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gegangenen Jahrhunderts erfundenen Buchdruckerkunst und das wieder sich erschließende Verständniß für die Schriftwerke des klassischen Alter­thums zeugte den Sinn für edlere Lebensgestaltung und den Drang nach freierer Geistesregung, als sie unter der weltlichen und geistlichen Doppel­herrschaft oder Doppelfnechtung bis dahin sich hatte entfalten können. Es waren die Jahre, von denen der herrliche Ulrich von Hutten   in freilich sich dennoch überstürzender Begeisterung ausrief: Es ist eine Lust jezt zu leben. Aber sie wußten es nicht, daß sie sich täuschten in dem Vertrauen auf die Siegesmächtigkeit jenes geistigen Frühlingswehens, das durch die Herzen und Köpfe des deutschen Volkes zog zu Anfang des 16. Jahrhunderts- sie, die deutschen Denker und Helden, wie Hutten  , und die kernfesten Volksdichter, wie Hans Sachs  ; wie konnten sie auch ahnen, daß der Volksdrang nach Geistesfreiheit, der in Luthers   kirch­licher Reformation seine Auferstehung feierte, in eben dieser Reformation für lange Zeit auch sein Grab finden sollte. Hans Sachs  , welcher mit dem vielbekannten Liede von der Wittenbergischen Nachtigall" die dem Löwen, den Waldeseln, Schweinen, Kazen und Fröschen- d. i. dem Papst und seinen Getreuen zu Aerger und Troß die fromme Heerde von dürrem Acker auf saftige Wiese lockt, den deutschen Reformator freudig begrüßt hatte, sollte bald genug selber einsehen, daß es eitel Thorheit war, die Interessen einer Volksbewegung mit dem Eigennutz der Reichs­fürstenschaft zu verschwistern. Und so kehrte er zwar seinen Poetenzorn schließlich gegen die hohen Häupter, auf welche die Reformation ihre Hoffnung gesezt hatte, aber er wußte selbst, daß sein Gesang wohl Wider­hall fand bei Seinesgleichen, aber da wo die Macht war, an den Höfen und in den Schlössern der Großen, wo dereinst der Dichter ein wohl­gelittener und einflußreicher Gast gewesen, nimmermehr auf Beachtung zu rechnen hatte. Hans Sachs   poetisches Talent ward so allerdings anfänglich gespornt von dem großen geistigen Anlaufe, den seine Zeit nahm, dann aber wieder gezügelt und in enge Grenzen gebannt von den Schranken, welche eben diese Zeit stehen gelassen oder neu wieder aufgerichtet hat. Am 5. November des Jahres 1594 ward dem Schneider Sachs zu Nürnberg   der Sohn geboren, welchem er in der Taufe den Namen Hans gab. Von Kindheit an konnte der Vater mit dem aufgeweckten Jungen nichts Kleines vorgehabt haben, denn er schickte ihn mit dem siebenten Jahre in die Lateinschule und ließ ihn bis zu seinem fünfzehnten darin. Dann aber that er ihn zu einem Schuster in die Schusterlehre, gleichzeitig aber auch zu dem als Meistersänger vielberühmten Leineweber Leonhard Nunnenbeck in die Poetenschule. In den üblichen zwei Lehrjahren hatte Hans Sachs   genug profitirt von dem ehrsamen Schuhmacherhandwerk und sicher auch von der Dichtkunst Meister Nunnebecks, um sich als Schuster und Poet selbst durch die Welt zu helfen. Und so begab er sich denn flott auf die Wanderschaft, um Menschen und Länder, Welt und Leben kennen zu lernen. ( Schluß folgt.)

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Der Zeustempel in Olympia   in seiner ursprünglichen Gestalt. ( Bild S. 17). Der geistige Mittelpunkt der vielen Staaten, welche den geographischen Begriff Griechenland   darstellten, war Olympia. Ganz Elis, zu dem Olympia gehörte, galt für ein dem olympischen Gott geweihtes Land, dessen Grenze keine bewaffnete Schar überschreiten durfte. Erst durch Einsetzung dieses Bundesheiligthums lernten sich die verschiedenen Stämme der Hellenen( Griechen) als ein durch Sprache, Sitte, Religion und Kunst geeinigtes Volk fühlen. Olympia war keine Stadt, nur ein Tempelbezirk. Die Landschaft, welche denselben bildete, bestand aus zwei Theilen, der eine lag innerhalb, der andere außer halb der Altis, d. h. dem Tempelhof des hellenischen Obergottes Zeus  , den die Römer Jupiter nannten. In der Altis befand sich nur, was den Göttern gehörte; von einer hohen, angeblich von Herakles  ( Herkules) gegründeten Umfassungsmauer umgeben, zog sie sich am platanenreichen Ufer des Kladeos, eines Nebenflusses des Alpheios  , hin. Durch ihr einziges Eingangsthor, das von einem Delbaum beschattet war, von dem man die Kränze abschnitt, mit welchen man die Sieger der von fünf zu fünf Jahren stattfindenden olympischen Spiele schmückte, be­traten die Festzüge den geheiligten Boden. Da stellte sich dem Auge auf mächtigem Unterbau der Tempel des Zeus   dar, mit seiner westlichen Front dem Eingang zugekehrt, wie ihn unser Bild darstellt. Dieses glänzend ausgestattete Nationaleigenthum war ein Werk des atheniensi schen Meisters Phidias  . Im Einverständniß mit Phidias   ordnete Pa­ nainos   den malerischen Schmuck und die Gewandung des Tempelbildes, füllten Alkmenes und Paionios die Giebelfelder mit Gestalten der Götter und Helden. Er selbst, der König der Kunst, widmete seine ganze Kraft und Erfahrung der höchsten Aufgabe seines Lebens, dem Nationalgott der Hellenen, dem Zeus  , der im Innern des durch dop­pelte Säulenreihen in drei Schiffe getheilten Tempelraumes thronte. Die nackten Theile waren Elfenbein, die Bekleidung Gold, die Verzie­rungen aus den edelsten Stoffen, Gold, Silber und Edelsteinen ohne Zahl. Auf einem zwölf Fuß hohen, mit vergoldetem Gestell geschmück­ten Postament, die Füße von tanzenden Siegesgöttinnen umgeben, thronte der Weltherrscher auf einem Sessel, den geflügelte Sphynxe trugen und die Gruppen der Horen  ( Stundengöttinnen) umschwebten; goldene Löwen trugen der Füße Schemel  . Bei der Auffassung der majestätischen Stellung dieser achtundsechzig Fuß hohen Bildsäule schweb­ten dem Meister Phidias Homers Verse vor, in denen Zeus   den Bitten der Thetis  ( Göttin der Gerechtigkeit)

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,, zuwinkte mit dunkelen Brauen,

Und die ambrosischen Locken des Königs wallten nach vorne Von dem unsterblichen Haupt; es bebten die Höh'n des Olympos." Der Zeustempel, wie ihn die Leser der ,, N. W.  " auf unserem Bilde sehen, ist die Gipfelkrone der griechischen Baukunst, welche die künst­lerische Form der indischen und chinesischen Bauten zum klaren, durch­gebildeten Organismus entwickelte. Der Zeustempel bestand aus der rechteckigen Zelle, in welcher das obenbeschriebene Götterbild aufgerichtet war, und aus einer offenen Vorhalle mit dorischer Säulenstellung. Schlicht und naturgemäß wußten die Griechen nicht nur an diesem Tempel, sondern an all ihren Bauten zwischen den architektonischen und bildnerischen Theilen das Verhältniß abzuwägen. Beide Theile dienten gegenseitig zur Ergänzung; die Architektur erschien als Träger des Bildwerks und dies als die Blüthe, die aus dem Stamme der Architektur emporsproßte.

,, Nur einen Herrn kennt die Baukunst, das ist die Schönheit, die aus dem Bedürfniß entspringt. Sie artet aus, wo sie der Laune des Künstlers, mehr noch, wo sie mächtigen Kunstbeschüßern gehorcht. Ihr stolzer Wille kann wohl ein Babylon, ein Persepolis, ein Palmyra aus prunkhafte Hallen und Paläste in trauriger Leere auf die Bevölkerung der Sandwüste erheben, wo regelmäßige Straßen, meilenweite Plätze, harren, die der Gewaltige nicht aus der Erde zu stampfen vermag das organische Leben der griechischen Kunst ist nicht ihr Werk, es ge­deiht nur auf dem Boden des Bedürfnisses und unter der Sonne der Freiheit." Nach diesen Worten des jüngst verstorbenen Architekten Semper wollen wir zur Erklärung des herrlichen Bildwerks an dem Zeustempel schreiten. Auf der Spize des Giebels schwebte die Sieges­göttin Nike; auf beiden Giebelenden stand ein Preisgefäß. Zu den Füßen hing ein Schild, ein stolzes Siegeszeichen der Lacedämonier; den Architrav( das Stirnfeld oberhalb der Säulen) bedeckte eine Reihe glänzender Schilder. Im Dreieck des Giebels aber füllte Zeus   selbst den mittleren Raum. Rechts von ihm der alte pelasgische König gespann des Königs, geführt vom Wagenlenker Myrtilos, von Dienern Dinomaos mit seiner Gattin Sterope, der Atlastochter, dann das Vier­begleitet; als Abschluß im innern Winkel des Giebelfeldes der Flußgott Kladeos. Zeus zur Linken standen Pelops und Hippodamia, ein Heroenpaar, dann des Pelops' Wagenlenker mit den dazu gehörenden. Wärtern, und dort, wo das Giebeldach sich wieder senkt, schließt der Flußgott Alpheios die Darstellung ab. Dieser Schmuck des Giebels  drückt den Grundgedanken aus: das Auge des Zeus überwacht Kampf und Sieg der Wettspiele zu Olympia und die über ihm schwebende Siegesgöttin vertheilt die Preise an die glücklichen Sieger. Die Dar­stellungen des entgegengesezten Giebels zeichneten die Anschauungen der damaligen Welt, nämlich den Gegensaß von Barbaren  ( Nichtgriechen) und Hellenen( Griechen) und zwar durch den Kampf der Lapithen gegen die Centauren.

Wie schon im Eingang bemerkt, war Olympia eine Stadt, bestehend aus lauter Tempeln. So schloß sich an den Tempel des Zeus   eine Reihe anderer kunstvoller Bauten; mit ihm durch eine von Bildsäulen angefüllte Gasse verbunden zunächst das Heiligthum des Pelops, ein viereckiger, ummauerter Hof; dann der ebenfalls ummauerte, der Hippo­damia geweihte Raum, daneben eine Statue des Zeus, umgeben von Gestalten griechischer und trojanischer Helden. Daran reihte sich der Tempel der Here, des Donnerers Gemahlin. Auch dieses Gebäude, im Hintergrunde unseres Bildes sichtbar, war von großer architektoni­scher Schönheit und diente zur Aufbewahrung von Alterthümern und kostbaren Geräthen. Die Erz- und Marmorstatuen an den vier Ecken des Zeustempels sind Weihgeschenke verschiedener Staaten, veranlaßt durch siegreich beendete Kriege oder glücklich abgewendete Elementar­schäden. Im Hintergrunde unseres Bildes sieht man eine Bodenan­schwellung, welche der Hügel des Kronos  ( der Gott der Zeit, Urvater Saturn) genannt wurde. Hier lagen im Halbkreis die Schaghäuser der verschiedenen griechischen Städte. Eine Reihe von Zeusstatuen auf einer Terrasse aufgestellt, führte zum Stadium und Hippodrom, d. h. den Rennbahnen der Wettkämpfe. Außerhalb der Altismauer, unweit des heiligen Hains lag das Gymnafion, nicht zu verwechseln mit den Bildungsanstalten gleichen Namens unserer Zeit. Es war, was es wörtlich bedeutet, die Wohnung der nackt kämpfenden Athleten. Daran reihte sich das Heiligthum der Hestia  , das Theater, der Tempel der Venus und auf dem Hügel des Kronostempels die Akropolis   Olym­pias, wo in vorgeschichtlicher Zeit dem Saturn Menschenopfer gebracht wurden. Einen großartigeren Aussichtspunkt gab es wohl in der ganzen Welt nicht. Man übersah von hier aus die große Zahl der herrlichen Bauwerke, die Prozessionsstraßen und Altarpläße. Die Straßen und Pläße aber waren von dichten Reihen der Siegerstatuen eingefaßt, deren der Schriftsteller Pausanias   noch über 230 zählte, nach­dem schon viele durch den verrückten Kaiser Nero umgestürzt waren.

Alle fünf Jahre entwickelte sich zu Olympia ein großartiges Fest, dessen friedlicher Charakter auf der ganzen Halbinsel, Hellas genannt, sich fühlbar machte. Laut uraltem Uebereinkommen zwischen Jphitos und Lykurg   herrschte für die Dauer des Festes Gottesfrieden" und die in viele Stamm- und Stadtgebiete zerrissene und in unaufhörlicher Befehdung sich erschöpfende Halbinsel konnte sich erholen und ihre Bewohner pilgerten schaarenweise zu den Wettspielen nach Olympia. Den siegreichen Kämpfern winkte der einfache Ehrenkranz( wie schon eingangs erzählt), der Ruhm und Preis der Mannestugend und der