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Nehmen wir z. B. an, der Ertrag des Acres niederster Qualität be trüge 18 Bushel( der Bushel gleich 361/3 Liter), so würde die Grundrente von einem Acre, der 20 Bushel liefert, den Preis von zwei Bushels von einem Acre, der 25 Bushel liefert, den Preis von sieben Bushels betragen u. f. w. Natürlich ist hierbei der Ertrag bei gleicher aufgewandter Arbeit gerechnet. Ganz nebenbei macht nun Ricardo die Bemerkung, daß das beste Land zuerst okkupirt worden sei, daß, erst wenn das beste Land erschöpft, das Land zweiter Qualität in Bebauung genommen werde u. s. w., bis die wirthschaftliche Grenze erreicht ist. An diese, wie gesagt, ganz nebensächliche Bemerkung, welche das Fundament der Theorie absolut nicht berührt, klammert Carey sich an, zeigt, daß die Ansiedler in Amerika nicht den besten und fettesten Boden, der zu dicht bewachsen oder mit Sümpfen bedeckt ist, sondern den geringeren, leichter rodbaren Boden zuerst besiedeln, und daß erst später die schwerer zu bebauenden besseren und fetteren Bodensorten folgen. Das ist unzweifelhaft richtig, beweist aber durchaus nichts gegen die Ricardo'sche Theorie, ja, widerlegt, genau betrachtet, nicht einmal die erwähnte Behauptung Ricardo's, denn das ,, beste" Land, welches zuerst okkupirt wird, soll nur dasjenige Land bedeuten, welches sich im Moment der Okkupation am besten zur Kultur eignet. Sumpfland, welches, nach erfolgter Drainirung und Urbarwachung, Boden erster Qualität enthält, ist thatsächlich werthlos solange die Drainirung und Urbarmachung noch nicht erfolgt ist. Es hat Ricardo natürlich nicht in den Sinn kommen können, zu behaupten, das Land, welches bei der ersten Okkupation das beste war, sei auch das beste geblieben und müsse für ewige Zeiten das beste bleiben. Abgesehen davon, daß die Okkupation überhaupt nicht wörtlich zu nehmen, sondern blos beispielshalber in dieser Form aufgestellt ist, macht es, wie ein Aufsatz der Frankfurter Zeitung " mit Recht hervorhebt, gar keinen Unterschied, ob die Ertragsdifferenz, welche die Grundrente ergibt, bei intensiver Bodenwirthschaft aus der größeren natürlichen Fruchtbarkeit, oder bei extensiver Wirthschaft aus den geringeren Kulturkosten entspringt.
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Direkter in die Tagesfragen greift Carey mit seiner nächsten, 1852 veröffentlichten Schrift ein: ,, The harmony of interests, agricultural, manufacturing and commercial"( die Harmonie der Interessen in Ackerbau, Industrie und Handel). Hier wird die Lehre von der ,, Harmonie der Interessen" näher entwickelt. Habent sua fata libelli. Nicht blos Bücher, auch Lehren und Theorien haben ihre Geschichte. Wem in Deutschland ist die Harmonie der Interessen" nicht ein geläufiges Schlagwort, sei es im Ernst oder im Spott? Und wer in Deutschland glaubt nicht, daß sie heimisches Gewächs oder höchstens, daß sie aus dem benachbarten erbfeindlichen Frankreich importirt worden? Sonderbare Schwärmerei. Die schöne poetische Lehre ist auf dem nüchternen Boden Englands geboren, von da nach den Vereinigten Staaten emigrirt, und dort von Carey in Pflege genommen und mit dem Gewande der Wissenschaft versehen worden. Und so zugerichtet, machte die Lehre le tour du monde die Reise um die Welt, wobei sie dann allmählich auch nach Deutschland kam, aber auf dem üblichen Umweg über Frankreich . Es scheint manchmal, es gäbe in Deutschland niemand, der englisch versteht wenigstens nicht genug, um eine Schrift über Nationalökonomie zu lesen. Erst muß sie in's Französische übersetzt und französisch verwässert und verzuckert werden, ehe sie für den deutschen Gaumen genießbar wird. So ging es so ziemlich mit der ganzen englischen Nationalökonomie, und so ist es auch mit der Carey'schen ,, Harmonielehre" gegangen: sie mußte erst von Bastiat französisch geleckt, verslacht und süßlich feuilletonisirt werden, um in Deutschland Eingang zu finden, nachdem sie seitens des deutschen Bearbeiters aus dem Französischen ungefähr dieselbe Verballhornung erfahren, wie seitens des französischen Bearbeiters aus dem englischen Urtert.
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Der Hauptzweck dieses Werkes war aber die wissenschaftliche Begründung" des Schutzolls ein Thema, mit welchem wir uns hier nicht befassen können. Genug, unter den wissenschaftlichen Vertheidigern des ,, Schußzollprinzips" nimmt Carey ohne Widerrede den ersten Rang ein. Ist es ihm auch nicht gelungen, und konnte es ihm nicht gelingen, eine einfache Frage der Praxis zu einem Postulate der Wissenschaft zu erheben, so hat er die Frage doch mit unverkennbarem Geschick behandelt und allen, die jeßt in Deutschland das Evangelium des rettenden Schußzolls predigen, ihre geistigen Waffen" geliefert. Der Schutz der nationalen Arbeit", die physiokratischen Angriffe auf den Handel, die pseudosozialistischen Forderungen der Rechte der Arbeit" und einer gerechten Gütervertheilung", die Tiraden gegen das ,, laissez faire laissez aller" nichts fehlt in dem Carey'schen Buch, aus welchem die deutschen Schutzöllner noch viel lernen und plagiiren fönnen.
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In seinem legten und umfangreichsten Werk: ,, Principles of Social Science"( Grundsäge der Gesellschaftswissenschaft, 1857-62 in 3 Bdn.) faßt Carey seine ganze Lehre in ein System" zusammen. Eigentlich ist es nur eine Wiederholung seiner sämmtlichen früheren Schriften, die, mit einigen Abänderungen, Umarbeitungen und Lückenausfüllungen in eins verschmolzen sind. Es ist deshalb auch nichts Besonderes darüber zu sagen. Blos der bermeintlichen Widerlegung der Malthusschen Bevölkerungslehre sei erwähnt. Diese lautet: Die Güter der Erde vermehren sich in arithmetischer, die Bevölkerung der Erde in geometrischer Progression, also viel rascher, sodaß, wenn der natürlichen Zunahme der Bevölkerung nicht gesteuert wird, Uebervölkerung eintreten muß.
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Das leugnet Carey, der stets die amerikanischen Verhältnisse im Auge hat, und behauptet ,, die unbegrenzte Ausdehnungs- und Entwicwas man in lungsfähigkeit der Menschen und ihrer materiellen Kultur" Amerika , das mit Leichtigkeit eine zehnfache Bevölkerung zu ernähren vermag, allerdings ohne große Gefahr sagen kann. Im Zusammenhang mit dieser ,, Widerlegung" des Malthus stellt Carey eine neue Theorie der Gütervertheilung" auf, nach welcher der Antheil der Arbeit sowohl als des Kapitals an dem Nationaleinkommen beständig wachse, und zwar der Antheil der Arbeit in stärkerem Maße, als der des Kapitals. Ein schöner Traum, dem von der harten Wirklichkeit und der unsentimentalen Wissenschaft der Nationalökonomie leider das Bürgerrecht auf dieser realen, bürgerlichen Welt nicht ertheilt wird.
Sind wir nach dem von uns Ausgeführten auch nicht in der Lage, in die Lobreden der Bewunderer einzustimmen und Carey für den größten Nationalökonomen der Neuzeit, wo nicht aller Zeiten, zu erflären, so müssen wir ihn doch als einen der Auserwählten anerkennen, die dem Jahrhundert seinen geistigen Stempel haben aufdrücken helfen.
-cht.
Die erste Lokomotive der Eisenbahn von Stockton nach Darlington.( Bild Seite 64.) Nachdem wir in Nr. 5 die Entstehung der Eisenbahn entworfen, wollen wir auch die Geschichte ihrer Bestandtheile in Umrissen schildern. Wenn sich die Eisenbahn, d. h. das paarige Schienengeleis auch nicht eines vorsintfluthlichen Alters rühmen fann, so können doch bereits in dem klassischen Alterthum der Griechen ihre Uranfänge in jenen Steingeleisen nachgewiesen werden, auf welchen schwere Marmorblöcke nach den Baustätten der Tempel und ganze Schiffe von der Nord- nach der Südseite des korinthischen Isthmus ( Griechenland ) bewegt wurden. Daß auch dem praktischen Sinn der Römer sehr bald die Zweckmäßigkeit derartiger Spurbahnen für den Transport großer Lasten in die Augen sprang, lassen uns die in dem ausgegrabenen Pompeji bloßgelegten Spurbahnen( mit vertieften Geleisen) erkennen. In ihrer primitiven Form begegnet uns diese Spurbahn in den Bergwerken des Harzes wieder. Auf zwei langen Balken, welche beiderseitig mit Randleisten versehen waren, rollten hier die Räder des Landführwerkes hin. Ein Pferd konnte auf solchen Bahnen 40-50 Centner fortbewegen. Durch deutsche Bergleute, welche die Königin Elisabeth nach England rief, fand auch dort dieser Fortschritt im Transportwesen Eingang. Um die immerhin noch bedeutende Reibung zu verhindern, nagelte man in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eiserne Schienen auf die Längsbalken, die ihrerseits wieder auf Querriegeln ruhten. Die von dem Engländer Outram seit 1793 eingeführte Spurbahn( in der Folge[ Du]-Tram Wah genannt) hatte statt der Balken eine Unterlage von Steinblöcken; aber diese Einrichtung erwies sich als unpraktisch, so daß auch ferner die hölzerne Unterlage für Spurbahnen beibehalten wurde. Zwar hatte schon im Jahre 1805 der Engländer Nixon die spröden gußeisernen Schienen durch schmiedeeiserne zu ersehen versucht; aber ein bedeutsamer, folgereicher Schritt, der zur Vervollkommnung des heutigen Eisenbahnwesens führen konnte, wurde erst 1820 durch John Berkinshaw gethan, indem derselbe das Walzen der Schienen erfand.
Die durch die Eisenbahnen hervorgerufene segensreiche Umwälzung des ganzen Landverkehrs wäre aber noch lange Zeit aufgehalten worden, wenn nicht auch neben den Schienenwegen das Eisenbahnfuhrwerk fortwährende Verbesserungen erfahren hätte, bis endlich auch die Lokomotive( der sich von der Stelle bewegende Wagen, welcher einen Dampftessel und eine Dampfmaschine trägt, die mittels Umdrehung der einen Radachse das Ganze in fortschreitende Bewegung seßt), als Hauptmotor in den Eisenbahnbetrieb eintrat. Sehen wir uns an der Hand der Kulturgeschichte die Wandlungen an, welche die Lokomotive durchmachen mußte, bis sie ihre heutige Gestaltung bekam.
Kaum war die Dampfmaschine in den Kreis des Kulturlebens eingetreten, als man auch schon bemüht war, ihr eine möglichst vielseitige Anwendung zu geben. Dahin gehörte auch das Bestreben, sie zur Bewegung der gewöhnlichen Straßenfuhrwerke zu benußen, die animalische Zugkraft durch die Bewegung mittels unorganischer Kraft zu ersezen. Ein Mann, Namens Mon de Caus, der im Narrenhause von Bicêtre gestorben ist, ist der Schöpfer dieser Jdee. Savery machte 100 Jahre später den Vorschlag, die Dampfmaschine als Beweger der Straßenfuhrwerke zu benugen. Allein weder bei ihm, noch bei Robison ( 1759), dem Jugendfreunde Watts, und seinem Mitarbeiter an der Vervollkommnung der Dampfmaschine, ist von einer Ausführung dieser Idee etwas bekannt geworden. Der erste, dem es wirklich getang, einen Straßendampfwagen zu konstruiren, war der französische Inge nienr Cugnot, der 1796 Probefahrten auf dem pariser Straßenpflaster unternahm. Doch fielen die Versuche ziemlich ungünstig aus; Cugnots Wagen wurde dem Conservatoire des Arts et des Métiers in Paris einverleibt, wo er noch heutigen Tags zu sehen ist. Nach vielen Wühen und Drangsalen glückte es endlich Oliver Evans im Winter von 1803 auf 1804 die erste Straßenlokomotive in Gang zu bringen. Es wird von ihr berichtet, daß sie in Angesicht von wenigstens 20,000 3uschauern durch die Straßen von Philadelphia bis an den Schuytfillfluß" ihren Lauf nehmen konnte. In England bemächtigte sich fast gleichzeitig dieses Gegenstandes ein Ingenieur der Zinnbergwerke von Cornwall , Richard Trevithik mit Namen. Er nahm mit Andrew Vivian 1802 ein Patent auf seine ,, dampfgetriebenen Wagen" und