schon zwei Jahre darauf sehen wir die erste durch Dampf getriebene, auf Rädern bewegliche Maschine einen Kohlenzug auf den Steigungen der Merthyr- Tidvil- Bahn in Süd- Wales emporschleppen. Diese Loko­motive besaß bereits viele wesentliche Bestandtheile unserer jeßigen Maschinen, namentlich auch das Dampfblasrohr, durch welches der aus dem Dampfzylinder entweichende Dampf in den etwa 12 Fuß hohen Dampfschornstein geblasen wurde.

Der Hauptfehler dieser Uebergangs- Lokomotive bestand darin, daß ihr Gewicht zu gering war, um zwischen den glatten Rädern und den Bahnschienen genügende Adhäsion zur Fortbewegung des Zugs hervor­bringen zu können. Diesem Fehler hat erst George Stephenson im Jahre 1814 abgeholfen. Unsere Abbildung zeigt jene verbesserte Loko­motive, wie sie zuerst auf der Killingworth und Stockton- Darlington­Bahn im Gebrauch war und mit unwesentlichen Aenderungen bis zum Jahre 1829 in Anwendung blieb. Wir sehen daran den zylindrischen Dampfkessel, der auf vier glatten Rädern ruht; auf dem Obertheil desselben befinden sich zwei senkrecht stehende Dampfzylinder, in denen die dampfdichten Kolben hin- und hergeschoben werden. Die Bewegung der Kolbenstangen ist mit Hilfe zweier Schwebearme( Balanciers) auf die Achsen der Räder übertragen, wodurch die Drehung der letztern bewirkt wird. Die beiden Radachsen sind durch äußere Kuppelstangen mit einander verbunden, und schon ist ein Mechanismus vorhanden, durch welchen man je nach Erforderniß das Vorwärts- oder Rückwärts­fahren der Maschine veranlassen kann. Die Speisung des Dampf tessels verrichtete eine von der Maschine getriebene Druckpumpe, die ihr Wasser von dem hinter der Lokomotive befindlichen Tender zog, der überdies auch noch die nöthigen Steinkohlen trug. Die größte Leistung einer solchen Maschine, die mit dem Tender ungefähr zehn Tonnen wog, bestand in der Fortschaffung von etwa vierzig Tonnen Last mit einer Geschwindigkeit von sechs englischen Meilen in der Stunde. Daß diese vielgegliederte Lokomotive verglichen mit unserer heutigen, viel einfacher konstruirten, in Bezug auf Bewegungsgeschwindigkeit mit der Schildkröte verglichen worden ist, brauchen wir wohl nicht anzuführen. Schon George Stephensons Sohn, Richard, hat die Erfindung des Vaters bedeutend vervollkommnet, aber die meisten Umgestaltungen erfuhr die Lokomotive in den letzten zwanzig Jahren. Sehen wir einmal einer Schnellzugslokomotive neuester Konstruktion ins Innere. Der große zylindrische Dampfkessel ist ein Röhrenkessel geworden. Der gebildete Dampf sammelt sich vorzugsweise in der Kuppel, in welcher sich die mitgerissenen Wassertheilchen abseßen, und wird von dort durch ein weites Rohr in die Schieberkästen und aus diesen, wie bei jeder Dampfmaschine, abwechselnd zu den beiden Seiten der Dampfkolben

geführt.

Das aus dem Kessel ausgehende Rohr ist durch einen Schieber ver­schließbar, welchen der Führer mittels eines Hebels vor und rückwärts schieben kann, wodurch dann überhaupt der Dampf zur Maschine zu­gelassen und wieder abgesperrt wird. Dieser Dampfrohrschluß trägt hier den Namen Regulator, und der Hebel heißt Regulatorhebel, weil der Führer mit diesem den Gang der Maschine reguliren oder ganz abstellen kann. Durch den vorderen Boden des Zylinders geht eine Kolbenstange, die mit der Bläuelstange und einer Kurbel verbunden ist. Die Achse der letzteren ist zugleich die Achse der Treibräder, welche durch das Spiel des Kolbens in Umdrehung versezt werden und dadurch die Bewegung der Lokomotive bewirken. Die Führung des Verthei­lungsschiebers geschieht durch eine excentrische Scheibe; doch sind deren zwei vorhanden, die dicht hinter einander liegen und in ihrem Gang um circa 180 Grad verschieden sind, so daß sie gleichzeitig in den ent­gegengesetten Stellungen ankommen. Diese beiden Excenter, deren eins den Vorwärts-, das andere den Rückwärtsgang der Maschine be­wirken, greifen nun an den beiden Enden eines schmiedeeisernen Bogens, der Kulisse, an, welche einen Gleitbacken umfaßt, mit dem die Schieber­stange vorn endet. Hebt man die Kulisse, so wird die Wirkung des oben angreifenden Excenters auf den Schieber übertragen, und die Maschine läuft so, wie es der Steuerung durch dieses Excenter zu­kommt, d. h. die Kurbel dreht sich in der dem steuernden Excenter zugewendeten Richtung. Senkt man jedoch die Kulisse und bringt den Angriff des zweiten Excenters zur Wirkung auf den Schieber, so folgt wieder die Drehrichtung der Stellung dieses Excenters, d. h. der Gang wird verkehrt, nachdem die beiden Excenter prinzipiell um 180 Grad von einander abstehen. Diese vor- oder rückwärts steuernde Stellung der Kulisse geschieht durch die Hand des Lokomotivführers und zwar durch einen Hebel, den sogenannten Reversirhebel, von dem eine Stange zu jenem Winkelhebel führt, an dem die Kulisse hängt.

Der von der Maschine abströmende Dampf entweicht durch ein Rohr in die Rauchkammer unter den Schornstein, wo er mit solcher Gewalt ausströmt, daß er einen Theil der Luft aus der Rauchkammer mitreißt und so einen luftverdünnten Raum erzeugt, der sich durch die Siederöhren bis in den Feuerraum fortpflanzt und jenes heftige Nach strömen frischer atmosphärischer Luft durch die Rostspalten zur Folge hat, welches die lebhafte Verbrennung des Brennmaterials trop des Mangels einer sonstigen Esse bewirkt. Die arbeitende Mündung des Dampfausströmrohrs heißt Blasrohr, und ihr Querschnitt kann vom Führerstande aus lippenförmig vergrößert oder verkleinert werden, in welch letterem Fall der theilweise gestaute Dampf, mit größerer Ge­schwindigkeit ausströmend, eine stärkere Anfachung des Feuers zur Folge hat.

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Die schmalen und sehr zahlreichen Stäbe des Rostes liegen sehr nahe aneinander; die am tiefsten gelegene Abtheilung des Rostes ist zum Kippen eingerichtet; die Feuerthür besteht aus zwei Flügeln, von denen ein jeder durch einen mit eisernen Beschlägen versehenen Ziegel­stein gebildet wird, welcher Löcher enthält, die den direkten Zutritt der Luft zu dem Brennmaterial gestatten. Das Brennmaterial wird nur in einer Schicht von fünf Centimeter Höhe über die Rostfläche vertheilt; die Roststäbe gestatten nur ein Reinigen des Rostes von oben, die Feuerthür ist daher sehr breit, und die Oberfläche vom un­tern Theil ihres Rahmens liegt in gleicher Höhe mit der Rostfläche. Die Schlacken werden entweder durch das Umkippen des unteren Rostes abgeworfen, oder durch die Feuerthür herausgezogen, und durch ein Fallthürchen in der Stehplatte des Maschinisten entfernt.

Die Treibzylinder liegen bei der Lokomotive unseres Bildes inner­halb der Räder, also unterhalb des Kessels, und die Lenkstangen hängen mit Kurbeln zusammen, welche in dem Körper der Radachse selbst ausgeschmiedet sind. Bei den neueren Maschinen liegen die Treibzylinder außerhalb der Räder, die Treibachse ist dann gerade, und die Kurbelwarze, der Anhängepunkt der Lenkstange, ist oft gleich an einer Speiche des Treibrades angesetzt.

Die gewöhnlichen Räder eines Wagens drehen sich bekanntlich nur deshalb, weil der Wagen über ihnen weggezogen wird; dagegen stemmen sich die Treibräder gleichsam wie die Beine des Zugpferdes gegen den Boden und bewirken so, da sie durch ihre Umdrehung zugleich die An­griffspunkte immer weiter vorwärts verlegen, das Fortgehen des Zuges. Von der Größe der Treibräder hängt zum Theil auch die Schnelligkeit der Bewegung ab, weil die Maschine so eingerichtet ist, daß auf ein vollständiges Kolbenspiel derselben allemal ein Umlauf der Räder kommt.

Hiermit glauben wir den Bau des Dampfrosses genügend geschil­dert zu haben, und es bleibt uns nur noch übrig, die Bezugsquellen an­zuführen. Die Lokomotiven für die ersten deuschen Eisenbahnen wurden aus England bezogen und von Engländern geführt. Borsig in Berlin begründete die deutsche Lokomotivindustrie, welche jetzt in zwanzig deutschen Anstalten betrieben wird( drei in Berlin , je eine in Königs­ berg , Elbing , Stettin , Breslau , Hannover , Kaffel, Düsseldorf , Chem­niß, Darmstadt , drei in München , je eine in Eßlingen , Karlsruhe , Mühlhausen- Grafenstaden bei Straßburg , Rübeland und Heilbronn ) und jährlich 1850-1900 Maschinen liefert, von denen etwa 600 von Deutschland in Anspruch genommen werden. Die deutsche Lokomotiv­induſtrie ist der englischen ebenbürtig und der französischen wahrschein­lich überlegen. Desterreich besitzt fünf Lokomotivbauanstalten mit einer Leistungsfähigkeit von circa 400, die Schweiz zwei Etablissements, welche etwa 40 Lokomotiven bauen. In den übrigen europäischen Staaten ist der Lokomotivenbau unbedeutend und deckt jedenfalls den Bedarf bei weitem nicht; desto großartiger hat sich diese Maschinen­herstellung in den Vereinigten Staaten entwickelt, deren ziffermäßige Zusammenstellung uns leider nicht zu Gebote steht. Man erzählt, daß am Tage der Bahneröffnung mit dem ersten direkten Personenzuge halb England in Liverpool und Manchester und allen Ortschaften der Linie entlang zusammengeströmt war. Troß der Anwesenheit des Marschall Wellington und des Minister Pitt blieb der Bergmann Georg Stephenson ohne Rival der Held des Tages. Seine fanatischsten Geg­ner wurden seine begeistertsten Lobredner, und seine Feinde von der Bahnverwaltung unterstüßten jezt seine Bestrebungen auf das wärmste. Und diese Richtung durchdrang alle Schichten der Bevölkerung. Im fortdauernden Gefühl der Verehrung hat England zu Darlington und zu London die ersten Lokomotiven, welche Stephenson erdachte, auf Bostamenten zu ewigem Andenken aufgestellt, als Trophäen aus dem Rüstzeug eines Ritters vom Geiste. Die dankbare Erinnerung der ge­sammten Menschheit wird selbst diese ehernen Denkmäler überdauern.

Dr. M. T.

Springfluth an der deutschen Nordseeküste.( Bild Seite 65.) Das welkende Laub streut eine Fülle rothgelber Farbentöne in die Landschaft. Das leise Sterben und Entfärben mindert zwar der Natur üppiges Prangen, erhöht aber den Reiz der Szenerie. Der Herbst­sturm zieht klagend über die Stoppelfelder und die Vögel rüsten sich zum Aufbruch nach frischbegrünten Ländern. Verschwunden ist der sum­mende Gaukelreigen in den Lüften und das rastlose Treiben im Grase. wohl winkt aus dürrem Laub die saftige Traube, doch um Blumen­leichen zieht die geschäftige Spinne ihren kunstreichen Silberfaden. Was man verlieren soll, achtet man doppelt werth. Dies wohl der Grund, weshalb uns des Herbstes Wehmuth beschleicht, und der Hoffnung auf die wechselnden Freuden der Jahreszeiten nur wenig Plaz läßt. Wenn der Binnenländer die Ernte geborgen, fann er getrost den Stürmen des Herbstes entgegensehen. Anders gestaltet sich die Sache beim Küsten­bewohner. Er hat nicht nur die Jahreszeiten, sondern auch die Gezeiten, d. h. Ebbe und Fluth, zu beachten. Diese gewaltige Fluth­welle, bekanntlich durch den Einfluß des Mondes erzeugt, die am stärk sten in der Nähe des Aequators ist nnd nach den Bolen zu allmählich abnimmt, bewacht der Küstenbewohner jahraus jahrein mit scharfem Auge. Sie zwingt den unermüdlichen Streiter zu steter Kampfbereit­schaft. Sie regelt seine Thätigkeit, weil sie, von Ost und West fort­schreitend, entsprechend der entgegengeseßten Umdrehung der Erde,