in dieselbe Familie, wie der Thunfisch, lebt im Mittelmeer   und im Süd- Atlantischen Ozean und kommt, wiewohl nicht gerade häufig, auf den Fischmarkt zu Triest  , wo man ihn, da sein Fleisch überaus wohlschmeckend ist, sehr theuer verkauft. Wahrscheinlich ist dieser Fisch derselbe, den Aristoteles   irrthümlich als den Be gleiter des Delphins anführt, und unzweifelhaft identisch mit dem Pompilus der Alten, einem Fisch, der treu den Schiffen im Meere durch die weitesten Strecken folgt und sie erst bei An­näherung der Küsten verläßt. Das Freundschaftsverhältniß des Lotsenfisches zum Hai ist vielfach angezweifelt worden, es hat sich aber nach allen Beobachtungen der Neuzeit durchaus bestätigt. Philipp Commerson, ein ausgezeichneter französischer Arzt und Naturforscher des vorigen Jahrhunderts, der eine Reise um die Erde machte und ein geschäßtes Werk über die Fische des Mittel­meeres schrieb, berichtet: Ich habe immer die Erzählung von dem Lotsen des Haifisches für eine Fabel gehalten, nun aber mich doch durch den Augenschein überzeugt, so daß ich nicht mehr an der Wahrheit zweifeln kann. Daß die Lotsen die Brocken verzehren, welche der Hai fallen läßt, begreift man, aber daß er sie nicht verschlingt, wenn sie ihm immer um die Nase schwim­men, begreift man nicht. Oft habe ich gesehen, wie ein Lotsen sisch nach dem ausgeworfenen Specke schwamm und dann zurück zum Hai ging, worauf dieser sogleich selbst kam. Fängt man den Hai, so folgen ihm seine Lotsen, bis man ihn emporwindet, und erst dann fliehen sie. Finden sie aber keinen anderen Hai, so halten sie sich an das Schiff selbst und folgen diesem oft mehrere Tage lang, bis sie wieder ihr Glück gemacht haben. Der englische   Forscher Bennet versichert, daß man die so hurtigen und gewandten Lotsenfische einzig und allein dann fangen könne, wenn man vorher einen Hai geangelt habe. Die kleinen, treuen Begleiter wollen sich von ihrem Beschüßer nicht trennen und um schwimmen ihn, wenn er aus dem Wasser gezogen wird, bis er verendet ist. Und da sie hierbei der Oberfläche mehr als sonst sich nähern, so hält es nicht schwer, sie mit einem langgestielten Hamen aufzufischen. Daß die Lotsen den Haifisch auf gute Schiffsbeute, ausgeworfene Köder u. dergl. aufmerksam machen, wobei sie ihm freilich wider ihren Willen oft einen sehr schlechten Freundschaftsdienst leisten, ist wiederholt gesehen worden. So erzählt der Berliner   Naturforscher Meyen in der Schilderung seiner Reise um die Welt, daß der Lotsenfisch dem Hai ge­wöhnlich vorausschwimme, sich in der Regel in der Nähe seines Rachens halte oder unter eine seiner Brustflossen begebe, zuweilen

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auch nach rechts und links schieße, als ob er auf Entdeckungen ausgehe und darauf eilig wieder zum Hai zurückkehre. Eines Tages wurde von dem Schiffe des Beobachters eine geföderte Angel ausgeworfen, da ein Hai in einer Entfernung von etwa zwanzig Klaftern folgte. Mit Blizesschnelle schoß der Lotsenfisch auf die Lockspeise zu, schien sie sogar zu versuchen, kehrte darauf zum Hai zurück, umschwamm denselben zu wiederholten Malen, peitschte das Wasser mit dem Schwanze und trieb es so fort, bis sich der Hai unter seiner Leitung in Bewegung setzte und wenige Minuten später richtig ein Opfer seiner Freßgier geworden war. Und ganz ebenso meldet der berühmte Geoffroy St. Hilaire, der naturwissenschaftliche Begleiter der napoleonischen Expedition nach Aegypten  : Auf unserer Fahrt kam während einer Windstille ein Hai gegen das Schiff geschwommen, nebenher zwei Lotsen­fische, welche immer eine gewisse Entfernung hielten, bei ihrer Ankunft das Schiff zweimal von einem Ende zum andern unter­suchten, und da sie nichts für ihren Gaumen fanden, weiter zogen, ihren Hai mit sich nehmend. Inzwischen hatte ein Matrose einen Hafen mit Speck geködert und warf ihn ins Meer. Die Fische waren bereits ziemlich weit entfernt, hörten jedoch das Plumpen, kehrten um, und begaben sich, sobald sie den Speck ausgekund schaftet, wieder zu ihrem Freunde, welcher sich währenddessen an der Oberfläche des Wassers durch Umwälzen u. dergl. belustigt hatte. Sogleich kehrte er um, auf jeder Seite begleitet von einem seiner kleinen Kundschafter, wurde von diesem förmlich auf den Speck, welchen er nicht gewittert zu haben schien, ge­stoßen, biß zuerst ein Stück des Köders ab, schnappte noch ein mal zu, hing an der Angel und ward an Bord gezogen. Zwei Stunden später fing man auch einen von den Lotsenfischen, welche das Schiff noch nicht verlassen hatten." Es offenbaren uns die vorgeführten Thatschen aufs unzweideutigste ein gegenseitiges freundschaftliches Verhältniß zwischen beiden Thieren. Die Er­klärung reicht entschieden nicht aus, die man gegeben, daß der Lotsenfisch deshalb dem Hai folge, weil er in der Nähe dieses großen Räubers vor den Nachstellungen aller anderen Raubfische geschüßt sei, während seine Gewandtheit ihn davor bewahre, von diesem seinem Beschützer gefressen zu werden. Noch nie ist beobachtet worden, daß der Hai auch nur den Versuch macht, seinen kleinen Freund sich einzuverleiben, während er sonst nach allem gierig zuschnappt, was ihm vor Augen kommt. Der Lotsen­fisch ist eben das einzige lebende Wesen, das der Hai um sich und in seiner nächsten Nähe duldet.( Fortseßung folgt.)

II.

Das neue Recht im neuen Reich.

Von V. D.

Die allgemeinen Grundsätze des Strafprozesses und Civilprozesses in ihrer Gegenfäßlichkeit und Gemeinsamkeit.

a) Die Offizial- und Verhandlungsmaxime. Der Strafprozeß und der Civilprozeß dienen beide der Ver­wirklichung des materiellen Rechts. Die Strafprozeßordnung und Civilprozeßordnung stellen die Normen auf, in denen ein Rechts­streit seiner Entscheidung entgegengeführt werden soll. Voraus­jezung eines jeden Civil- oder Strafprozeßverfahrens ist eine Rechtsverletzung. Indem der Staat Gesetze über das Civil- und Strafprozeßverfahren erläßt, kommt er der aus dem Recht der Justizhoheit fließenden Pflicht nach, für Wiederherstellung des gestörten Rechtszustandes Sorge zu tragen. Die Natur der Rechte aber, deren Schutz Aufgabe des Strafprozesses einerseits und des Civilprozesses andrerseits ist, bedingt aber eine vielfache Verschie denheit der Gestaltung des Strafprozesses und Civilprozesses selbst. Jm Strafprozeß wird der Strafanspruch des Staates, im Civilprozeß irgendein bestrittener Anspruch eines einzelnen, einer Privatperson verfolgt. Jm Strafprozeß steht das öffentliche Recht, im Civilprozeß das Privatrecht in Frage. Dort ist der Kläger der Staat, hier eine Privatperson. Es greift also der wesentliche Unterschied zwischen dem öffentlichen und privaten Recht Platz, welcher vorwiegend darin zu finden sein wird, daß das öffent liche Recht der Disposition den einzelnen Individuen entzogen, während ein privates Recht dem Verzichte des Berechtigten unter­worfen ist. Alle Privatrechte sind ganz oder theilweise veräußer

lich, das öffentliche Recht ist unveräußerlich, feinem andern Willen, als dem Willen des Staates unterthan, und letzterem auch nur insofern, als der Staat als gesetzgebender Faktor Geseze ab- und neu schaffen kann. Solange ein Gesetz, z. B. ein Strafgeß, be­steht, sind nur die Organe des Staates gezwungen, dasselbe an­zuwenden; sie können nicht nach Belieben ein Gesetz in diesem Falle ignoriren, in jenem zur Anwendung bringen.

Auf diesem grundsätzlichen Gegensatz zwischen öffentlichem und privaten Recht basirt ein grundsäßlicher Unterschied zwischen dem Strafprozeß und Civilprozeß. In der Wissenschaft wird derselbe folgendermaßen ausgedrückt. Der Strafprozeß steht unter der Herrschaft des Offizialprinzips, der Civilprozeß unter der Herr schaft der Verhandlungs- oder Dispositionsmarime. Das erste Prinzip bedeutet: das Verbrechen ist ein nicht wieder gut zu machender Rechtsbruch, welcher dem Staate zur Genugthuung und dem Verbrecher zur Strafe verfolgt werden muß. Aus diesem Prinzipe folgt, daß der Staat. Organe für die Straf verfolgung die Staatsanwaltschaft bestellt, welche die Klage fraft Gesetzes zufolge ihrer amtlichen Pflicht zur Verfolgung des Verbrechers zu erheben haben, und welche sich dieser Pflicht ebensowenig entziehen können, als der Verbrecher der Strafe aus eigenem Willen sich entziehen kann. eigenem Willen sich entziehen kann. Weiter stellt sich als eine Konsequenz dieses Prinzips, welche allerdings erst die modernen Strafprozeßgefeße gezogen haben, das Streben nach materieller Wahrheit, die Befreiung des Richters von allen bindenden Beweis­regeln bei der Frage nach dem Vorhandensein einer Schuld dar. Weil in früheren Jahrhunderten das Verbrechen nicht als Ver­

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