unwillig verfinsterte, noch in dieser Nacht zurück und werden morgen früh sicher zu sprechen sein."

Wenn ich der erste sein könnte, den Herr Alster nach seiner Rückkehr vorläßt, so" Herr Schweder hielt inne und machte wieder eine, diesmal nur andeutende Bewegung nach seiner Westen­tasche so würde es mir lieb sein."

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August verbeugte sich mit verständnißinnigem Lächeln. Es sind noch niemand vorgemerkt; gnädiger Herr sind der erste. Wenn der Herr um punkt 10 Uhr hier sein wollen, so ganz gewiß der gnädige Herr können sich darauf verlassen." ,, Gut, werde mich davon überzeugen." Herr Schweder betonte das letzte Wort bedeutungsvoll und wandte sich zum Gehen. Da schien ihm noch ein Gedanke zu kommen; er kehrte sich wieder zu August und schaute ihm noch einmal in das ge­müthliche, pfiffige Gesicht. Was Herr Schweder sah, mußte ihm nicht übel gefallen, denn er lächelte sein und nickte August in wohlwollender Herablassung zu: Adieu, mein lieber- Jean, nicht wahr?"

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Ohschüßt wenn der gnädige Herr erlauben, Ohschüßt!" Aha! Also Adieu, Ohschüßt!"

"

August verbeugte sich viel tiefer, als es sonst seine Art war. ' N netter, sehr netter Herr," brummte er vor sich hin, als Herr Schweder fort war. Weiß vernünftige Leute vernünftig zu be­handeln. Nicht so, wie dieser Doktor Juri, dieser Wichtel; alle Jubeljahre zehn Groschen"- August machte eine unsäglich ver­ächtliche Geberde-, ,, lumpig nenne ich so was, pfui Teufel!" Herr Schweder war indeß wieder in seinen Wagen gestiegen. Nach der großen Allee, und diese in mäßigem Tempo entlang!" Dann lehnte er sich in den Fonds des Wagens bequem zurück und schien sich ganz in Nachdenken zu vertiefen.

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In der großen Allee begann die Außenwelt wieder Interesse für Herrn Schweder zu gewinnen. Er sah sich aufmerksam nach beiden Seiten hin um. Es war, als ob er etwas oder jemanden suche. Dabei schien er jedoch nicht vom Zufall begünstigt der Wagen hatte die ganze, wohl eine Viertelmeile lange, große Allee passirt, ohne daß Herr Schweder gefunden, wonach er aus­geschaut. Der Kutscher wandte sich fragend nach dem Fahrgast. ,, Umkehren die Allee wieder zurück!"

Dem Kutscher schien die Sache merkwürdig. Zum Spaziren fahren war ihm das Wetter nicht einladend genug, er schüttelte den Kopf, aber er gehorchte mit Vergnügen, leichter konnte er sich sein Geld nicht verdienen. Aber seine Freude sollte bald ein Ende nehmen. Wenige Minuten, nachdem er den Rückweg in die Allee eingeschlagen, rief Herr Schweder:

,, Halt ich will spaziren gehen!" Er reichte dem Kutscher das taxmäßige Fahrgeld, nebst einem Trinkgeld, und stieg aus.

Jener lenkte kopfschüttelnd sein Gefährt der inneren Stadt zu, während Herr Schweder den Weg in die Vorstadt hinaus, den der Wagen soeben verfolgt hatte, weiterschritt. Er ging ziem lich langsam; dennoch holte er bald einen Dienstmann ein, der noch langsameren Schrittes nach derselben Richtung mehr bum­melte als ging.

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Der Dienstmann mochte einige dreißig Jahre alt sein, hatte ein intelligentes Gesicht und war sauber und mit einer gewissen Sorgfalt gekleidet.

,, Guten Tag, Willisch,- wie geht's?"

Der Dienstmann Willisch nahm sehr höflich die Mütze von Kopfe und antwortete: Danke, gnädiger Herr; nicht eben be­sonders."

,, Wenig zu thun?"

,, Viel zu thun, gnädiger Herr, viel. Aber nichts für unser­einen; alles Kommissionen, die der größte Esel auch besorgen kann. Wenn das nicht bald besser wird, ziehe ich mich vom Geschäft zurück. Dazu bin ich zu gut."

Herr Schweder lachte. Recht so! Stolz lieb ich den Spa­nier; aber ich begreife nicht recht, Willisch,- unsere Offiziere und Studenten werden doch noch heimlich Mädchen auszuspioniren, Liebesbriefe zu befördern, kleine Pumpangelegenheiten zu regeln und dergleichen noble Kommissionen mehr zu besorgen haben, ist das nicht Arbeit, des Schweißes eines Edlen werth?"

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Der Dienstmann schüttelte mißmuthig den Kopf. Unsere jungen Herren, gnädiger Herr, sind keinen Schuß Pulver werth. Die einen haben keine Spur von Poesie möcht' ich sagen im Leibe und die anderen keinen Heller Geld im Beutel; jeder ist sich selber Backträger genug. Wenn's hoch kommt, schickt mal der Lieutenant seiner Frau Hauptmann' ne heimliche Torte oder der Bruder Studio seine Uhr auf's Pfandhaus, in beiden Fällen ist keine Ehre einzulegen und setzt's selten mehr als fünf Groschen. Da verliert ein gescheiter Kerl schließlich alle Freude das können Sie mir glauben, gnädiger an seinem Beruf

Herr!"

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Herr Schweder betrachtete sich den mißvergnügten Dienstmann mit sichtlichem Behagen. Ich hätte eine Kommission, die einem sehr gescheiten Kerl Freude machen könnte, aber eben einen sehr gescheiten erheischt."

Ah," machte Willisch mit Befriedigung, und da haben Sie, gnädiger Herr, an mich gedacht, blos an mich, will ich hoffen?"

Allerdings; erwarten Sie mich in einer Viertelstunde im Stadtpark am Schillerdenkmal. Ich habe für die Neugier der Leute hier schon zu lange mit Ihnen konferirt. Dort sollen Sie Justruktionen empfangen."

Herr Schweder entließ den Dienstmann mit einer Hand­bewegung und ging in mäßigem Tempo, wie er gekommen war, weiter.

Der Dienstmann zog wieder die Müße und schritt darauf eilig, als hätte er sofort einen dringlichen Auftrag auszuführen, in der entgegengesetzten Richtung von dannen.

Eine Viertelstunde darauf bummelte der letztere wieder- an­scheinend so harmlos als möglich in den Laubgängen am Schillerdenkmal umher. Sein Beruf mußte ihm jetzt auf's neue Freude machen, denn er pfiff mit großer Virtuosität eine flotte Opernmelodie vor sich hin und sah heiter in die Welt hinein. ( Fortseßung folgt.)

Johann Wolfgang Goethe .

Von Dr. Max Vogler. ( Fortsetzung.)

,, Nie vielleicht" jagt Lewes über den nunmehr zwanzig jährigen Goethe ,, war ein schönerer Jüngling in Straßburgs Mauern eingezogen. Lange, bevor er berühmt war, fand man ihn einem Apollo ähnlich; wenn er in ein Speisehaus trat, legten die Leute Gabel und Messer nieder und staunten ihn an. Bilder und Büsten geben nur eine schwache Andeutung von dem, was in seiner Erscheinung am meisten ergriff; nur den Schnitt der Züge geben sie, nicht deren Spiel, und selbst in den bloßen Formen sind sie nicht genau. Seine Züge waren groß und frei geschnitten, ähnlich wie die schönen, leichten Linien der griechischen Kunst. Die Stirn hochgewölbt und mächtig; unter ihr hervor schienen große, glänzende braune Augen von wunderbarer Schön heit, mit Pupillen von fast beispiellofem Umfang; die ein wenig gebogene Nase groß und fein geschnitten; der volle Mund mit der kurzen, aufgeworfenen Oberlippe höchst ausdrucksvoll; Kinn und Kinnbacken von fühnem Bau, und der Nacken, der diesen Kopf trug, schön und kräftig, aber all' diese Einzelheiten sind

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doch nur ein Inventar, sozusagen, seines Aeußern und geben von dem Ganzen kein flares Bild. Von Gestalt war er über Mittel­größe, aber obgleich eigentlich nicht groß, sah er doch so aus und wird gewöhnlich auch so beschrieben, so imposant war seine Erscheinung."

Leider werden mir die für diese Arbeit festgestellten Raum­grenzen nicht gestatten, den für Goethe's weitere Entwicklung so außerordentlich wichtigen straßburger Aufenthalt des Dichters in wünschenswerther Ausführlichkeit zu behandeln, sodaß ich nur das Allerwesentlichste aus dieser Zeit hervorzuheben vermag.

Dem juristischen Fachstudium lag er zu Straßburg anfangs ebenso wenig wie auf der leipziger Universität ob. Das groß artige Bauwerk des Münsters, dem, kaum daß er den Postwagen verlassen, sein erster Weg in der altehrwürdigen, von einer eigen­thümlichen Poesie umwobenen Stadt galt, war ihm vielmehr so­gleich eine unwiderstehliche Nöthigung, sich in Gedanken über deutsche Baukunst" zu vertiefen und wieder andere kunstgeschichtliche