schmelzung der seinen Klassizität Thorwaldsens mit dem herben Rea­lismus Schadow's die reife Frucht einer wahrhaft lebenskräftigen mo­dernen Monumentaltunst zu erzeugen. Die glückliche Lösung dieses Problems ist es, wie oben gesagt wurde, die das Verdienst und die Bedeutung Christian Rauchs begründet, der jetzt in die geschichtliche Entwicklung eingriff und als Nachfolger Schadow's das von diesem Angebahnte seiner allseitigen harmonischen Vollendung entgegenführte, um dadurch für die gesammte deutsche Plastik bis auf unsere Tage hin einen bestimmenden und geseggebenden Einfluß zu gewinnen. Christian Rauch hat der modernen Porträtstatue das Recht und die Pflicht histo­rischer Treue und dadurch zugleich die sichere Grundlage ihrer allge­meinen Verständlichkeit für das Volk zurückgegeben, ohne die sie ihrem Zweck und ihrer Bedeutung nimmer zu entsprechen vermag, weil er durch das Abstreifen der gespreißten Unnatur des Zopfes die edle Ein­fachheit der Griechen zu Ehren brachte.

An jene ersten Werke, die das erfolggekrönte Wollen des Künstlers sofort in das Klarste Licht sehen und bereits deutlich die ihm gebüh­rende kunstgeschichtliche Stellung anzeigten, reihten sich fort und fort neue Aufträge; und jedes jener weit und breit bekannten Monumente, von der Blücherſtatue in Breslau bis zu dem berliner Friedrichs- Dent­mal und den legten Arbeiten seines späten Alters, den Standbildern Thaer's und Kant's, befestigte immer sicherer die von Rauch von An­fang an tlar ausgesprochenen Prinzipien seiner Kunst.

Seitdem er im Jahre 1818 dauernd sein Atelier in Berlin auf­geschlagen hatte, wirkte und schuf er dort ununterbrochen, von einem weiten Kreis von Schülern umgeben, in jugendlicher Frische und Rüstig­feit, bis der Tod dem arbeitsreichen Leben des achtzigjährigen Greises am 3. Dezember 1857 ein Ziel setzte.

Ueberblicken wir im Geist die stattliche Reihe aller seiner Monu­mentalwerke und rechnen wir zu ihnen die Menge charaktervoller Büsten und die Fülle fein empfundener idealer Arbeiten hinzu, unter denen nur an die in Berlin und in der Walhalla bei Regensburg zur Auf­stellung gelangten, in Auffassung mannichfach wechselnden Viktorien ( Siegesgöttinnen) besonders erinnert sein möge, so erfüllt uns der staunenswerth reiche Inhalt dieses Künstlerlebens mit ungetheilter Be­wunderung. Aber fast wunderbarer noch erscheint uns die harmonisch in sich beruhigte, nirgends in ihrer heitern Klarheit getrübte Stim­mung, die uns aus allen diesen Schöpfungen in gleichem Maße ent­gegenleuchtet. Und doch erklärt das eine sich durch das andere. Von nüchterner Kälte wie von schäumend überquellendem Empfindungsdrang gleich weit entfernt, bewahrt das Wesen Rauchs durchweg jenes edle und sichere, wie in seinen Werken, so in seinem schlichten Leben und in seiner würdevollen äußern Erscheinung plastisch ausgeprägte Gleichmaß, jenen Zug einfacher, in sich geschlossener Vornehmheit, der den Menschen in gleichem Grad auszeichnete, wie er den Schöpfungen seiner Hand und seines Geistes eigenthümlich ist. Nirgends verräth sich auch nur die leise Spur einer hastenden Uebereilung; in jedem Zug aber tritt uns der unverrückbar auf das Ganze gerichtete Blick, das unverwan­delbar seines Ziels bewußte Streben und eine gleichsam selbstverständ­liche, nie ſichtlich forcirte, dabei aber nahezu unermüdbare Ausdauer der Arbeit und eine sie stets treu begleitende, sorgsam erwägende und messende Selbstkritik entgegen.

Damit ist aber die Grenze der Begabung Rauchs ebenso an­gedeutet, wie die seltene Intensität, mit der sich sein Talent innerhalb derselben zur Geltung brachte. Er war eine glücklich angelegte Künstler­natur ohne Extravaganzen. Der kühne, geniale Schwung einer mühe­los leichten, in unerschöpflichem Reichthum schwelgenden Erfindung war ihm versagt; damit blieb er aber auch vor dem Mißlingen bewahrt, das nur die zwecklose Vergeudung der aufgewandten Kraft bedauern läßt. Es war nicht die Art seiner ächt germanischen Natur, das Ziel im ungestümen Anlauf zu nehmen, sondern mit ruhigem Schritt ging er ihm fest und sicher entgegen; das einmal Errungene aber wußte er mit vollster Klarheit zu umfassen und zu durchdringen, und vor allem war er gewohnt, sich selber über sein Thun die genaueste Rechenschaft zu geben und seiner seltenen Gewissenhaftigkeit in nimmer raftender Bollendung zu genügen. Es ist klar, daß grade diese Eigenschaften ihn in ganz außerordentlicher Weise zum Lehrer befähigten und es ihm ermöglichten, durch die von ihm herangebildeten Schüler Rietschel, Drake u. a. m. das von ihm selber Erworbene nachhaltig zu wahren und in seinem Sinne sich fortentwickeln zu lassen. Wie für die Werke, die er uns gegeben hat, so haben wir ihm für das lebendige Beispiel zu danken, das in seinen Schülern weiter wirkte und noch heute seinen segensreichen Einfluß übt.

Dr. M. T.

Der Rattenfänger von Hameln.( Bild Seite 89.) In der hannöverschen, im Jahre 712 entstandenen Stadt Hameln spielt die Sage, welche den Vorwurf unsers Bildes, einer sogenannten Silhouette,

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| abgibt. Zu seiner Erklärung diene folgende, natürlich nicht authentische Begebenheit. Am 26. August 1284 erschien in Hameln ein Pfeifer ( herumziehender Musikant), welcher sich anheischig machte, gegen eine gewisse Summe alle Ratten aus der Stadt in die Weser zu treiben. Dies gelang ihm auch mittels Blasens auf seiner Pfeife. Da man dem Manne hierauf seinen Lohn vorenthielt, lockte er am nächsten Sonntage während des Gottesdienstes durch sein Pfeifen alle Kinder aus den Häusern in den nahen Kuppelberg. Nur eines der Kinder hatte sich verspätet, sodaß sich der Berg bei seiner Ankunft schon wieder geschlossen hatte. Zur selben Zeit berief der ungarische König Geisa niedersächsische Ansiedler zur Urbarmachung Siebenbürgens . Die Sage spann den Faden der Geschichte weiter und erzählt, der Rattenfänger wäre mit den Kindern unterirdisch bis nach Siebenbürgen gekommen und hätte dort die Sachsenkolonie gegründet. Wahrscheinlich hat eine mißverstandene Inschrift an einem Denkmal auf dem Kuppelberge zur Entstehung der Rattenfängersage Anlaß gegeben. In neuester Zeit haben der Dichter Albert Wolf und der Musiker Neßler den Sagenstoff mit großem Geschick zu einem Epos und einer Oper verwerthet.

Was die oben erwähnte Bezeichnung Silhouette anbelangt, so ist sie das Schattenbild eines Menschen, welches dadurch entsteht, wenn der Umriß deelben mit schwarzer Farbe ausgefüllt ist, in welche die inneren Linien zuweilen mit weißen Strichen leicht hineingezeichnet zu werden pflegen. Der leider viel zu früh in Verlin verstorbene Konewka hat den Silhouetten- Ausschnitt zur größten Vollendung gebracht. Der Name rührt von dem französischen Finanzminister Etienne de Silhouette her, der sich um 1757 durch seine Finanzmaßregeln so verhaßt machte, daß man ihn überall lächerlich zu machen suchte und namentlich alles ärmlich aussehende à la Silhouette nannte, womit denn auch die Schattenbilder, die damals in Paris Mode waren, als armselig er­scheinende Porträts bezeichnet wurden. Dr. M. T.

Literarische Umschan.

,, Neue Welt- Kalender", Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei zu Leipzig . Der Neue Welt- Kalender ist ein in prachtvollem Farben­druck prangender Wandkalender, der nicht nur die Dienste eines solchen, wie jeder andere seiner Art verrichtet, sondern auch den anspruchvollsten Schönheitssinn befriedigt. Die mit fostbarem Festschmucke angethane Bulgarin, für welche der eigentliche Kalender den harmlosen Rahmen abgibt, ist bildschön und dürfte in mancher fühlenden Jünglingsbrust ein recht lebhaftes Bedauern rege werden lassen, daß sie mit ihren Glutaugen ihm nur aus dem Bilde entgegenschaut. Der Preis 75 Pfge. ist für soviel Schönheit spottwohlfeil.

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,, An den Verfasser von, Der Spiritismus in Leipzig "," Leipzig , Drud und Kommissionsverlag der Genossenschaftsbuchdruckerei. Ein sonderbares Schriftchen das, höchst sonderbar! Der Verfasser will nachweisen, daß der Schreiber eines später als Broschüre erschienenen Artikels der Zeitschrift Im neuen Reich" unrecht hatte, als er den Professor Zöllner beschuldigte, durch seine spiritistischen Experimente und deren öffentliche Besprechung den wissenschaftlichen Ruf der Uni­versität Leipzig geschädigt zu haben. Der Herr Anonymus" so Schrift den anonymen Verfasser des Spiritismus in Leipzig " gleich­redet der anonyme Verfasser der hier zur Rezension vorliegenden kleinen falls an der Herr Anonymus glaubt diesen Beweis dadurch führen stellungen und Meinungen der Astronomie vorführt". Das ist nun zu können, daß er in seiner Weise die Prinzipien, Theorien, Vor­schon höchst wunderlich denn es ist nicht leicht zu begreifen, und

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der Verfasser versucht auch garnicht, es begreiflich zu machen, was die wissenschaftliche Astronomie mit der unwissenschaftlichen Geisterklopferei des Spiritismus zu thun hat, wenn auch zehnmal der Spiritist, resp. Astronomie ist; noch viel wunderlicher aber ist die Art und Weise, wie der Entdecker der vierten Dimension, Zöllner nebenbei Professor der der Verfasser wissenschaftliche Theorien 2c. ,, vorführt". Als Vorreiter schickt er ihnen nämlich eine ganze Schwadron von Beschuldigungen wider die Gelehrten, welche sie verfechten, und wider ganze große und bislang für sehr wichtig gehaltene Zweige der Wissenschaft selbst vor­aus. Diesem Schwadroniren folgt eine wüthende Attake auf das topernikanische Sonnensystem, das den Verfasser deswegen ärgert, weil danach die Sonne als den Planeten gegenüber feststehend betrachtet werden müsse, obgleich sie unzweifelhaft auch, für sich betrachtet, nicht minder als andere Weltkörper, in Bewegung sei. Das scheint dem Berfasser ein grober, unverzeihlicher Widerspruch, über den er wiederum allerlei redet, ohne den geringsten Versuch einer verständlichen Ent widlung seiner eigenen Ansicht zu machen. Wie der Verfasser nach alledem zu der Meinung kommt, sein Gegner werde durch ihn zu der Einsicht gebracht sein, er der Gegner- habe unrecht, ist unerfindlich.

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Johann Wolf Ein Gedenkblatt Literarische Umschau.

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Inhalt. Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph von B......( Fortsetzung). in der Thierwelt. Naturgeschichtliche Skizzenbilder von Dr. L. Jacoby. Eigenthümliche Freundschaftsbeziehungen Das neue Recht im neuen Reich, von P. D.( II.) gang Goethe, von Dr. M. Vogler( Fortsetzung). Russen und Engländer in Asien , von Dr. M. Trausil( Fortsetzung). zum Schillertage. Christian Daniel Rauch ( mit Porträt). Der Rattenfänger von Hameln( mit Illustration).

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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Südstraße 5).- Expedition: Färberstraße 12. II. Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig .

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