daran, indem sie glaubten, man müsse die Poesie in Wirklichkeit verwandeln, einen solchen Roman nachspielen und sich allenfalls selbst erschießen. Die Wirkung dieses Büchleins war groß, ja ungeheuer, und vorzüglich deshalb, weil es genau in die rechte Zeit traf. Denn wie es nur eines geringen Zündkrauts bedarf, um eine gewaltige Mine zu entschleudern, so war auch die Ex­

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plosion, welche sich hierauf im Publikum ereignete, deshalb so mächtig, weil die junge Welt sich schon selbst untergraben hatte, und die Erschütterung deswegen so groß, weil ein jeder mit seinen übertriebenen Forderungen, unbefriedigten Leidenschaften und eingebildeten Leiden zum Ausbruch kam." ( Fortsetzung folgt.)

Ueber Fremdwörter im Deutschen  .

Von W. Wittich. ( Fortsetzung.)

Kehren wir nun zu unsrer Epoche des dreißigjährigen Krieges zurück. In Georg Neumarks ,, Palmenbaum" finden wir fol­gendes Alamodisches Lied", welches einem gewissen Confusius Ollapotrida zugeschrieben wird:

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Reverirte Dame,

Phönig meiner âme( Seele),

Gebt mir Audientz.

Ewrer Gunst meriten( Verdienste)

Flora zur Bluminne, Juno zur Himmelinne, Vulkan zum Gluth­fang. Das Pistol   nennt Besen Reitpuffert, den Schornstein Dach­nase, den Hut Kopfdeckel, die Person Selbstand, die Natur Zeuge­mutter, die Maske Mummgesicht, das Fenster Tageleuchter, das Theater Schauburg, den Vers Tichtling, die Flinte Schießprügel, welch' letzteres sich als derbkomischer Ausdruck nebst einigen wenigen anderen erhalten hat. Wie angelegen ihm die Würde der deutschen Sprache war, zeigt seine 1642 erschienene ,, Rettung

Machen zu Falliten( bringen zu Falle, machen zu schanden) der deutschen   Hauptsprache". In einem Gedichte Georg

Meine Patientz( Geduld).

Ach, ich admirire( bewundere)

Und considerire( überlege betrachtend)

Emre violentz( Grausamkeit);

Wie die Liebesflamme

Mich brennt sonder blame( ohne Tadel)

Gleich der pestilentz.

Ihr seid sehr capable( fähig, begabt), Ich bin peu valable( wenig mächtig) In der eloquentz( Beredtsamkeit). Aber mein serviren( dienen) Pflegt zu dependiren( abzuhängen) Von der influentz.

Dann couliren( rollen) des Dichters Larmes  ( Thränen) über seine jouen( Wangen  ), sodaß Neptun rhume( Schnupfen) be­kommt; Meertriaden" und" Flußnajaden" und Tritonen, die Coquilles tragen( Flußgottheiten, die auf Muscheln blasen), würden nur rejouiret( erheitert) werden, wenn die Angesungene sich der abstinentz vom Hassen befleißigen würde. Dann würde das Meer süß werden und ihr ,, reverentz machen".

Dabei hatte man wenigstens die Ehrlichkeit oder Gewissen haftigkeit, die fremden Worte in lateinischen Buchstaben zu schreiben und zu drucken; aber vielleicht soll das auch nur zeigen, wie gut der betreffende Schriftsteller mit Fremdwörtern vertraut ist, und es wäre also noch ein weiteres Stück Prahlerei und Eitelkeit!

Solcher Schwulst, wie in obigem, vielleicht satirischen Gedicht findet sich aber auch in den ernstgemeinten Gedichten jener Zeit, sodaß mit Recht Neumark ingrimmig fragen durfte: Wenn auch alle anderen Sprachen ihre Uebersetzungen finden: wer teutschet mir das Teutsche?"

Wir befinden uns eben ganz in jener wälschen, d. i. italienisch­französischen, patschouliduftenden Atmosphäre, die in der ganzen, damals auf Bildung Anspruch erhebenden, Spaniol schnupfenden Gesellschaft herrschte. Und doch bekam man den feinen Schmelz und die glatte Eleganz der linksrheinischen Nachbarn bei uns nicht heraus: aller jener Firlefanz stand dem beweglichen, von Natur mit feinerem Sinn für elegante Form ausgestatteten Fran­zosen ganz anders zu Leibe als dem guten Deutschen  , der im Verhältniß zu dem versailler oder pariser Kavalier doch immerhin so ein bischen wie ein ungeleckter Bär dastand.

Auf diesem Hintergrund scheint uns auch das Bild eines Philipp von Zesen  , dieses Donquixote der deutschen   Literatur, weniger widerwärtig und lächerlich. Er ist aber doch einer der tastenden Vorläufer und Pfadfinder der heute als stolze Wissen schaft dastehenden Sprachvergleichung, und seine Zeit ward ihm nicht gerecht, wie er überhaupt immer zu schlecht wegkommt in der Literaturgeschichte. Aber lächerliche Geiten hat er eben auch, und das Lächerliche tödtet, sagt der Franzose. Seinem Roman Die adriatische Rosamunde" fügte er einen Anhang von Ver­deutschungen seiner Mache zu, in der wohlmeinendsten Absicht. Zuerst mußten die griechisch römischen Götter ihre Namen ver­deutschen lassen; die Jagdgöttin Diana wird zur Waidinne, Minerva  , die Göttin der Weisheit, zur Kluginne, Venus  , die Liebesgöttin, zur Luſtinne oder Freie, Pomona zur Obstinne,

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Greflingers, Seladons beständige Liebe", spricht der Lieb­haber folgende merkwürdige Worte zu seiner angebeteten Flora:

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Zwar, die Wahrheit zu bekennen,

Ich hab etwas schlecht studirt,

So weiß ich auch nicht zu nennen, Was bei uns so güldig wird: Hier geb ich mich kläglich an, Daß ich nicht Französisch kann."

Die strafende Fronie gegen das Wälschen ist unverkennbar. Die königsberger Dichter, voran Simon Dach  , der Verfasser des sogar volksthümlich plattdeutsch geschriebenen und zum Volks­lied gewordenen Anke von Tharau", stehen sonst als Dichter nicht grade sehr hoch, sind aber verhältnißmäßig frei von fran­zösischem Einflusse.

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Der wackere schlesische Edelmann Friedrich von Logau  , der erst von Lessing   von seinem literarischen Scheintod erweckt werden mußte, weil er verschmähte, lobhudelnde Gedichte an solche Leute zu richten, die sich bereits auf dem deutschen   Barnaß angekauft hatten, und dafür Reklame durch Antwortgedichte zu bekommen, zeichnet sich ebenfalls durch festes Eintreten für die deutsche Sprache aus. In seinen Epigrammen, d. h. Aufschriften, Sinngedichten, Stachelreden", oder wie man es sonst wohl noch übersetzt hat, sagt er von seiner Zeit:

,, Wer nicht Französisch kann, Ist kein gerühmter Mann. Drum müssen wir verdammen, Von denen wir entstammen, Bei denen Herz und Mund, Alleine deutsch   gekunnt."

Und an einer andern Stelle heißt es:

,, Das deutsche Land ist arm, die Sprache kann es sagen, Die jetzt so mager ist, daß man ihr zu muß tragen Aus Frankreich  , was sie darf( bedarf) und her vom Tiberstrom, Wo vor( vordem) Latein starb auch mit dir, unrömisch Rom  ; Zum Theil schickt's Jber( Ebro), das andre wird genommen So gut es wird gezeugt und auf die Welt ist kommen, Durch einen Gerne- Klug, der, wenn der Geist ihn rührt, Jezt dieses Prale- Wort, jezt jenes rauß gebiert. Die Musen wirkten zwar durch kluge Tichtersinnen, Daß Deutschland   sollte deutsch   und artlich reden können, Mars aber schafft es ab und hat es so geschickt, Daß Deutschland   ist blutarm, drum geht es so geflickt." Des römischen Kaiserreichs Fall leitet er also von dem Verfall diesen Gefahren. Für die Leistungsfähigkeit der Muttersprache der lateinischen Sprache her und warnt seine Landsleute vor tritt er in folgenden Epigrammen ein:

Ist die deutsche Sprache rauh? Wie deß so kein Volk sonst nicht Von dem liebsten Thun der Welt, von der Lieb' so lieblich spricht!"

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,, Kan die deutsche Sprache schnauben, schnarchen, poltern, donnern, frachen,

Kan sie doch auch spielen, scherzen, liebeln, gütteln*), türmeln**), lachen."

*) freundlich thun.

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**) kosen.