-
( Usbeken). Die ab und zugehende turkmenische Wanderbevölkerung entzieht sich selbstverständlich jeder statistischen Kontrole. Obwohl diese Turkmenen Vieh, namentlich Pferdezucht betreiben, und die lettere den edlen schönen Thieren von Merw einen gewissen Weltruf verschafft hat, so ist die eigentliche Berufsthätigkeit doch nur der Raub und die Plünderung, und in dieser Hinsicht bilden sie den Schrecken alles Landes zwischen Orus und Atrek. In der Regel führen sie ihre Raubanfälle in den Nachtstunden aus. Ihr Erscheinen hat etwas Bligartiges und ebenso bligartig verschwinden sie in der Steppe, die sie nach vollbrachter Arbeit oft tagereisenweit durchrasen, um der gefürchteten Verfolgung zu entgehen. Ueber die Tapferkeit der Turkmenen läßt sich streiten, denn gleich den Arabern und allen anderen asiatischen Steppenbewohnern greifen sie nur in der Uebermacht an und halten es durchaus nicht für entehrend, im geeigneten Augenblick Fersengeld zu geben. Im allgemeinen ist der Turkmene eine schöne, kriegerische Erscheinung mit edlem Gesichtstypus und funkelnden Augen und befleißigt sich einer würdevollen Haltung; nur selten aber vergißt er seine Habsucht, und es muß ein besonderer Anlaß sein, wenn er freigebig wird. Neben dem Raub steht auch der kleine Diebstahl in hoher Blüthe. In ihrem unabhängigen Raubstaat stiehlt alles.
Aber auch in dem Lager ihrer Feinde, der Russen, gibt es Diebe, nämlich Tagediebe, genug, die, dant zärtlicher Protektion, angestellt sind, aber gar nichts zu thun haben, die in untadelhafter Ballsaalwäsche stolz von ihrem Kameel auf den armseligen Offizier der Front herabsehen und sich dabei recht gut zu nähren verstehen. Wie es bei der berüchtigten russischen Verpflegung mit der Mannschaft aussieht, wird sich jedermann zusammenreimen können.
Ist diese strategisch wichtige Position des innerasiatischen Schachbrettes von den Russen genommen, so werden die in Kabul stehenden Engländer gezwungen, sich Herats zu bemächtigen, um den Gewinn des Gegners durch einen Gegenzug zu pariren, und der Zusammenstoß wird unvermeidlich. ( Fortseßung folgt.)
Zusammenstoß mit einem Eisberge.
-
( Nach dem Englischen. Hierzu die Illustration auf Seite 76-77.) Eines Abends gegen 10 Uhr verließ ich meine Kajüte an Bord eines Auswandererschiffes, um einen Gang auf das Verdeck zu machen, das um diese Zeit von Passagieren, deren wir gegen dreihundert hatten, frei war. Das Schiff ging mit gerefften Segeln gegen den Wind, die Nacht war finster und selbst für diese Breite sehr kalt. Seitdem wir südlich von Melbourne segelten, beobachtete ich sorgfältig täglich mein Thermometer, hatte es auch jezt am Maste befestigt und bemerkte, nachdem ich einigemale hin- und hergegangen war, daß es 7 Grad Wärme zeigte. Bald schien es mir, als ob ein tälterer Wind wehe, und bald wurde die Kälte so auffallend, daß ich wieder nach dem Thermometer blickte. Das Quecksilber war in einer halben Stunde bis auf 3 Grad Kälte gefallen. Nach etwa zehn Minuten stand es wieder auf 7 Grad über dem Gefrierpunkt. Dieser rasche Temperaturwechsel überraschte mich zwar, ließ sich aber sehr leicht daraus erklären, daß wir in der Dunkelheit an Treibeis vorübergekommen waren. Das war besorgnißerregend, umsomehr, als einige der Schiffs offiziere unglücklicherweise unzuverlässig waren. Einer, der die Mittelwache von 12 bis 4 Uhr hatte, war ein notorischer Trunkenbold, und der andere, der die Wache am Bug hatte, war schon öfters schlafend auf seinem Posten angetroffen worden. Wie der Herr, so das Geschirr, das bewahrheitete sich auch auf unserm Schiffe: die Mannschaft war dem Trunke ergeben und war im Dienste schlaff.
Es ist nicht zu verwundern, daß ich bei dieser Sachlage ängstlich wurde und keine Neigung hatte, wie die übrigen Passagiere mein Lager aufzusuchen. Als ich dies endlich doch that, war es mir unmöglich, zu schlafen. Nicht zu bannende Gedanken an Schiffbruch quälten mich, ich fonnte es nicht länger ertragen und ging wieder auf's Deck. Der jetzt bald anbrechende Morgen war bitter kalt, der Wind blies wie vorher uns grade entgegen, was meine Besorgniß erhöhte, doch war es einigermaßen eine Beruhigung, als ich die schattenhaften Umrisse der wacht habenden Offiziere auf ihren Posten wahrnahm, denn man konnte etwaige herannahende Eisberge auch bei dunklem und nebligem Wetter auf weite Entfernung erblicken. Ich ging wieder in meine Kajüte und legte mich nieder. Wieder floh mich der Schlaf, wieder erhob ich mich, um wieder auf Deck zu gehen. Es war jezt 3 Uhr vorüber, und auf dem Schiffe herrschte tiefe Stille. Fast war ich völlig angekleidet, als vom Bug her ein schriller Ruf ertönte. Die Worte konnte ich nicht verstehen, aber der Ton in seinem seltsamen Laute drang mir durch Mark und Bein, sodaß ich fürchtete, daß ein Unglück über uns hereinbreche. Ich eilte an die Treppe und vernahm nun deutlich die Worte: ,, Ein Eisberg dicht vor uns!" Von allen Passagieren hörten nur ich und meine Frau den Ruf, die durch meine Ruhelosigkeit erweckt worden war und sich sehr verständig und gefaßt zeigte. Sie fleidete sich schnell an, während ich ebenfalls meine Toilette beendigte. Wir erwarteten den Zusammenstoß mit dem Eiskoloß, der, meinen früheren Erfahrungen nach, demnächst erfolgen würde.
In peinigender Langsamkeit verstrichen die nächsten Minuten, und ich gab mich schon der schwachen Hoffnung hin, daß es gelungen sei, den Kurs des Schiffes zu ändern und die drohende Gefahr zu vermeiden,
88
83
als ein betäubendes Krachen mich belehrte, wie eitel mein Hoffen ge= wesen sei. Es entstand eine kaum beschreibbare Verwirrung: ich und meine Frau stürzten zu Boden, hunderte von sorglos schlafenden Bassagieren waren aus ihren Kojen geschleudert worden, alles eilte in blinder Hast auf das Verdeck. Viele Weiber fielen hier in Ohnmacht, andere saßen betäubt, ihrer Sinne nicht mächtig, da, die meisten weinten und schrieen wie toll. Noch mehr aber waren die Männer vom Schrecken überwältigt. Einige brüllten wie Tobsüchtige, andere rangen die Hände, rauften sich die Haare aus, rannten sinnlos hin und her, wie um einen Ausgang zur Flucht zu suchen, oder warfen sich jammernd und verzweifelnd nieder; mehrere hatten sich auf die Kniee geworfen und suchten sich durch Gebete auf das nahe Ende vorzubereiten. Der Höllenlärm wurde noch dadurch gesteigert und das Verbleiben auf dem Verdeck fast unmöglich gemacht, daß Spieren und Raaen und ein Hagel von Eisstücken niederstürzten, die sich bei dem furchtbaren Zusammenstoß losgelöst hatten. Das Jammergeschrei von hunderten von Stimmen in allen Tonarten, das Krachen der herabfallendeu Stangen, das Knirschen und Stöhnen des Schiffes, das fort und fort mit dem Eisberge zusammenstieß, alles bildete eine Szene, wie sie keine Sprache faßlich zu schildern vermag. Auch in der Brust des Kühnsten mußte jede Hoffnung auf Rettung versiegen bei dem Gedanken, daß wir uns inmitten des wüsten Ozeans, tausende von Meilen von jeder Rettung entfernt befanden, daß die vorhandenen Boote nicht den vierten Theil der Personen an Bord aufnehmen konnten.
Hoch über unsere Masten erhob sich die grauglänzende, zerklüftete Masse des Eisberges, der im Spiel der Wogen sich bald hob, bald senkte, oder in langsamer, majestätischer Bewegung hin und her schwankte. Weithin verdeckte er den Anblick des Himmels und zuweilen neigte er sich so bedrohlich über das Schiff, als wolle er auf uns niederſtürzen und uns in die unermeßliche Tiefe schleudern.
Die Unordnung auf dem Verdecke wurde immer größer. Ein wirrer Menschenknäuel drängte sich und kämpfte, um zu den Booten zu gelangen, die an den Seiten des Schiffes befestigt waren. Die meisten waren in dem Anzuge, in welchem sie von ihrem Lager aufgeschreckt worden. Vergeblich riefen Kapitän und Offiziere ihre Befehle durch die Sprachrohre, daß die Passagiere den Matrosen plazmachen sollten, welche durch Brassung der Raaen das Schiff vom Eise loszumachen suchten. Ein betäubender Schrecken hatte alle ergriffen, keiner achtete auf die gegebenen Befehle. Glücklicherweise waren die Boote derartig befestigt, daß die darin unerfahrenen sie nicht lösen konnten, sonst wären viele durch deren Ueberfüllung ertrunken. Es wurde unmöglich, den Lauf des Schiffes zu ändern; so trieb dieses dahin, sich noch mehrere hundert Klaftern an der Eiswand reibend und bei jeder stampfenden Bewegung von neuem aufstoßend. Das dröhnende Krachen, Stöhnen, Knirschen, das immer wiederkehrende Herabfallen von Segelstangen steigerte den panischen Schrecken der sinnlosen Menge, deren wildes Ringen, Kämpfen, Drängen und Stoßen durch das schwache Licht einer am Hauptmast hängenden Laterne beleuchtet wurde.
So verging eine bange Viertelstunde, während deren die unbeschreibliche Verwirrung auf dem Verdeck ihren Höhepunkt erreichte. Jeden Augenblick erwartete man das Bersten und Sinken des Schiffes. Da ich bei diesen Umständen zur Rettung nichts beitragen konnte, machte ich mich auf den Weg nach meiner Kajüte, denn ich fühlte, daß mein Plaz in diesem verhängnißvollen Augenblick an der Seite meiner Frau sei, damit wir vereint den Tod finden möchten. Unter der kopflosen Menge der Passagiere hatten sich doch einige Männer befunden, welche die Geistesgegenwart nicht ganz verloren hatten. Sie waren an die Pumpen getreten und versuchten zu sondiren, ob das Schiff einen Leck gesprungen habe und wie hoch das Wasser im Kielraum stünde. Unter diesen Männern bemerkte ich meinen Kajütennachbar. Obwohl ich mir sagen mußte, daß während meines Verweilens auf Deck meine Frau, die sich allein in unserer Kajüte befand, Todesangst ausgestanden hatte, blieb ich doch noch einen Augenblick stehen, um das Ergebniß der Sondirung abzuwarten. Leben und Tod hing davon ab: die nächste Minute mußte entscheiden, ob wir hier ein nasses Grab finden würden oder nicht.
,, Ah, Sie sind es?" sagte mein Kajütennachbar, als ich meine Hand auf seine Schulter legte. Ihre Frau bat mich eben, Sie zu ihr hinunterzuschicken, falls Sie auf dem Verdeck nichts helfen könnten. Es scheint nichts mehr zu helfen zu sein, ich sehe wenigstens keine Hoffnung mehr für uns."
Wollen Sie hinunterkommen und mir das Ergebniß der Sondirung mittheilen, wie es auch ausfallen möge?" fragte ich.
Ja," entgegnete er; ,, wenn es ungünstig ist, werde ich in meine Kajüte hinuntergehen. Sie hören mich dann an Ihrer Kajüte vorbeigehen. Sehen werde ich Sie in diesem Falle nicht mehr. So leben Sie denn wohl." Damit drückte er mir herzlich die Hand. ,, Leben Sie wohl!" sagte ich.
,, Wie froh bin ich, daß du endlich kommst!" rief meine Frau mir entgegen. ,, Es müßte entseßlich sein, hier allein zu sterben. Ist denn keine Hoffnung mehr?"
,, Nur sehr wenig. Das Schiff ist alt und, wie alle amerikanischen Fahrzeuge, nicht besonders start im Holz. Vielleicht geht es nicht gleich unter, aber es muß bei dem gewaltigen Zusammenstoß einen gefähr lichen Leck gesprungen haben. Wenn wir uns nur solange über Wasser halten könnten, bis wir vielleicht einem andern Schiff begegnen."
In diesem Augenblick ließ sich ein neues, fürchterliches Krachen von oben her hören, welches das Vorspiel zu unserem augenblicklichen Unter