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Schottel, der eine gelehrte Grammatik der deutschen ,, Haubt| und Heldensprache" schrieb, klagte, daß ,, Ausländer dürfen sagen, es wehren( wären) ohngefähr zweihundert teutsche Grundwörter, das übrige wehre ein grobes Geflick und muste( müßte) bald von hier, bald von dort abgeleitet werden."
Einer der bedeutendsten Prosaiker der Zeit, Moscherosch ( 1601-1669) zieht in den Gesichten Philanders von Sittewald" derb gegen die verwahrlosten Sitten der Zeit zu Felde.„ Gesichte", d. h. Visionen, Traumbilder waren eine seit Dante beliebte dichterische Einkleidungsform, und diese deutsche Arbeit ist einer spanischen nachgeahmt. Im ersten Gesicht" des zweiten Theils kommt Philander auf das Schloß Geroldseck bei Zabern im Elsaß , wo die ,, altteutschen Helden Ariovist , Arminius , Witchindus, der hürnen Siegfried" 1. a. zu gewisser Zeit alljährlich zuſammen
Von
zukommen pflegten und eben wieder versammelt waren. diesen wird nun unser Philander weidlich verspottet, wegen der undeutschen Fremdländerei in Tracht und Sitten, Namen und Sprache. Erst als er mit schriftlicher Handfeste versprochen hat, daß er fernerhin deutsch leben, sich kleiden und vor allen Dingen aber die Muttersprach rein und unverfälscht reden, mit keinen fremden Wörtern beschmißen noch verunehren wolle", wird er nach manch' ausgestandenem Hohne von den alten Herren in Gnaden entlassen.
Unter den eingestreuten Gedichten finden sich folgende, recht derbe, uns hier angehende Verse:
Ihr böse Teutschen, Man sollt euch peutschen, Daß ihr die Muttersprach
So wenig acht.
Ihr lieben Herren, Das heißt nicht mehren, Die Sprach verkehren
Und zerstören.
Ihr thut all's mischen
Mit faulen Fischen,
Und macht ein Mischgemäsch,
Ein wüste Wäsch," u. s. w.
Hans Lauremberg( 1590-1659), Professor an der Uni versität Soröe , war so wenig vom Gelehrtendünkel erfüllt, daßer als Dichter gegen Ende seines Lebens mit seinen„ Veer Scherz gedichten", in plattdeutscher Volksmundart abgefaßt, auftrat, und in einem derselben, dem dritten, heftig und derb, aber voll köstlichen Humors gegen das Vormengen der spraken und Titul" anfämpft. Er spottet, davonlaufen heiße heutzutage retiriren, ein Schlingel sei ein Cujon, was man sonst, stehlen' genannt, heiße jetzt es fünstlich anpacken'! Jetzt wolle jedermann Monsieur heißen, Fuhrleute, Stallknechte und Scheerenschleifer; der Hofemeister sei ein Präceptor, der Schreiber ein Secretarius und der Quadsalber werde ein Doctor genannt.
Köstlich ist folgender Schwank, den er, gegen
,, Dat französisch Dütsch, dat vär gar wenig jaren Erst upgekommen ys und glyk als nie gebaren"
sich wendend, erzählt.
Ein junger Landedelmann, der achtzehn Wochen in Paris war und nun ganz für alles Parisische" eingenommen ist, gibt
seinem Koch den Auftrag:
Cuisinier ( och), von meinen Kameraden
Hab ich zwei oder drei zum déjeuner geladen,
Mach mir ein gut potage( Suppe) mit all appartenance( Zubehör), Wie man es à la cour dressiren pflegt en France( an dem Hof zu Frankreich vorzurichten).
Dann schildert er diese nouvelle mode, b. i. die neue Mode, und schließt:
,, Mat mir die Suppe nur, wie yk hab geredt," und der Koch antwortet: So wie er gesprochen habe, wolle er die Suppe auf guten Glauben machen. Nun tocht er in einem großen Kessel Grüße, Kohl, Erbsen und Warmbier zusammen, thut eine Handvoll Pfeffer daran und 1½ Loth Zucker. Das Gericht schmeckt natürlich greulich, die Gäste müssen sich erbrechen. Als jedoch der Hausherr den Koch strafen will, entgegnet dieser ganz kühl und mit Gemüthsruhe: Ich habe die Suppe gemacht, wie Ihr gesprochen. Was Ihr spracht, war zusammengeschraubt aus Deutsch , Französisch, Griechisch, und so ist die Suppe auch ,, bon veelen Stücken".
Eine Mittelstellung nimmt, gegen die Sprachmenger, aber auch gegen die unsinnigen Reiniger Krieg führend, der Satirendichter Rachel( 1618-1669) ein. In der uns angehenden Satire ,, Der Poet " mahnt Rachel folgendermaßen:
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Auch sieh dich eben für, daß deine Arbeit nicht Sei allzusehr genau und sorglich eingericht
Nach Hirsen Pfriemers Art, wann er also darf sezen: Der Erzgott Jupiter, der hatte sich zu lezen, Ein Gastmahl angestellt: die Weidinn*) gab das Wild, Der Gluhfang*) den Thoback, der Sahl ward angefüllt, Die Obstinn*) trug zu Tisch in einer vollen Schüssel, Die Freye**) saß und spielt' mit einem Liebes- Schlüssel, Der kleine Liebreiß***) sang ein Tichtling*) auf den Schmauß, Der trunkne Heldreich †) schlug die Tageleuchter aus" u. s. w.
Diese Sonderbarkeiten sucht er zu erklären, indem er schildert, wie diese babylonische Sprachverwirrung in deutschen Landen zuſtande gekommen sei:
Dies Elend ist entsprungen
Vom guten Vorsatz her, weil man mit fremden Zungen Die edle Muttersprach zu schänden auffgehört Und unsre Teutschen hat das reine Teutsch gelehrt, Und war ein neu Gespräch gemählich aufgekommen, Und hatte mit der Zeit ganz überhand genommen, Daß eine Zunge nur, ein teutscher Mann allein
Auß nüchtern Munde sprach Französisch, Welsch, Latein." Daraus wäre ein förmliches ,, Mengel- Mueß" entstanden, von dem Rachel eine schreckenerregende Probe gibt, die leider zu lang und zu schwer zu kürzen ist, als daß wir sie ganz oder nur zum Theil wiedergeben könnten. Dann fährt er fort:
"
Das war die güldne Kunst, zu reden und zu schreiben,
Nun denk ihm einer nach, wann dieses noch sollt bleiben
Als wie der Anfang war bei jedermann gemein,
Welch eine Sprache sollt in Teutschland endlich sein!
So hat die Barbarei das gut Latein zerstücket,
Und Gotisch, Wendisch, Teutsch mit Macht hineingeflicket.
Dadurch kam allererst der Mischmasch auf die Welt,
Und eben dieses wehr( wäre) den Teutschen auch geschehen, Wenn nicht mit allem Ernst da wehre zugesehen, Der Lapperei gewehrt, das reine Teutsch erzwungen, Das nichts erbetteln darf( zu erbetteln bedarf, nöthig hat zu betteln) von fremder Sprach und Zungen.
Es kompt mir eben vor, als wenn man ein Gesicht, Dem feiner Schönheit Zier noch Liebligkeit gebricht, Nach eitler Weiber Art noch will mit Pflaster schmücken, Die künstlich sein geschnigt als Käffer oder Mücken: Kähm irgend auff die Welt ein Kind mit solchen Flecken, Wie sorglich sollte man die Mißgeburt verdecken! Wann öffentlich Hans Wurst will ausgelachet sein, So fleckt er das Gesicht, wie euch nun ist gemein. Nun, solch ein Narr ist auch und würdig seiner Kappen, Der unser schönes Deutsch mit der Franzosen Lappen Noch besser machen will...."
Die Fremdwörterseuche wüthete aber immer fort und es werden auch im 18. Jahrhundert Klagen darüber laut. Wie übermächtig die Mode wirkte, das ersieht man übrigens aus dem Zueignungsgedicht, welches der zittauer Schuldirektor Weiße( 1642-1708) seinen Poesien voranstellt:
"
, Und weil die Deutschen viel aus andern Sprachen borgen,
So muß ich ebenfalls mich auch dazu verstehn;
Ein ander, den's verdreust, mag sich zu Tode sorgen. Genug, daß die Verse gut, die Lieder lieblich gehn."
Ganz anders und mit grimmiger Strenge eifert Burkhard Menke gegen die französischen Flickworte im Munde der vornehmthuenden Damenwelt:
,, Doch bei dem allen läßt sich noch ein Wunder spüren: Daß, die es nicht gelernt, dennoch französch parliren; Da heißt das ander Wort gloire, renommé, Massacre, belesprit, fier, capricieux;
La Précieuse hat das Deutsche gar verschworen, Es klingelt zu paysan in ihren zarten Ohren, Und kömmt nach ihrem Goust zu canailleux heraus; Ein Wort französisch ziert den ganzen Menschen aus." ( Fortsetzung folgt.)
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**) Venus, die Göttin der Liebe ***) Amor, der Liebesgott. †) Der
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*) Siehe oben bei Zesen. und Beschüßerin der Freier. Kriegsgott Mars.
Nr. 7. 1880.