der Beschreibung desselben absehen können. Nur die Lebensweise dürfte nicht Jeder genauer kennen, und von ihr möchte ich einiges mitzutheilen

mir erlauben.

Wie schon gesagt, überwintert der Marienkäfer unter den abge­fallenen Laubwerk oder auch in einer Rindenspalte, in welchen Verstecken man meist mehrere zusammen findet. Ganz zeitig im Frühling, wenn die Sonne ihre ersten warmen Strahlen durch die noch laublosen Bäume sendet, erwacht der kleine Schläfer und schlüpft unter dem Laube her­vor, um als erster Bote des Lenzes Groß und Klein zu erfreuen. Mit lautem Jubel begrüßt die Jugend den kleinen Käfer, hascht ihn, ohne ihm jedoch irgend ein Leid zuzufügen. Er ist durch Tradition gefeit. So wie wir uns einst freuten, wenn er seine Flügeldecken zum Fortfliegen erhob, so ist dies auch die Freude unserer Kinder. Sie suchen ihn durch ein kleines Liedchen dazu aufzumuntern, das in vielen Variationen in allen Theilen Deutschlands gekannt ist und in meiner Heimat Provinz Posen folgendermaßen lautet:

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,, Marienwürmchen, fliege! Dein Vater ist im Kriege, Dein Häuslein brennt, Deine Kinder schrein, Flieg' fort aus der Höll'

In den Himmel hinein!"

Die Verehrung, deren sich das Thier überall zu erfreuen hat, stammt schon aus jenen Tagen, als noch die heidnischen Götteraltäre unter unsern Rieseneichen rauchten, als noch der Landmann das Wirken der holten Freya überall in Feld und Wald zu verspüren meinte. Ihr war der kleine Frühlingsbote geheiligt, der ihr vorausflog, um den Menschen das Nahen der Göttin zu verkünden. Hierauf beziehen sich auch die vielen Volksnamen des Käfers, die heute noch gelten. Als das Christenthum die Götter unserer heidnischen Vorfahren ver­drängte, übertrug man die Eigenschaften der Freya vielfach auf des Heilands Mutter Maria, der man auch den Vorläufer der Frühlings­göttin widmete. Von ihr ist das Thierchen auch mit der Gabe der Vorherverkündigung ausgestattet worden. Seine sieben Rückenpunkte, an und für sich schon durch ihre Zahl bedeutungsvoll, betrachtet der abergläubische Ackersmann in jedem Jahr mit größter Aufmerksamkeit, da er von ihnen aus einen Schluß auf den Ausfall der nächsten Ernte machen zu können vermeint.

Noch im Lenze feiern die Käfer die Zeit ihrer Wonne, die jedoch nicht mit demselben ihr Ende erreicht, sondern bis zum Herbste hin fortdauert. Man findet vom Mai an nicht selten auf der Rückseite der Blätter die schmuẞig- gelben Eier, die in Häuschen von 10-12 an der Zahl hier angeklebt sind. Sie sind verhältnißmäßig groß und an dem einen Ende merklich zugespißt. Aus ihnen schlüpfen nach einigen Tagen die kleinen schwarz gefärbten Larven, die sich nicht weit von einander entfernen und gar munter umherkriechen. Nach Beobachtungen, die ich im vorigen Jahr angestellt, häuten sich die Larven in nicht ganz be­stimmten Zeiträumen. Während bei einzelnen dieser Vorgang schon in der zweiten Woche eintrat, dauerte er bei andern 5-6 Tage länger. Jedenfalls ist die Ursache hiervon in der geringern oder reichlicheren Nahrung der kleinen Geschöpfe zu suchen, der sie mit großer Freßlust nachgehen. Nach mehrmaligen Häutungen hat die Larve eine Länge von ca. 1 cm. erreicht. Sie sieht blaugrau aus, nur an den Seiten einzelner Glieder erblickt man rothe Flecke. Auch die 16 Rückenpunkte, die paarweise auf den einzelnen Gliedern stehen, haben diese Farbe. Sie stehen zwischen zwei Reihen schwarzer Warzen, die mit kleinen borstenförmigen Haarbüscheln verziert sind. Auch die Beine und der Kopf sind borstig besetzt.

Die Larven sind beweglich und laufen ziemlich schnell auf den Blättern umher. Ihre Nahrung ist animalischer Natur und besteht in den schädlichen Blattläufen, die oft zu Tausenden die Blätter bedecken. Die allezeit hungrige Larve erhascht ihre Beute mit den Vorderbeinen und führt. sie nach den Freßzangen, um sie in kurzer Zeit völlig aus­zusaugen und darauf wieder eine andere zu erbeuten. Es gibt kein besseres Mittel, um von Blattläufen befallene Topfgewächse oder seltene Sträucher von ihren Schmaroßern zu befreien, als einige Larven des Marienkäfers auf dieselben zu seßen, die in nicht zu langer Zeit gründ­lich unter jener Gesellschaft aufräumen.

Etwa acht Tage nach der letzten Häutung wird die Larve träger. Sie sucht sich einen geschützten Platz, an dem sie sich mit ihrem legten Gliede festheftet. Sie zieht den Kopf ein, krümmt den Rücken und ver­harrt regungslos in dieser Stellung. Die Borsten fallen ab, die Haut reißt auf dem Rücken entzwei und die Puppe windet sich heraus. Von vorn gesehen, erkennt man, wie auch bei andern Käferlarven, deutlich den ausgebildeten Kopf, sowie die bis zum neunten oder zehnten Ringe reichenden Flügel und die Beine. Die Farbe der Puppe ist roth und schwarz. Eine eigenthümliche Bewegung ist der Puppe eigen, sobald sie in ihrer Ruhe gestört wird. Der bekannte Entomologe Dr. Taschen­berg in Halle, schreibt darüber: Sie hebt den Bordertheil ihres Körpers und läßt ihn wieder fallen, oft so taktmäßig, wie der Hammer einer schlagenden Uhr."

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Acht Tage nach der Verpuppung schlüpft der Käfer aus der Puppen hülle. Flügeldecken und Schilder sind weich, auch ist die Färbung noch nicht normal. Der vollkommene Käfer nährt sich ebenfalls von Blatt­läusen, obgleich man lange hieran gezweifelt hat, freilich nicht mit der Gier, wie bei den in der Entwickelung begriffenen Larven.

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Es gibt bei uns mehrere Arten von Marienkäfern, die aber durch­schnittlich unserm eben beschriebenen an Größe nachstehen. In der Lebens- und Entwickelungsweise stimmen alle genau überein, so daß nur die Farbe als leicht in das Auge fallendes Unterscheidungsmerkmal aufgeführt zu werden braucht. Es gibt noch welche mit fünf und mit zwei schwarzen Punkten, ferner solche mit gelber Farbe und weißen Flecken, solche mit schwarzen Würfeln und gelblicher Grundfarbe u. s. f. Sie alle haben sich unsers Schußzes zu erfreuen, und verdienen die Schonung, die man ihnen von allen Seiten angedeihen läßt.

Die Kinlochklamm.( Bild S. 28). Wir haben auf unserer Welt­fahrt die Leser im 4. Jahrgang Nr. 36 der ,, N. W." ins Pongau zu den Liechtensteinklammen von Sankt Johann geleitet und bitten sie, die heutige Wanderung dort aufzunehmen, um uns zum Ausgang des Pongaus, zu der Kißlochklamm bei Tarenbach zu folgen und zwar dies­mal auf der Eisenbahn. Beim Anblick dieser Tunnels und Felsen­galerien, die man dem Urgestein abgerungen, freuen wir uns, daß das Bulver nicht allein deshalb erfunden wurde, um die Wahlstatt mit Schlachtopfern zu bedecken, sondern daß es eine noch bessere und fried­lichere Verwendung zu Gunsten des großen Völkerverkehrs habe, näm lich den, die Felsen zu sprengen, um dem sausenden Dampfroß die Wege zu bahnen. Manchmal hört man beklagen, daß die Dichter und Künstler der Gegenwart nicht auf der Höhe früherer Zeiten stehen, daß es feinen Rubens , keinen Shakespeare, feinen Goethe und Beethoven mehr gebe. Dafür schafft die Menschheit Wunderwerke der Technik. Die Menschheit kann ebenso wenig wie der einzelne alles zu gleicher Zeit leisten. Uns kommt es vor, als ob das Genie der Menschheit in den Kopf der Techniker gefahren sei, so daß diese jeßt Dinge voll­bringen können, die in ihrer Weise alles, was die Vorzeit zu Wege brachte, weit übertreffen. Jetzt werden die großen praktischen Gedanken ins Werk gesetzt, von denen die bedeutendsten Menschen der Vorzeit nur träumen durften. So hat jedes Zeitalter seine Größe. Unter diesen und ähnlichen Gedanken haben wir in Lend den Waggon gewechselt und sind, ehe wir es uns versehen, in Taxenbach . Der schöne ebene Marktplaß von Tarenbach mit dem einladenden Postwirthshaus ,,, wo unser Herrgott den Arm herausstreckt", umfaßt sämmtliche Gebäude des Ortes und liegt 726 Meter über der Meeresfläche. Wir sind zwar nur eine halbe Stunde von unserem Ziel, der Kißlochklamm entfernt, aber diese liegt in der schauerlichsten der Alpenschluchten, in der Rauris . Obzwar die Scharte, welche die Rauriser Ache in die Felsen genagt hat, wegen ihrer Goldadern schon den Römern bekannt war, haben sich die Einwohner der Rauris bis zum Jahr 1877 begnügt, die Verbindung mit der Hauptstraße des Landes, dem Salzachthal, durch den über Embach nach Lend führenden Saumweg zu unterhalten, obgleich der­selbe einen weiten Bogen nach Osten beschreibt und zur Begehung vielen Zeitaufwand kostet. Der Verkehr mit Tayenbach war infolge dessen gering. Nach der Eröffnung der Giselabahn, welche das nörd­liche Tyrol mit dem Salzkammergut verbindet, kamen die von dem gleichen Bedürfniß beseelten Bewohner des Salzach - und Rauristhals überein, die der unmittelbaren Verbindung ihrer beiderseitigen Thäler im Wege stehenden Hindernisse, vermittels des Durchbruchs der un­geheuren Felsenwände und Schluchten nächst der Rauriser Ache, für alle Zeit zu beseitigen. Kein Alpenthal fann sich eines so wunderbaren Zugangs und eines in landschaftlicher Beziehung so eigenartigen Hinter­grunds rühmen, als die Umgebung der Kißlochklamm, deren Mittel­punkt unser Bild darstellt. Im Verlaufe einer halben Stunde gelangt man aus dem Eisenbahnkoupé in die Hochgebirgsnatur. Wenn man Taxenbach verlassen hat, ist die prickelnde Luft lind und aromatisch, würzige Düfte steigen aus dem Thale auf, welchem der Blick weithin zu folgen vermag. Die Föhren rauschen, die Rauriser Ache stürzt brausend niederwärts und in ihren Gischt spielt die Sonne alle Farben des Regenbogens hinein. Binnen einer Viertelstunde ist der hügelige, von Sturztrümmern bedeckte, von Ebereichen, Buchen und Fichten spär­lich bewachsene Anstieg erklommen und vor uns liegt ein Naturgemälde aufgerollt, dem die Wildheit der Berge, welche ringsum bis zu den Wolken aufsteigen, ein großartiges Bild verleiht. Ueber dem gemsen­öden Revier kreisen Aar und Falke, an den Hängen flattert hie und da ein Silberband durch grünes Nadelgezweige und die feierliche Stille der Hochgebirgsnatur wird nur selten durch das Gezwitscher eines Vogels unterbrochen. Plöglich ist das Panorama tesselartig abgeschlossen und der Weg windet sich thalabwärts über Galerien und Brücken. Das eigentliche Kißloch ist ein römischer Stollenbau in der ersten, am rechten Ufer der Rauriser Ache sich senkrecht erhebenden Riesenwand, auf der Südseite begonnen, gegen Norden aber nicht vollendet. Man erkennt an ihm, daß er mit Spizhaue und Meißel angelegt wurde. Tacitus erwähnt der Goldbergwerke am Jvarus( Salzach ), welche der Praetor von Juvavium( Salzburg ) Ahenobarbus in Stand setzen ließ und preist deren Ergiebigkeit. Heuer decken die Rauriser Goldbergwerke kaum die Betriebskosten. Ob die Goldadern erschöpft sind oder der Raubbau der Privatunternehmer daran schuld ist, mögen Sachverstän dige entscheiden. Die Dedenwand, deren glatte Breitſeite, vom Sal­zachthal aus betrachtet, das Rauriser Thal ganz absperrt, zeigt sich als eine mehrere hundert Meter aufragende Mauer, vor welcher den Be­schauer infolge der nischenartigen Unterwaschungen das Gefühl be schleicht, daß sie einstürzen könnte. Durch dieses Gestein hat sich die Rauriser Ache unter Tosen und Brausen im Lauf der Zeit eine Schlucht