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Heber Fremdwörter im Deutschen .

Von M. Wittich.

( Fortsetzung.)

In den folgenden Zeilen wollen wir einmal eine kleine Muster­karte von Fremdwörtern entwerfen, die sprechendes Zeugniß ab­legen mag von der Behauptung, daß fast jede Nation, mit der wir in Berührung gekommen sind, in die Schazkammer unsrer Muttersprache Zins und Schoß abgegeben und gesteuert hat. Zugleich wählen wir auch solche, denen nicht der Stempel des Fremden erkennbar auf die Stirn geprägt ist, um bei dieser Ge­legenheit gleich fanatisirten Sprachreinigern die Lust zu benehmen, ihre Radikalkuren, die in diesem Falle wahre Pferdekuren wären, anzuwenden.

Was werden die nicht grade philologisch geschulten Leser sagen, wenn sie hören, daß unser deutsches Wort Falter oder seine Nebenform Zwiefalter auf Umbildung des lateinischen Wortes für Schmetterling: papilio, beruht?! Zeugniß legen dafür ab die mundartlichen Formen Pfeifalten und Pfeifholter. Auf das griechische miltos, gleich die rothe Farbe, führt die Wissenschaft zurück das deutsche Mehlthau, was uns doch so freundlich und heimatlich anschaut und so vertraut an das Ohr klingt. Dem Griechischen sind ferner entnommen oder nachgebildet auch die Worte Kiste, Tisch, Plaz, Börse. Fremdwörter sind ferner: Kopf, Keller, Speicher, Schemel, Schüssel, Brief, Reich, Del, Wein, Pech, Kreide, Koch, Mönch, Rose, Vogt und andere mehr; die Eigenschaftswörter kurz und falsch sind den Lateinischen curtus und falsus, zart dem lateinischen caritas nachgebildet. Ebenso ist Münze lateinisch und zwar ist es ab geleitet von Moneta, dem Beinamen der römischen Göttin Juno, bei deren Tempel in Rom sich die Staatsmünzanstalt befand. Abenteuer und Felleisen, sein und rund sind französischen Ursprungs; die deutschen Wörter Fahne, Bube, Frucht, Rad, Witwe sind gebildet aus den lateinischen pannus( gleich Tuch), pupus, fructus, rota, vidua. Faß kommt nach Wackernagel nicht von dem deutschen Zeitwort fassen, sondern von vas, lat., gleich Gefäß, Flasche von dem zugehörigen Verkleinerungswort vasculum. Ein allgemein verbreitetes deutsches Sprüchwort sagt: ,, Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz", nicht so bekannt dürfte aber sein, daß unser Eigenschaftswort stolz aus dem latei nischen stultus gebildet ist, welches dumm bedeutet! Kahl und gelb sind gleich lateinisch calvus und gilvus. Die deutschen Zeitwörter pflücken, rollen, trachten, dichten, laben, tilgen, kochen, mischen, kosten, verdammen, murmeln, prüfen, dauern, umzingeln sind entsprechend den lateinischen pillucare, gleich Haare ausraufen, rotulare, tractare, dictare, lavare, delere, coquere, miscere, constare, damnare, murmu­rare, probare, durare, cingere; ebenso sind dem Lateinischen entnommen: ordnen, kaufen, impfen, pfropfen, plagen, preisen und tünchen. Der deutsche Teufel ist der griechische diabolos, der Verleumder, der übrigens auch in der Form Iblis Eingang gefunden hat in die muhamedanischen Religionsbücher. Murmelthier ist eine Umbildung von mus montanus, was lateinisch ist und Bergmaus bedeutet; das Murmelthier murmelt bekanntermaßen garnicht, sondern pfeift! Meerkaze hat mit Meer und Kaze nichts gemein, sondern ist eine Umdeutschung von dem Sanskritwort markata, welches Affe bedeutet. Bön hase, ein Wort, welches, ebenso wie Pfuscher, dazu gebraucht wird, einen zu bezeichnen, der ein Handwerk nicht nach den Regeln der Kunst", nicht zunftgemäß betreibt, will man auf das griechische banausos zurüdführen, welches ein verächtlicher Aus­druck für ,, niederer Arbeiter" war bei den Griechen, die ja alle Arbeit für des freien Mannes unwürdig erklärten. Sicher aber ist griechisch unser Estrich, von ostrakokonia, d. i. aus zer schlagenen Scherben bereiteter Boden, von ostrakon, was Scherbe bedeutet; in den sogenannten homerischen Hymnen( Götterlob gefängen) kommt dieses letztere Wort zum erstenmal nachweislich vor und bedeutet die Schale von Krebsen oder Schilkröten, und eine andere Ableitung desselben Wortstammes, ostreon, ist uns deshalb interessant, weil daraus das deutsche Wort Auster ent­stand. Da wir einmal bei dem Griechischen sind: wer sieht dem guten Eichhorn seine griechische Abstammung an? Hüpft es doch allem Anschein nach so sicher auf der auch jetzt noch oft als deutscher Baum verschrieenen Eiche herum, daß man nicht gern dieses Wort als Fremdwort erklärt sehen möchte! Und

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nichtsdestoweniger ist es das griechische skiuros, welches ein Grabe­oder Nagethier bezeichnet. Wir fügen der Deutlichkeit halber und beispielsweise die zu vergleichenden Wortformen aus verwandten Sprachen bei, die es auch dem Griechischen nachbildeten. Im Lateinischen haben wir die Formen sciurus und sciurulus, ro­manisch esquirol, escurol, neufranzösisch écureuil, englisch squirel, angelsächsisch acvern, schwedisch iekorn, welch' lettere Form dem deutschen Eichhorn lautlich am nächsten steht. Nicht weniger über­raschend dürfte den Lesern die Entwicklung des Fremdwortes Pferd sein. Dieses ist eine Verstümmelung des barbarisch­lateinischen Wortes paraveredrus, dessen erster Bestandtheil die griechische Präposition( Verhältnißwort) para( gleich neben) ist; veredrus ist selbst wieder zusammengesetzt aus dem Wortstamm, welcher im lat. veho( fahren) liegt, und rhedra, was Wagen, Fahrzeug bedeutet. Das Wort liegt in den verschiedensten Formen vor und machte in der Hauptsache folgende Wandlungen durch. Paraveredrus, paraveredus, paravredus neben parafredus, pare­drus, paledrus, parafridus, palafridus( französisch palefroit), palafrenus( italienisch palafreno). Nach diesen ganz lateinischen Formen kamen die schon mehr deutschen parafrid, parfrit oder farfrit, phärfrit noch im 13., und pferft noch im 14. Jahr­hundert, neben denen aber schon im 12. Jahrhundert pherit und pfert auffamen, woraus denn endlich Pferd wurde! Ursprüng­lich bedeutet dieses Wort in der Sprache des römischen Kaiser­rechts ein kaiserliches Postpferd, welches auf Nebenstraßen( para! siehe oben) seinen Dienst versieht, dann bezeichnet es jedes Pferd im Gegensatz zum Streitroß, und endlich wird das Wort Pferd ohne jede Einschränkung der Bedeutung gebraucht.

Lärm ist der italienische Ruf all' arme, alle arme, gleich zu den Waffen, aus dem zunächst Allarm ward, das I ward nicht mehr als Artikel( Geschlechtswort) empfunden und blieb in der folgenden Gestalt Lärm mit dem Hauptwort verbunden, als wenn es zum Wortstamm gehörte. Italienisch ist ferner Spende, von spendere, und das dem entsprechende italienische Hauptwort spesa haben wir später auch noch in den kaufmännischen Spesen übernommen. Unschlitt ist gleich unguento, Salbe, Kartoffel und Trüffel sind zwei verschiedene Formen des italienischen tartufolo, von tartufo, was aus dem lateinischen terrae tuber, gleich Erdknolle, entstanden ist.

Auch slavische Sprachelemente finden sich in genügender Menge im Deutschen . Petschaft ist dem Böhmischen entnommen wie Liste, gleich das Verzeichniß, was im Böhmischen Blatt( sowohl des Baumes als des Buches) bedeutet; der Strahl ist slavisch strela, russisch strjela, Arbeit kommt vom slavischen rabota. Laune ist finnischen Ursprungs, Kafiller( nicht Caviller!) kommt nach Wackernagel von dem samojedischen kafariema, gleich ab­reißen( doch vergleiche Grimms Wörterbuch unter Gefille). Degen kommt aus derselben Sprache, und zwar heißt tagai so­viel wie Messer.

Als merkwürdig heben wir noch hervor, daß Sack hebräisch ist, Laute arabisch; Hängematte hat nichts mit Matte und hängen zu thun, sondern ist das umgebildete holländische hangmac, was spanisch hawaca und französisch hamac lautet. Binn ist nach Humboldt ( Kosmos) malaiisch, in seiner Heimath lautet das Wort timah; und Tombak ist das malaiische tambaga, was Kupfer bedeutet.

Nur um nicht einförmig und langweilig zu werden, schließen wir diese Uebersicht von deutschen Fremdwörtern, die wir noch bedeutend vermehren könnten. Wird nun, fragen wir, angesichts dieser wissenschaftlich festgestellten Thatsachen jemand im Ernste wagen, grundsätzlich alles Fremde aus der deutschen Sprache hinauszuwerfen? Wird er nicht Gefahr laufen, nur einen arm­und beinlojen, verstümmelten Rumpf übrig zu lassen, der weder gehen noch stehen, weder leben noch sterben kann? Eine Radikal­fur ist offenbar ganz unmöglich, das dürfte sich aus dem Vor­geführten wohl ganz unzweifelhaft ergeben.

Wem das aber schmerzlich sein sollte, den verweisen wir darauf, daß es anderen Völkern mit ihren Sprachen ganz ebenso geht. zu allen Zeiten und in den Sprachen aller Völker, die wir zu studiren Gelegenheit haben, bemerken wir Sprachmischung, Ueber­setzung, Entlehnung. Seit Alexander dem Großen gingen in das