Miethpreise, viele standen leer, und der alte Lauter, der sonst ein lebensmuthiger, unternehmungslustiger Mann war, hatte überhaupt nie Lust gefühlt, seine geschäftlichen Plackereien durch die Sorgen und Mühen um ein von mehreren Miethparteien bewohntes Haus zu vermehren. Er wies das Anerbieten trotz verschiedener noch weiter gehender Zugeständnisse des ursprünglichen Besizers dankend ab und legte das Geld seiner Frau zu drei Prozent Zinsen in unerschütterlich sichern Staatspapieren an. Ein Vierteljahr darauf war ganz wider alles Erwarten die Kriegsgefahr vollständig und für lange Zeit beseitigt. Industrielle und Kaufleute athmeten wieder geschäftsfreudig auf. Nach den Städten drängte sich Arbeit suchend und findend der fluktuirende Theil der ländlichen Bevölkerung; auch die Gutsbesitzer vom Lande kamen in die Stadt, um in Rechnung auf den bessern Geschäftsgang des nächsten Jahres einen vergnügteu Winter in der an Gelegenheiten zur Unterhaltung und zum geselligen Berkehr dem ländlichen Aufenthalt so weit überlegenen Universitätsstadt zu verleben. Bald gab es keine leeren Wohnungen mehr in P. und die Miethspreise stiegen bis zu einer vorher kaum für möglich gehaltenen Höhe.
Im Frühjahr wurde massenhaft gebaut. Und auf den Stadt theil, wo das Herrn Lauter zum Kauf angebotene Grundstück lag, warf sich die Baulust am eifrigsten. Es war weder ein Quartier der Armen noch der Reichen. Der mäßig besißende, leidlich ſituirte Bürgerstand, der wohlhabende Beamte und Kaufmann pflegte hier sein Domizil aufzuschlagen. Herr Lauter selbst hatte in den ersten Jahren seiner Ehe hier gewohnt, bis der steigende Miethzins und das rasche Anwachsen seiner Familie ihn in die billige Obervorstadt hinaus getrieben.
Der Mann, welcher an Stelle des alten Herrn Lauter jenes Grundstück für einen Spottpreis und unter den vortheilhaftesten sonstigen Bedingungen an sich gebracht, parzellirte das Stück Feld, welches zu seinem Hause gehörte und bot die Parzellen als Baustellen aus. Eine nach der andern und eine immer theurer als die andre schlug er los. Mit dem Baarertrage baute er selber. Sein Haus erhöhte er um ein Stockwerk und dann baute er noch ein neues Haus an, stattete beide elegant aus und erhöhte die Wohnungsmiethen um das doppelte des Preises, zu dem die Wohnungen des alten Hauses, als er es übernahm, vermiethet waren. Ehe noch ein Jahr vergangen war, hatte der Mann, welcher keinen Pfennig eigenes Vermögen besessen, als er Hausbesitzer geworden auch die mäßige Anzahlung hatte er sich geliehen!, ungefähr 27,000 Thaler profitirt. Da er fein Spekulant und ein wenig gescheiter, oder auch nur vorsichtiger war, als die meisten Menschen in ähnlicher Lage zu sein pflegen, so verkaufte er seine beiden Häuser bei nächster günstiger Gelegenheit, legte seine Gelder zinsensicher an und lebte fortan als fleiner Rentier mit einem Einkommen von 13-1500 Thalern ein beschauliches Stillleben.
Das hätte Friz Lauters Vater auch haben können. Aber hatte er vielleicht thöricht und unbesonnen gehandelt, als ihm jene
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Glücksgelegenheit in den Weg trat? Nein, feineswegs hatte im Gegentheil klug und ehrlich gehandelt, und es wäre bei seinen Verhältnissen ein großer Leichtsinn gewesen, wenn er anders gehandelt hätte.
Es war damals zehn gegen eins zu wetten gewesen, daß der Krieg ausbrechen würde, ein für die wirthschaftlichen Zustände wenigstens momentan so ansgezeichnete Wendung der politischen Verwicklungen konnte Niemand im Publikum auch nur ahnen, selbst die kühnsten Haussiers*) an den Börsen der großen Handelsstädte waren kleinlaut geworden und hielten ängstlich zurück; Herr Lauter riskirte in dem sehr möglichen Falle, daß er einmal die Hypothekenzinsen nicht ganz zu bezahlen vermöchte, die tausend Thaler, welche einen sehr wesentlichen Bestandtheil des Vermögens seiner Frau ausmachten. Der andere hatte nichts zu verlieren, auch nicht amtliches Ansehen und besondere bürgerliche Achtung. Der andere verstand von den politischen Ereignissen und ihrer Einwirkung auf das wirthschaftliche Leben nicht das mindeste das wußte jeder, der ihn kannte, und er kümmerte sich auch nicht darum. Er hatte blindlings zugegriffen und war im Handumdrehen zu seiner eigenen Ueberraschung zum wohlhabenden Manne geworden.
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Was hat man also zu thun, um die günstigen Gelegenheiten blitzschnell, wie es oft nöthig ist, zu erkennen und zu ergreifen? Friz Lauters Erfahrung gab ihm keine Antwort auf diese Frage. Und seine Bekannten und Freunde vermochten es gleichfalls nicht, auch seine Mutter nicht.
Da kam ihm der Gedanke, ob er nicht vielleicht von Herrn Alster über solche Fragen, die ihn quälten, Auskunft und Belehrung erhalten könne. Allerdings hatte das Benehmen des Herrn Alster, als er vor Jahren das leztemal das schöne Haus im Thale aufgesucht, ihm, wie wir wissen, das Wiederkommen gründlich verleidet. Aber damals war er noch ein Junge gewesen, der dem klugen Herrn wahrscheinlich gar zu unbedeutend vorgekommen war.
Friß war nun zwar in seiner Selbstbeurtheilung nicht unbescheiden, aber daß er jetzt nicht mehr grade wie ein dummer Kerl aussah oder so redete, das glaubte er zu wissen. Schon das Bewußtsein des redlichsten Willens, zu lernen, wo und was er nur könne, gab ihm diese Ueberzeugung.
Zudem hatte ihn Wanda Alster so dringend eingeladen, und er hatte fest versprochen, zu kommen; Wanda hatte versichert ihr Vater erinnere sich seiner noch immer in freundlicher Weise, er konnte also, ja er mußte den Besuch machen.
So begab sich denn unser Frizz, angethan mit seinen besten Kleidern und in einer Stimmung, die ein wenig beklommen wurde, als er das vornehme Thalquartier betrat, auf den Weg zur Villa Alster .
Herr Alster sowohl als Wanda waren zu Haus; sie hatten seinen Besuch erwartet. ( Fortseßung folgt.)
*) Die auf das Steigen der Kurse spekulirenden Börsenmänner.
Das Leben der Erde.
Von C. Fehleifen. ( Schluß.)
Die Mitwirkung des Eises auf die Gestaltung der Erdober flächenverhältnisse macht sich hauptsächlich durch die, Gletscher genannten, größern Ansammlungen von Landeis geltend. Es sind dies Eisströme, welche in den Firnschneefeldern entspringen und sich langsam thalabwärts bewegen; das Gletschereis durch Zusammenschmelzen des Firneises, dieses durch Abschmelzen der Firnschneekrystalle zu runden, losen oder durch Eiszement ver fitteten Körnern. Die Gletschermasse füllt die von den Firnschneefeldern sich nach abwärts ziehenden Thäler in ihrer ganzen Breite und bis zu ziemlicher Höhe aus und gleitet in ihnen unaufhaltsam und beständig thalabwärts. Sie befindet sich in einem plastischen Zustande, infolge dessen ihre Bewegungen durch Verengungen ihres Bettes oder Unebenheiten des Bodens nicht verhindert werden, vielmehr schmiegt sie sich der letzteren an, quillt durch Engpässe hindurch und breitet sich bei Erweiterung des Thales wieder aus; tritt einer vorrückenden Gletschermasse ein Felsenriff in den Weg, so schiebt sie sich an demselben in die Höhe und
über dasselbe hinweg; in ähnlicher Weise drängt sie sich Felsenabhänge hinab und spaltet sich dabei in verschieden gestaltete Eisböcke; mehrere Gletscherströme können sich zu einem Hauptgletscher vereinigen und verschmelzen dann zu einer einzigen Gletschermasse. Die Bewegung des Gletschereises ist eine regelmäßige und beständige, nie ruckweise vor sich gehende, welche aber in heißen Jahreszeiten stärker als in falten ist und namentlich durch Regen und Schneeschmelzen begünstigt wird. Die Größe der Bewegung hängt von der Masse des Gletschereises und der Stärke der Neigung seiner Unterlage ab, schwankt demnach in weiten Grenzen und beträgt zwischen 15 Zentimeter und 1,30 Meter täglich.
Die Bewegung ist übrigens eine zusammengesetzte; einerseits gleitet der Gletscher als eine starre Masse auf seinem Untergrunde abwärts, andrerseits fließt er, vergleichbar einer Flüssigkeit, unter Verschiebung seiner einzelnen Theile.
Thomson, Tyndall, Helmholz und Heim erklären die fließende Vewegung folgendermaßen: dieselbe geht vor sich infolge des Ge