mit Gänsefüßchen! Man möchte gern genauere Zeugnisse für diesen Punkt haben! Vielleicht finden sich noch Belege für der artige Strafen an solchen, die zu viel Wahrheit sagen!" Unser wackerer Königsberg sagt es aber eben doch in seinem Spruch. Auf die Frage: was hat den Frevel gethan, läßt er Frau Ge­rechtigkeit antworten: Von Menze( Mainz ) Bischof Johann!" Groß, kühn und edel waltet hier der Dichter seines Strafamtes! Die Gefahr, welche mit einer solchen schweren Beschuldigung gegen Mächtige allezeit verbunden war und noch ist, deutet er allerdings nochmals mit der zweifelnden Gegenfrage an Frau Wahrheit an: Was? der Mainzer soll mit der Frau Schande getanzet han?"

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in der sittlichen Welt Feststehenden ihren sittlichen Halt. Wohl merkt mancher, daß Ehre, Zucht und gute Sitte nirgend zu finden sei: der entfesselte Eigennuzz, der Krieg aller gegen alle bemächtigte sich der ganzen Zeit und ließ sie nicht dazu kommen, die Welt organisch wieder aufzubauen und zu festigen. Schön spiegelt sich dies noch in einem Spruch, in welchem der Bote" bei den verschiedenen Ständen herumfragt, wo Frau Gerechtig­keit zu finden sei. Bei einer Frau aus dem Volke beginnt er seine Umfrage, die ihn an den Bauer verweist, der wieder an die Bürger, diese an den Juden, der an die Ritter, diese an.den Kaiser, an den Papst, kurz an Pontius und Pilatus, bis er zu den Gelehrten kommt, die ihn zu den Alten", den Weisen schicken. Dort fragt er zuletzt an: Ich habe gesucht viel vergangen Jahr',

Find ich die Gerechtigkeit bei euch? sagt wahr.

Geselle, da können wir nicht von sagen

Denn sie wird auf diesen Tag begraben.

,, Diese Bosheit ist Geschicht", d. i. Thatsache, wirklich ge­schehen, antwortet streng Frau Gerechtigkeit und erinnert ihn zum zweiten mal an seinen Schwur als Wappendichter und Herold . Er antwortete: Ja ich habe es geschworen, wer da wohl thut, und erhält die Antwort: den setze ich fort( d. h. hinauf an die Ehrenpläße bei Tafel oder sonstwo) und wenn ich weiß ein' Bösewicht, den setze ich bei kein' Guten nicht". Dem folgt nun der erneute Auftrag, mit Wort, Lied und Spruch zu brandmarken die Mordbuben, die ,, han Frau Schanden Schwert so schändlich lassen schneiden." Folgen die Namen der heimtückischen Mörder. Die Fürsten , in deren Land der Frevel geschah, sollten dazu thun, daß die Unthat gerächt werde, sonst seien sie meineidig. Zum Schluß entgegnet der Dichter noch einmal:

Jungfrau das mögt ihr sa'n( sagen)

Damit ich sei unschuldig an( daran). Ueber unseren Königsberg schweigen die bis jetzt bekannten Quellen, freilich möchte man gern wissen, ob er von dem Priester der Religion der Liebe, dem Mainzer Bischof oder einem anderen der erlauchten Mordgesellen zu einem Opfer mittelalterlicher Breßfreiheit" auserkoren und in der von ihm selbst geschilderten Weise behandelt worden ist. Für gewiß läßt sich aber annehmen, daß diese furchtbare Anklage gewaltige Aufregung hervorgerufen und wie ein Lauffeuer durch die deutschen Gaue gegangen sein muß.

Aus einem Spruche Johann Schneiders für das Jahr 1492 ergibt sich auch, wie sehr man mit der öffentlichen Meinung, ,, der sechsten Großmacht", wie Napoleon sie nannte, schon damals zu rechnen wußte, indem weltliche und geistliche Fürsten, mächtige Städte und andere politische Körperschaften solche Sänger und Spruchsprecher zu gewinnen suchten, ja förmlich in ihrem Dienste anstellten. Schneider war nämlich zweimal in solcher Stellung, beim Herzog von Baiern und bei Kaiser Maximilian .

Und Stoff besonders zu ernsten Rüge- und Strafliedern bot jene Zeit übergenug.

Bei Tafel wurde von dem Herold einer symbolisch für un würdig erklärt mit den anderen zusammenzusißen, indem das Stück Tafeltuch ausgeschnitten ward, wo er saß, und an diesen Brauch anknüpfend, sagt ein Spruch:

Sollt man jet solch Zipfel schneiden,

So mußte manches Tischtuch leiden!

Mit dem allgemeinen Niedergang verfiel auch die Poesie, die Wappendichter und Spruchsprecher ſanken immer tiefer herab und verloren immer mehr bei dem Wankendwerden alles sonst

Nach dem Verfall des Ritterthums bildete sich durch Eintritt der Städte eine neue Gesellschaftsgruppirung, aber die neugeglie­derte Gesellschaft konnte sich noch lange nicht zu einem ordentlichen Ganzen zusammenfinden. Geistliche Fürsten , Aebte, Bischöfe und weltliche Herren, Herzöge, Fürsten und reiche mächtige Ritter, freie Bauern, und jetzt neuerdings die Städter waren ebenso viele Parteien, die sich immer einander in den Haaren lagen; und der Allzeit Mehrer" und Erhalter des Reiches, der jeweilige Kaiser spielte dabei nur die kläglichste Rolle. Auch die verschie­denen Berufsstände, meist in Zünften vereinigt, feindeten einander an. Oft nahmen auch fahrende Schüler, die Vorläufer unserer heutigen Studenten, mit Armbrüsten und Steinen bewaffnet, das von Dorfbewohnern und Städtern mit Gewalt, was man ihnen, wenn sie bettelten, nicht freiwillig gab. In Freiberg , Zwickau , Chemnitz und anderen Orten erhoben sich die Bergleute und andere Schichten des werkthätigen Voltes gegen die Schüler" und sangen ihnen Neck- und Schandliedlein zu, so eines vom Johannes im Korb", welches 1510 und 1511 blutige Auf­läufe und allgemeine Unruhe in einem großen Theil des heutigen Königreichs Sachsen hervorrief.

Die einzige Gewalt, die aus diesem Wirrwarr Nußen zog, war die Souveränität der Landesherren, welche eifrig dafür sorgte, daß ja ein jeder auf seiner Scholle gehalten und ihm ein­gebildet würde: er sei die Welt. Die politische Kraft der Bürger ließ man nach diesem Grundsatz dem alten römischen divide et impera( theile und herrsche) sich selbst aufreiben und verzehren in der erbärmlichen Tretmühle der Standes- und Innungsinter­essen; statt der Freiheit für alle gab man Sonderfreiheiten, Pri­vilegien für einzelne Personen und Stände und verhinderte so ein Zusammenwachsen der verschiedenen Volkskräfte zu einer ge­bietenden Macht.

In diesem allgemeinen Drüber und Drunter konnte eine rechte echte politische Dichtung auch nicht gedeihen und erst die Refor­mation bringt die geistige Bewegung wieder in einen solchen Fluß, daß wirklich beachtenswerthe Dichtungen geschaffen werden, welche vom Geiste der öffentlichen Meinung durchweht und getragen sind, für deren echten Ausdruck gelten dürfen.( Schluß folgt.)

Das Dove'sche Drehungsgesetz der Winde.

Von A. M.

Der Wind bläset wo er will und du hörest sein Sausen wohl, aber du weißt nicht von wannen er kommt, noch wohin er fährt sagt der Apostel Johannes. Jahrhunderte lang war dies der Standpunkt der Gebildeten und Ungebildeten, der Gelehrten und der großen Masse. Daß das Mittelalter sich nicht mit physi­kalischen und meteorologischen Untersuchungen abgab, war ebenso natürlich und erklärlich, als daß bei der gesammten geistigen und wissenschaftlichen Richtung des 16. und 17. Jahrhunderts( trotz der bedeutenden Entdeckungen und Forschungen eines Kepler, Newton, Galilei , Toricelli , Guericke 2c. 2c.) die biblische An­sicht als unumstößliche Wahrheit allgemeine Geltung behalten mußte. Erst als seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Forschung auf allen Gebieten der Naturwissenschaft vorherrschend wurde, kam man zu der Ueberzeugung, daß die Entstehung, Richtung und Ver­breitung der Winde doch wohl bestimmten Gesetzen unterliegen müsse.

Die meteorologischen Beobachtungen( d. h. Beobachtungen in Bezug auf die Erscheinungen in der Atmosphäre Luft und Witterung) und Entdeckungen Franklins, Alexander v. Hum­boldt's, Leopold v. Buch's und anderer, durch deren Bemühungen seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts in ganz Europa , sowie in Amerika , ja selbst in Asien sog. meteorologische Stationen errichtet wurden, waren ein wesentlicher Fortschritt auf dem Wege zur Auffindung dieser Naturgesetze. Der Ruhm aber, das all­gemeine Gesetz aus den unzähligen Beobachtungen herausgefunden und wissenschaftlich begründet, diese Riesenarbeit des Geistes voll­bracht zu haben, gebührt allein dem vor wenigen Monaten erst verstorbenen Heinrich Wilhelm Dove , jenem Professor an der Berliner Universität, dessen Portrait die ,, Neue Welt" in Nr. 32 des letzten Jahrgangs gebracht hat. Gleich jeder anderen Flüssigkeit hat auch die unsere Erde rings umgebende Luft die nebenbei bemerkt