keine einzelnen Sentgruben, sondern das Abführwesen beruht auf einer Siel- Einrichtung. Dieselbe hat ihre großen Nachtheile, so lange die Hauswirthe nicht gefeßlich verpflichtet sind, die nöthigen Reinigungseinrichtungen zu treffen. Das ist nicht geschehen und so dauert der alte Schlendrian fort.

In den neuen Straßen und in den Vororten ist es besser. Die Kaufmannschaft wohnt zum großen Theil in den schönen Villen der Vororte, während sich die Comptoirs und Magazine in den öden und traurigen Gebäuden der Altstadt befinden. Die dunkelste Schattenseite des hamburgischen Wohnungswesens bilden die ,, Gänge", jene kleinen Straßen, die oft sp enge sind, daß man mit ausgestreckten Armen die Häuser rechts und links zugleich berühren kann. Diese Gängeviertel gereichen der stolzen Hansestadt nicht zum Ruhme. Die Sonne scheint in viele dieser ,, Gänge" nicht hinein und doch müssen tausende von Kindern darin aufwachsen, tausende von Menschen fast ihr ganzes Leben darin hinbringen. In den engen schmutzigen Häusern klettert man oft wie auf Hühnerstiegen die Treppen hinauf und muß sich an ein abgegriffenes Seil, das als Treppengeländer dient, halten, um nur emporzukommen. Die Prostitution und manche andere Laster haben in einigen dieser Straßen ihren Sitz aufgeschlagen; in den meisten aber wohnen fleißige Arbeiter und verarmende kleine Gewerbetreibende, die der billigen Miethe wegen sich in die Gängeviertel" verbannt haben. Wie Häringe sind die Men­schen auf einander gepackt und der anständigste Mensch kann es oft nicht vermeiden, daß die Prostitution das gleiche Haus be­völfert, wie er und seine Familie. Wir haben schon oft von Wir haben schon oft von Fremden sagen hören, daß Hamburg , was seine trübseligen, düstern und ungesunden Massenquartiere anbetrifft, allerdings Klein- London" sei.

Während du durch die Straßen schweisst, kommt dir ein Leichenzug entgegen. Hinter dem Sarge schreiten ernst eine An­zahl Männer in mittelalterlicher Tracht: schwarzes Barett, große weiße, sorgfältig gefältelte Teller- Halskrause, spanischer Mantel und enge Beinkleider. Hinter ihnen kommen erst die Leidtragen den in Droschken. Die Mittelalterlichen sind eine hamburgische Spezialität; die Hamburger wollen nun einmal ohne mittelalter­lichen Aufzug nicht begraben sein. Wenn man Geld hat, kann man auch Leichenträger mit Degen haben, die ebenso für den Leichenzug am schönsten, wie die hölzernen Särge für den Todten am gesündesten sind.

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Aber laß die Todten ruhen und sieh dir lieber das rosige junge Geschöpf mit der weißen Haube und den entblößten Armen an. Das ist eine hamburger ,, Köksch"( Köchin) in ihrer National tracht, nämlich weißer Haube oder Müße" und hellem Kattun kleid, das etwas turz ist, um die schneeweißen Strümpfe sehen zu lassen, die am Fuß mit niedlichen Pantoffeln verschwistert sind und auf welche die Köfsch" ganz besonders stolz ist. Ein gellender Schrei: A- a- a- al!" der plötzlich an dein Ohr Schrei: ,, A- a- schlägt, läßt dich die Köfsch" vergessen; du siehst dich erschreckt um und stehst vor einer Fischfrau, die ihre Waare ausruft. Sie hat zwei Körbe an einer Tragstange über die breiten Schultern gelegt und schreitet mit hochgeschürzten Gewändern gravitätisch dahin. Frischen Schellfisch A- a- a- al!" klingt es noch in deinem Ohr, als plößlich ein ohrzerreißendes Geschrei sich in deiner Nähe erhebt und sofort eine Anzahl Menschen sich ansam melt. Du kannst nicht verstehen, was da so laut geschrien wird; du eilst aber dahin, wo sich das Volk zusammendrängt und stehst vor einem Wagen, der je nach Umständen mit Apfelsinen, Ana­nas, Kirschen, Hummern, Kokosnüssen, Aepfeln, Thonwaaren, Kalendern, alten Büchern oder Hosenträgern und Schlipsen be­laden ist. Du merkst erst jetzt, daß der Stentor, der so viel Lärm macht, seine Waare und deren Preis öffentlich ausruft. Das sind eben hamburgische Eigenthümlichkeiten, zu denen auch die drallen Vierländerinnen mit ihren furzen Röcken und mert­würdigen Strohhüten gehören. Im übrigen bieten die Straßen das Gewühl einer jeden großen Stadt mit Pferdebahnwagen und

Die Dampffefsel der Zukunft.

Die in unserm Zeitalter mehr und mehr zur Weltbefreierin heran­reifende Technik bringt zuweilen Erscheinungen hervor, welche in größerem Maße, als dies in der Regel bei technischen Erzeugnissen der Fall ist, die Aufmerksamkeit auch des außerhalb der eigentlichen Fach- und

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Omnibussen und du magst noch ab und zu wieder von einem ausgelassenen Matrosen angerempelt werden, der vielleicht fünf­zehn Monate zur See gewesen und jetzt ,, austreten" will. Diese Austretenden" sind gewöhnlich keine angenehme Erscheinung, und es kommt noch hinzu, daß ihnen von schlauen ,, Damen", die auf das Austoben" spekuliren, die ganze mühsam verdiente Baarschaft in einer tollen Nacht aus der Tasche gelockt wird.

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Das ist ein Gewühl, ein Lärm, ein Schreien und Drängen, ein Rennen und Stoßen. Da wird es dir zu eng in den dumpfi­gen und schmußigen Straßen und du schnappst nach frischer Luft. Nachdem du dir die öffentlichen Gebäude, die kein besonderes Interesse haben, ausgenommen vielleicht das Johanneum, die bedeutendste hamburgische Lehranstalt, und die Börse, die helleren Theile der Stadt angesehen, gelangst du an das Ufer der Alster und athmest freier. Du trittst auf den Jungfernstieg, der die Alster entlang führt und es weht fühler um deine Stirne; die Alster sendet dir einen erfrischenden Hauch.

Die Alster besteht aus zwei Bassins, der kleineren Binnen­und der größeren Außenalster. Die zwei Bassins werden ge­trennt durch die Lombardsbrücke, ein solides Bauwerk, über welches auch die Verbindungsbahn zwischen Hamburg und Altona führt. Der schöne, klare Wasserspiegel der Alster bietet mit seiner Umgebung einen Anblick, den man nicht so leicht vergißt. Die Binnen- Alster ist von den prächtigen Gebäuden des Jungfern­stiegs und der anstoßenden Straßen umgeben. Die Wege, die rings um das Bassin führen, sind zu schönen, schattigen Alleen umgeschaffen worden. Die Außenalster ist auf der einen Seite der Stadt, auf der anderen Seite von den Vororten umgeben und der Blick verläuft in der Ferne in grünen Wiesen oder kleinem Gehölz, zwischen dem die modernen Villen einzeln her­vorschimmern. Die Vororte sind ein Gemisch von Häusern und Gärten. Auf den beiden Alster- Bassins selbst schießen pfeilschnell jene kleinen Dampfer hin und her, welche den Verkehr zwischen der Stadt und den Vororten vermitteln. Sie treiben die Schaaren der Schwäne vor sich her, die majestätisch das Wasser zu durch­furchen pflegen. Ist das Wetter günstig, so wimmelt, namentlich am Sonntag, die Alster von Ruder- und Segelböten, was von der Lombardbrücke herab einen eigenthümlich anziehen den Anblick gewährt. Man sieht die langen, schlanken Böte dahinschießen, die von ruderfreudiger Jugend in eigens diesem Fall angepaßten Kostüm besetzt sind. Männlein und Weiblein pflegen da der lustigen Wasserfahrt.

Willst du dich nach historischen Orten umsehen, so gehe nach Wandsbeck hinaus, wo der lustige Dicher Claudius gehaust hat; auf seinem Denkstein findest du seinen Ranzen abgebildet. In der Königstraße zu Hamburg siehst du eine Gedenktafel; dort hat Klopstock, der Dichter des großen Epos Messias" gewohnt. Er liegt auf dem Kirchhofe in Ottensen begraben und auf dem Stein, unter dem er schlummert, zählen jetzt die Marktweiber ihre Eier ab, denn die Zollgrenze läuft- prosaisches 19. Jahrhundert! gleich neben dem Grabstein durch. Die hamburgischen Poeten werden dich sonst wenig interessiren, am wenigsten der alte ernst­hafte Brockes, der zwölf Gesänge: Frdisches Vergnügen in Gott!" verfaßt hat. Laß die Poeten gehen und wende dich lieber zu der interessanten Gegenwart. Hast du noch nicht die Gaben des Meeres genossen, du kannst sie so billig haben, wie nirgends, denn sie kosten keinen Zoll, und schmecken dir besser als die alten Boeten.

So sieht die Weltstadt aus, wenn du ihre Straßen durch­missest. Es berührt dich der bunte Wechsel der Verhältnisse wie überall, wo so viele Menschen beisammen wohnen.

Du wirst finden, daß der Spötter Heine Recht gehabt hat, als er über, Schellfischseelendust" flagte, da er in seinem engen Kramladen saß, den ihm sein Oheim am Grasteller 139 ein gerichtet hatte. Es ist wahr; hier erscheint der Handel und der Weltverkehr groß, gewaltig und imponirend, aber es tritt auch alles andere vor ihm zurück. Merkur und Apollo vertragen nicht so leicht dieselbe Luft.

Um die alte Hammonia genau und richtig beurtheilen zu können, dürfen wir uns mit der Anschauung ihres Aeußeren nicht begnügen; wir wollen später auch ihr Inneres kennen lernen.

Interessentenfreise stehenden Publikums auf sich ziehen. Und zwar erfährt eine technische Leistung stets dann jene allgemeine Beachtung, wenn sie geeignet ist, deutlicher als gewöhnlich den eigentlichen und wahren Beruf der Technik, wie überhaupt der menschlichen Arbeit und Wissenschaft, zu zeigen, den Beruf nämlich, das Menschengeschlecht